Mitarbeiter*innen finden – aber wie?
Wo finde ich nur neue, gute Leute? Wer keine eigene Personalabteilung hat, tut sich mitunter schwer. Foto: © Leonardo.Ai/KI-generiert

Mitarbeiter*innen finden – aber wie?

Qualifiziertes Personal zu finden, ohne über eine Personalabteilung oder ausgebildete Personalverantwortliche zu verfügen, ist vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen, Vereine oder NGOs eine große Herausforderung. HR-Expertin Eva Stock weiß, mit welchen Tipps es gelingt und welche Fallstricke zu vermeiden sind.

Text: Elisabeth Werder

In kleinen und mittelständischen Unternehmen, Vereinen oder Non-Profit-Organisationen ist die Personalgewinnung häufig Sache der Chef*innen selbst. Eine professionelle Personalabteilung fehlt oft, ausgebildete HR-Manager*innen sind selten an Bord. Dennoch stehen auch diese Organisationen im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte, und der Erfolg hängt maßgeblich davon ab, die richtigen Mitarbeiter*innen zu finden und langfristig zu binden. Aber wie gelingt das ohne fundiertes Studium oder jahrelange Erfahrung im Personalwesen?

„Die gängigste Methode ist und bleibt die Stellenanzeige“, ist sich die Soziologin und HR-Expertin Eva Stock sicher. Sie arbeitet seit über zehn Jahren als freiberufliche Beraterin an der Schnittstelle zwischen HR, Recruiting, Organisationsentwicklung und Kommunikation. „Ich muss als Unternehmen auch ‚um mich werben‘ – und das mache ich so am effektivsten.“ Wichtig sei es, die Stellenanzeige nicht nur auf der eigenen Unternehmenswebsite zu veröffentlichen, sondern die Möglichkeiten großer Jobportale und kleiner Nischenportale zu nutzen. Mithilfe von Jobspreader- und Multiposting-Tools muss nicht jede Jobbörse selbst herausgesucht werden, sondern das Einstellen der Anzeigen geschieht automatisiert – inklusive Refresh, damit die Anzeige nicht immer weiter nach hinten rutscht.

KI als Sparringspartnerin

„Eine gute Stellenanzeige muss die potenziellen Bewerber*innen ansprechen, nicht die Geschäftsführung“, so Eva Stock. Im Klartext: Keine 14 Punkte auf der Anforderungsliste und umgekehrt nur fünf generische Standard-Zugeständnisse bei „Was bieten wir“. Mit Gratis-Wasser und Obstkorb kann man als Unternehmen heute niemanden mehr für sich gewinnen. Den meisten Stellenanzeigen fehle es an einer guten Balance von Geben und Nehmen und einem passgenauen Storytelling, welches zur Unternehmenskultur passt. „Es ist eine Kunst, solche Stellenanzeigen zu formulieren. Das kann nicht jeder, ist aber auch gar nicht mehr nötig. Large Language Models wie zum Beispiel ChatGPT sind dafür prädestiniert, einem dabei zu helfen. Dabei kann man sich dann auch gleich noch selbst weiterbilden“, weiß die Expertin.

So kann man zum Beispiel ChatGPT fragen, ob die Stellenanzeige genderneutral formuliert ist. Auch ein A-/B-Test kann sinnvoll sein, um herauszufinden, welche Stellenanzeige besser performt. „Aber Achtung: Bitte nicht solche Formulierungen nutzen wie ‚Marketing-Rockstar (m/w/d) gesucht‘ – das ist nicht gut für die Suchmaschinen und vermittelt wenig Seriosität. User*innen wollen heute im Millisekunden-Bereich erkennen, ob die Anzeige für sie in Frage kommt – dann wird auch geklickt. Daher muss der Titel sitzen“, sagt Eva Stock. Um den richtigen Ton zu treffen, lohne sich gründliche Recherche und das Durchlesen von Stellenanzeigen der Konkurrenz.

Social Media als Recruiting-Tool?

Für Laien im Personalwesen betrachtet Eva Stock Social Media zunächst als nebensächlich. „Social Media spielt im Alltag von vielen Menschen eine große Rolle. Klassische Jobanzeigen funktionieren dort aber nicht. Es braucht nämlich einen ‚Funnel‘, also einen bestimmten Weg, wie die Bewerbenden dann ihr Interesse bekunden können. Wenn nur die Weiterleitung auf die Karriereseite passiert, wo dann der Lebenslauf hochgeladen werden muss, dann wird das nichts. Wer hat schon seinen Lebenslauf auf dem Smartphone?“, erläutert die HR-Expertin.

Neben dem Funnel gehören zu erfolgreichem Recruiting auf Social Media auch ein gepflegter Unternehmenskanal mit regelmäßig neuem Content. Und diesen aufzubauen, dauert. „Man muss sich sehr gut mit der Mechanik der einzelnen Plattform auskennen, man muss relativ viel Zeit investieren und schnell sein. Der Trend von heute ist morgen schon wieder langweilig. Die erfolgreichsten Firmen-Kanäle – gerade auf TikTok – werden übrigens von Azubis betrieben und nicht von den Marketing-Führungskräften“, erklärt Eva Stock. Wenn man Social-Media-Recruiting wirklich austesten möchte, solle man sich an entsprechende Agenturen wenden, so ihre Empfehlung.

Unternehmenskultur als Magnet

Eine klar kommunizierte und glaubwürdige Unternehmenskultur wirkt wie ein Magnet für passende Bewerber*innen und gegen Fehlbesetzungen. „Die Mitarbeitenden-Empfehlung wird als Recruiting-Tool sehr unterschätzt“, betont Eva Stock. Dabei ist sie simpel wie effektiv: Wenn aktuelle Mitarbeitende so von ihrem Job überzeugt sind, dass sie ihrem Arbeitgeber im Bekannten- und Verwandtenkreis empfehlen, wirkt das nachhaltiger als jede noch so gut formulierte Stellenausschreibung.

Eine Erfolgsprämie, die beispielsweise nach bestandener Probezeit oder auch gestückelt ausbezahlt wird, ist ein toller Anreiz für Empfehlungen. „Und bitte dabei nicht zu geizig sein! Mindestens 500 Euro müssen je nach Qualifikation drin sein, denn eine Stellenanzeige in großem Stil zu schalten, kostet definitiv mehr“, so Eva Stock. Auch für Personaler*innen empfehle sich, immer wieder intern Werbung dafür zu machen, wenn neue Anzeigen geschaltet werden: „Die Bindung zum Unternehmen und die Bleiberate sind länger bei Mitarbeitenden, die sich über Empfehlung beworben haben.“

Häufige Fehler bei der Personalsuche

Ein typischer Fehler bei der Personalsuche sei es, nicht direkt am Anfang über die harten Rahmenbedingungen wie Geld, Arbeitszeit und Startdatum zu sprechen. „Meine Empfehlung lautet, immer einen kurzen Vorab-Call mit den Bewerbenden zu machen. Da reichen 20 Minuten, um genau diese Rahmenbedingungen zu klären. Am besten schreibt man die Themen eh schon in die Stellenausschreibung – damit zieht man dann auch meist von vornherein die passenden Bewerbenden an.“ Ein weiterer Stolperstein sind unklare Anforderungsprofile: Wer nicht weiß, wen genau er sucht, wird selten fündig. Der Fokus sollte nicht auf formalen Bildungsabschlüssen, sondern auf Kompetenzen und Potenzialen liegen.

Auch Personaler*innen sind nur Menschen. Dazu Eva Stock: „Die meisten Fehler in der Personalauswahl passieren aufgrund von Voreingenommenheit.“ Diese können positiv und negativ auf die Kandidat*innen strahlen. „Auch das Bauchgefühl braucht seinen Platz, allerdings bedeutet eine gute Personalauswahl, dass man das Bauchgefühl in Worte fassen und einordnen kann. Dieses dann auch gemeinsam mit anderen Personen, die den oder die Kandidat*in gesehen haben, zu diskutieren und einzuordnen, das ist der Grundstein einer guten Personalauswahl. Dabei sollte man sich auch von guten Gegenargumenten überzeugen lassen“, empfiehlt die HR-Expertin.

Externe Hilfe in Anspruch nehmen

In manchen Fällen ist es sinnvoll, eine externe Beratung oder Recruiting-Dienstleister einzubeziehen. Zum Beispiel wenn sich die Suche nach Fachkräften trotz intensiver Bemühungen als schwierig gestaltet, sich Fehlbesetzungen häufen oder es an Zeit fehlt, Recruiting-Prozesse professionell zu begleiten. Je nach Branche und Tätigkeit sind hochspezialisierte Fachkräfte gefragt, die selten über standardisierte Stellenausschreibungen gefunden werden. In solchen Fällen können Expert*innen den Prozess beschleunigen, die Qualität der Auswahl verbessern und neue Perspektiven eröffnen. Dazu gehören beispielsweise Active Sourcer*innen auf Freelance-Basis – also Fachleute, die proaktiv nach qualifizierten Talenten suchen – oder entsprechende Agenturen.

„Wer denkt, man könne einfach nur den Jobtitel rüberwerfen und dann bekommt man Kandidat*innen, der irrt. Professionelle und erfahrene Personalberatungen und Freelancer*innen wollen es schon sehr genau wissen, wen man sich als Unternehmen auf dieser Position vorstellt“, erklärt Eva Stock. Das heißt: Auch mit externer Unterstützung muss ausreichend Zeit für den Prozess eingeplant werden. Nur mit detailliertem Feedback, warum man vorgeschlagene Profile ablehnt, kann der Prozess zum Erfolg führen. „Man braucht also nicht nur die Offenheit, sich und seine Strukturen klar darzustellen, sondern man muss im Prozess auch bereit sein, kurzfristig zu agieren.“

Karriereweg ins Personalmanagement

Manchmal entdeckt man beim „Learning by Doing“ eine Leidenschaft für das Personalwesen. Ein später Quereinstieg ins Personalwesen ist nicht nur möglich, sondern in vielen Organisationen auch ausdrücklich erwünscht – vor allem, wenn Praxiserfahrung und Unternehmergeist vorhanden sind. Wer sich in diesem Bereich weiterentwickeln möchte, hat verschiedene Optionen: zum Beispiel eine praxisnahe Weiterbildung durch Zertifikatslehrgänge oder das Stärken von Methodenkompetenz durch Fachliteratur. Netzwerkpflege – regional und online – öffnet Türen.

„Ich halte drei Komponenten für eine zukunftsgerichtete Personalarbeit für wichtig: Basics wie Arbeitsrecht und grundsätzliche Personalprozesse, Erfahrung mit digitalen Tools sowie eine systemische Kompetenz“, so Eva Stock. Während sich die ersten beiden Punkte relativ simpel aneignen lassen, erfordert letzteres den Blick über den Tellerrand: „Ich selbst habe eine Ausbildung zur Prozessbegleiterin gemacht und das war für mich als Soziologin augenöffnend. Diese Ausbildung vereint Coaching, Facilitation, Train-the-Trainer und Organisations-Entwicklung und war sehr intensiv, aber hat mich nachhaltig geprägt. Zu sehen, wie man wirksam sein kann über den administrativen Part hinaus, hat meine Karriere befeuert“, ist sie sich sicher.

 
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