
Rechtsextremismus im Umweltschutz
Nicht erst seit den Protesten der Landwirt*innen Anfang 2024 nutzen Rechtsextreme ökologische Themen für ihre Zwecke. Fachkräfte aus dem Umwelt- und Naturschutz können dagegenhalten, indem sie sich informieren und bei Bedarf gezielt weiterbilden.
Text: Daniela Obermeyer
Eine Bürgerinitiative (BI) auf Rügen protestiert gegen die geplanten LNG-Terminals auf der Insel, auch aus ökologischen Gründen. An die legitimen und friedlichen Proteste schließen sich Mitglieder der AfD an – was die Initiative in eine Zwickmühle bringt: Mehr Teilnehmer*innen erhöhen die Durchsetzungsfähigkeit der Proteste. Aber ist es eine gute Idee, für einen höheren Zweck gemeinsame Sache zu machen? Mit dieser Anfrage wenden sich die Mitglieder der BI an die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Umweltschutz, kurz FARN, und landen bei Florian Teller.
Er ist einer von sieben Mitarbeiter*innen der Fachstelle, die 2017 vom Naturfreunde Deutschland e.V. und dem Naturfreundejugend Deutschland e.V. gegründet wurde. Förderungen gibt es zudem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. FARN identifiziert rechtsextreme und völkische Ideologien im Natur- und Umweltschutz, erarbeitet Gegenentwürfe, berät und informiert. „Wir sorgen für Denkanstöße, wie demokratischer Umweltschutz aussehen kann“, erklärt Florian Teller. „Es ist problematisch, wenn so getan wird, als sei Naturschutz komplett unpolitisch nach dem Motto ‚Wir wollen doch nur gemeinsam Vögel retten!‘.“ Ob Gentechnik, Schutz der Wälder oder Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes – auch wenn sich die Forderungen von rechten Gruppen oder Einzelpersonen mit denen von Naturschutzorganisationen in der Sache zu überschneiden scheinen: „Bei genauem Hinsehen wird deutlich, dass rechtsgerichteter Umweltschutz immer auf der Ungleichheit von Menschen beruht“, fasst Florian Teller zusammen.
So wird etwa der Kampf gegen den Klimawandel gerne mit dem angeblichen Problem der weltweiten Überbevölkerung verknüpft: Da es vor allem im globalen Süden zu viele Menschen gäbe, müsse man dafür sorgen, dass sie nicht in die reichen Industriestaaten in den Norden zuwanderten. Dort würden „diese” Menschen den dort üblichen CO2-intensiven Lebensstil übernehmen und so den Klimawandel verschärfen. Die Lösung für das vermeintliche Problem reicht von rechten Ideen der Grenzschließung und Migrationsbegrenzung bis hin zu rassistischen Fantasien der Geburtenkontrolle in Ländern Afrikas. Fachkräfte, die sich gegen solche Aussagen positionieren wollen, können klar machen, dass es kein Problem mit der Bevölkerungsdichte an sich gibt, sondern mit der gerechten Verteilung von Ressourcen und gesellschaftlichem Reichtum.
Demokratische Grundsätze festlegen
Nicht immer sind rechtsextreme Aussagen wie in diesem Beispiel gleich als solche zu erkennen. Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass der rechte Natur- und Umweltschutz stets mit rassistischen, biologistischen und völkischen Ideen verknüpft ist. Es geht fast immer um die „angestammten Territorien der Völker“, die „Reinhaltung“ von Gesellschaften und den Schutz der sogenannten Heimat und der Grenzen. Diese Ideologie hat eine lange Tradition bis zurück in die NS-Zeit: Der Umwelt- und Naturschutz war bereits bei den Nationalsozialist*innen ein populäres Mittel für ihre Zwecke.
Auf Rechtsextremismus können Fachkräfte im Umwelt- und Naturschutz in unterschiedlichen Situationen stoßen. Da sind zum einen Websites, Zeitschriften oder andere Publikationen, die man findet, wenn man sich zu einem Thema informieren oder weiterbilden möchte. Oder es kommt zu zweideutigen Aussagen im Gespräch mit den ehrenamtlich Tätigen, welche für die Naturschutzverbände arbeiten. Florian Teller rät zu folgendem Vorgehen: „Zuerst sollte man beim Gegenüber nachfragen: ‚Was genau meinst du damit? Was verstehst du unter Begriffen wie organisch oder natürlich?‘. Der nächste Schritt kann dann sein, sachliche Gegenargumente anzubringen. Auf einer moralischen Ebene kann und sollte man dagegen nicht versuchen zu überzeugen.“
Allerdings sei auch klar, dass eine faktenbasierte Diskussion nur dann etwas bringe, wenn der oder die Gesprächspartner*in noch nicht komplett in den Rechtsextremismus abgetaucht sei. Im schlimmsten Fall bleibt womöglich nur der Ausschluss der betreffenden Person aus dem Verein. Und das ist gar nicht so einfach, denn es bedarf konkreter Beweise, um die rechtsextreme Einstellung eines Vereinsmitglieds zu belegen. Um auf diese Situation vorbereitet zu sein, sollten Naturschutzverbände sich vorab überlegen, wo ihre rote Linie ist. „Es macht Sinn, demokratische Grundsätze festzulegen und konkrete Ausschlusskriterien zu definieren“, betont Florian Teller. Demokratische Leitlinien zu formulieren, hat er übrigens auch der Rügener Bürgerinitiative geraten: „Wenn klar ersichtlich ist, dass die BI für einen inklusiven Umweltschutz für alle steht, verlieren Rechte das Interesse daran beziehungsweise lassen sich mit Verweis auf diese Grundsätze besser abweisen.“ Unabhängig davon sprach er sich dafür aus, dass die Initiative generell nicht mit der AfD zusammenarbeiten solle, da so eine Kooperation immer rechtes Denken und Handeln stärke.
Weiterbildung für Naturschutzfachkräfte
Doch Florian Teller hat auch gute Nachrichten: „Eine gezielte Unterwanderung der Naturschutzbewegung von Rechts können wir nicht beobachten. Zudem sind die Fachkräfte auf der Leitungsebene der Umweltschutzverbände in der Regel sensibilisiert und gut informiert.“ Das liegt vielleicht auch daran, dass Organisationen wie FARN kontinuierlich Aufklärungs- und Beratungsarbeit leisten. So können sich haupt- und ehrenamtliche Menschen aus Naturschutzbehörden und Umweltschutzorganisationen sowie Studierenden in den „grünen Berufen“ bei FARN zu Multiplikator*innen ausbilden lassen.
In der Schulung wird gelehrt, wie diskriminierende Denkmuster und Strategien im Natur- und Umweltschutz erkannt werden und mithilfe von erprobten Bildungsformaten andere Menschen dafür sensibilisiert werden können. Die Seminare für 2024 sind bereits ausgebucht, jedoch bietet die Fachstelle Vorträge, Workshops und Publikationen zu verschiedenen Themenfeldern an, von „Mythos: Deutscher Wald“ über „Rechte Ideologien in der Landwirtschaft“ bis zu „Braune Esoterik“.
Über den Themenkomplex Esoterik und Sekten kam Florian Teller über Umwege zu seiner Tätigkeit bei FARN. Der Religionswissenschaftler hat sich in seiner Abschlussarbeit mit Scientology beschäftigt. Später machte er Öffentlichkeitsarbeit für die Klimabewegung und ging hier der Frage nach, wie Rechte auf den Klimawandel reagieren. Seine Kolleg*innen bei FARN haben unter anderem Politikwissenschaft oder Erziehungswissenschaft studiert.