Zeit zum Durchatmen
Sie darf nicht zu lange, aber auch nicht zu kurz sein: die Arbeitspause. Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt, welche Regelungen diesbezüglich gelten und ob beispielsweise Kaffeeholen auch zur Pause gehört.
Interview: Christine Lendt
WILA Arbeitsmarkt: Herr Solmecke, wie definieren sich Pausen im Arbeitskontext?
Christian Solmecke: Die Erholungspausen, auch Ruhepausen genannt, sind in Paragraf 4 Arbeitszeitgesetz vorgeschrieben. Wie der Begriff schon verdeutlicht, handelt es sich dabei um Unterbrechungen der Arbeitszeit, die genutzt werden sollen, um sich erholen zu können. Diese Pausen sind unbezahlt, zählen also nicht zur Arbeitszeit. Viele Arbeitnehmer denken, dass Pausen zur Arbeitszeit zählen und somit vergütet werden – dies wird also oft missverstanden.
Der Begriff „konventionelle Pausen“ hingegen ist rechtlich nicht definiert. Darunter können mehrere Arten von Arbeitsunterbrechungen fallen: Zum einen (tarif-)vertraglich oder in Betriebsvereinbarungen festgelegte Pausen, die über die gesetzlich geforderten Pausen hinausgehen. Es ist aber auch ein umgangssprachlicher Begriff für kurze Unterbrechungen der Arbeitszeit, die – je nach Kulanz des Arbeitgebers – als offizielle Unterbrechung gewertet werden müssen oder nicht, beispielsweise eine Kaffeepause, Raucherpause oder Ähnliches.
Wie lang müssen die gesetzlich vorgeschriebenen Erholungspausen sein?
Laut dem deutschen Arbeitszeitgesetz müssen Beschäftigte bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden mindestens 30 Minuten Pause machen. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden sind es mindestens 45 Minuten. Diese Pausen können in Abschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden.
Wann ist eine Pause eine offizielle Pause und wann handelt es sich nur um ein Durchatmen?
Eine offizielle Pause ist die eben beschriebene gesetzlich vorgeschriebene, unbezahlte Unterbrechung der Arbeitszeit. Während dieser Pausen dürfen Arbeitnehmer ihre Arbeit nicht fortsetzen.
Ein kurzes Durchatmen hingegen ist eine informelle, spontane Unterbrechung der Arbeit, die kürzer andauert und nicht gesetzlich geregelt ist. Diese kurzen Unterbrechungen der Arbeitszeit können zum Beispiel dazu dienen, mal aufzustehen, sich zu strecken oder ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen, um die Konzentration und Produktivität zu steigern. Hierfür muss die inzwischen vorgeschriebene Messung der Arbeitszeit nicht unterbrochen werden.
Und was ist eine Arbeitsunterbrechung?
Auch der Begriff „Arbeitsunterbrechung“ ist gesetzlich nicht definiert. Er kann als Oberbegriff für alle Arten von Unterbrechungen der Arbeit verwendet werden. Meist ist damit aber eine unfreiwillige Unterbrechung der Arbeit aus betrieblichen Gründen gemeint – zum Beispiel bei Feueralarm. Dies zählt dann nicht als unbezahlte Pausenzeit, weil man sich während solchen spontanen und unverschuldeten Unterbrechungen jederzeit bereithalten muss, die Arbeit fortzusetzen.
Der Gang zur Toilette zählt als Arbeitsunterbrechung – was ist aber mit der Raucherpause?
Hier gibt es im Arbeitsalltag oft Missverständnisse. Der Gang zur Toilette wird als notwendige Arbeitsunterbrechung betrachtet und zählt daher zur Arbeitszeit, solange man dort nicht länger verbringt als nötig. Auch für ein kurzes Kaffeeholen oder einen kurzen Plausch mit den Kollegen muss die Arbeitszeitmessung nicht unterbrochen werden. Dabei sollte man es aber nicht übertreiben: Dauert die Unterbrechung zu lang oder wird sie ausgenutzt, ist das eine Nichterbringung der Arbeitsleistung und kann abgemahnt werden.
Raucherpausen indes gelten nicht als Arbeitszeit. Ein Gesetz, das einen Anspruch hierauf formuliert, gibt es nicht. Eine Raucherpause sollte daher in der Regel während der gesetzlich eingeräumten Ruhepause eingelegt werden. Für die regelmäßige Unterbrechung der Arbeit durch Raucherpausen gibt es jedenfalls keine gesetzliche Regelung. Arbeitgeber können aber eigene Regelungen treffen. So akzeptieren es viele Arbeitgeber, wenn Raucher ab und an ihre Arbeitszeit unterbrechen. Arbeitsrechtlich aber gilt, dass diese Raucherpausen nachgeholt werden müssen und der Arbeitstag entsprechend länger wird.
Welche häufigen Missverständnisse gibt es außerdem noch bezüglich der Pausen?
Ein weiteres häufiges Missverständnis ist, dass viele Arbeitnehmer glauben, sie könnten ihre per Gesetz vorgeschriebenen Pausen flexibel gestalten und nach Belieben aufteilen. Tatsächlich sind gesetzliche Ruhepausen aber festgelegt und müssen eine Mindestdauer von 15 Minuten haben, um als gesetzliche Ruhepausen zu gelten. Der Arbeitgeber hat – in den gesetzlichen Grenzen – außerdem ein Weisungsrecht für den Beginn der Ruhepause.
Gibt es eine konkrete Grenze, ab wann ein Plausch mit Kolleg*innen oder häufiges Laufen zur Kaffeeküche das zulässige Maß überschreitet?
Das ist eine Frage des Einzelfalls. Nur weil eine Pause unter der gesetzlichen Mindestzeit von 15 Minuten liegt, ist das noch kein Freifahrtschein für 14-minütige, bezahlte Kurzpausen. Die Mindestzeit dient dem Arbeitnehmerschutz und kann nicht auf diese Weise vom Arbeitnehmer ausgenutzt werden. Wird die Unterbrechung bewusst ausgedehnt, kommt es zu einer Abmahnung. Das LAG Hamm hat in einem Urteil vom Januar 2024 bei mehrmaligen über zehnminütigen Kaffeepausen sogar eine fristlose Kündigung bestätigt. Dabei war allerdings bedeutend, dass die Arbeitnehmerin die Pausen im Nachgang geleugnet hatte.
Welche Tätigkeiten in kurzen Erholungspausen sollten Arbeitnehmer*innen unterlassen?
In kurzen Erholungspausen sollten Tätigkeiten vermieden werden, die nicht zur tatsächlichen Erholung beitragen oder die Konzentration beeinträchtigen können – das kann das Abrufen privater E-Mails, Surfen im Internet oder das Chatten am Handy sein. Schließlich dient der Zweck einer Erholungspause auch der Erholung. Wenn danach die Konzentration beeinträchtigt ist und die Arbeitsleistung leidet, ginge dies zu Lasten des Arbeitgebers.
Wie sollten Arbeitnehmer*innen vorgehen, wenn ihnen Pausen verweigert werden?
Wer seine gesetzlich vorgeschriebenen Pausen nicht bekommt, sollte zunächst das Gespräch mit direkten Vorgesetzten suchen, um das Problem anzusprechen und eine Lösung zu finden. Sollte dies fehlschlagen, ist der nächste Schritt, den Betriebsrat oder die Personalvertretung zu informieren, sofern eine solche Einrichtung im Unternehmen vorhanden ist. Der Betriebsrat kann dann als Vermittler auftreten und die Interessen der Arbeitnehmenden vertreten. Sollte auch dies keine Abhilfe schaffen, können sich die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die zuständige Aufsichtsbehörde für Arbeitsschutz wenden, die für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes verantwortlich ist.
Seit dem 1. Juli 2024 ist die neue Arbeitsstättenregel ASR A6 „Bildschirmarbeit“ anzuwenden. Darin sind auch „Unterbrechung der Tätigkeit am Bildschirmgerät“ geregelt. Was bedeutet dies konkret für die Praxis?
Für den Großteil der Büroarbeit wird das kaum Veränderung zeigen. Die ASR A6 legt als Anlage zur Arbeitsstättenverordnung zwar Bildschirmpausen fest, die in der Praxis auf etwa fünf bis zehn Minuten pro 60 Minuten Arbeit hinauslaufen werden. Allerdings zielt diese Regel zum Schutz der Gesundheit nur auf intensive und sonst ununterbrochene Bildschirmarbeit ab – etwa bei der konstanten Eingabe von Belegen oder der Sichtung von digitalen Dokumenten. An üblichen Büroarbeitsplätzen wird in der Regel nicht dauerhaft auf den Bildschirm geschaut, sondern die Arbeit wird mit physischen Dokumenten oder Gesprächen und Erledigungen abseits des Bildschirms unterbrochen.