
Mit verschiedenen Methoden zum Ziel
Es kann sinnvoll sein, sich mit Kreativitätsmethoden zu beschäftigen, gerade auch wenn man nicht im kreativen Bereich arbeitet. Hier werden verschiedene Techniken vorgestellt, mit denen man trainieren kann, abseits der üblichen Routinen zu denken.
Text: Christine Lendt
In der Medienbranche oder im künstlerischen Gewerbe liegt es nahe: Ohne kreative Ideen läuft dort wenig. Aber auch in anderen Bereichen wie etwa dem Umweltschutz oder in der Sozialen Arbeit kann es weiterhelfen, wenn Beschäftigte auch mal „um die Ecke denken“, ungewöhnliche Einfälle haben, Visionen entwickeln oder zum Beispiel alternative Lösungen finden können. Dies lässt sich mit verschiedenen Kreativitätstechniken trainieren.
Generell lassen sich diese in intuitive, diskursive sowie Methoden aufteilen, die beides kombinieren. Eine intuitive Vorgehensweise basiert darauf, dass Gedankenassoziationen gefördert und eingefahrene Denkweisen aufgebrochen werden. So kommt man in kurzer Zeit zu sehr vielen neuen Ideen. Dabei können ruhige Techniken eingesetzt werden, wie etwa die Erstellung einer Mind-Map, laute Formate, worunter das Brainstorming fällt, oder eine bewegte Variante. Dabei arbeitet man beispielsweise mit Pinnwänden. Die wohl bekannteste intuitive Kreativitätstechnik ist das „Brainstorming“, bei dem mehrere Personen in kurzer Zeit spontane Ideen in den Raum werfen, ohne dabei kritisiert oder anderweitig bewertet zu werden. Weil dabei also (fast) alles erlaubt ist, kommen oft überraschende Ergebnisse heraus.
An den Ergebnissen aus so einem intuitiven Format können die Anwender*innen anschließend mit einer diskursiven Methode weiterarbeiten. Dabei wird das zu lösende Problem in möglichst kleine Einheiten zerteilt und so vollständig wie möglich beschrieben. Ein Barcamp oder eine Zukunftswerkstatt wiederum bieten Raum und Zeit für kombinierte Kreativitätsmethoden. Alles in allem gibt es eine Fülle an Techniken, die in der Regel auch gut branchenunabhängig funktionieren.
Die Osborn-Checkliste
Eine ebenfalls schon lange existierende Methode ist die Osborn-Checkliste, die zu den diskursiven Methoden gehört. Die Idee dafür hatte in den 1950er Jahren der Mann, der auch das Brainstorming erfunden haben soll: Alex F. Osborn, US-Amerikaner und Gründer einer Werbeagentur. Mithilfe der Osborn-Checkliste lassen sich vorhandene Ideen, Projekte, Prozesse oder Produkte auf kreative Weise weiterentwickeln. Wie der Begriff vermuten lässt, arbeiten die Anwender*innen dabei eine Liste ab.
Konkret geht es um neun Punkte und dazu passende Fragen, über die sich alle Beteiligten Gedanken machen. Die Reihenfolge der Fragen kann dabei beliebig verändert werden. Doch zunächst gilt es – gegebenenfalls gemeinsam –, den Ist-Zustand zu ermitteln: Um welche Idee, welches Produkt geht es konkret? Was soll sich ändern?
Neun relevante Fragen
Veranschaulichen lässt sich das Prinzip der Osborn-Checkliste mit den neun Punkten am Beispiel einer Pflanzmethode. Ziel der kreativen Überlegungen könnte sein, mehr Raum und Möglichkeiten für das Anlegen einer neuen Permakultur zu gewinnen. Folgende Fragen könnten sich dafür anbieten:
1. Andere Verwendung: Wo oder in welchen Bereichen lässt sich diese Pflanzmethode noch umsetzen? Könnte man vielleicht zusätzlich zu den Bodenbeeten noch Hochbeete aufstellen?
2. Anpassen: Welche ähnlichen oder anderen Pflanzmethoden bieten sich an, um die vorhandenen Flächen auf bestmögliche Weise zu nutzen?
3. Abwandeln: Inwieweit lässt sich die Pflanzmethode verändern, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen und der Sache eine neue Wendung zu geben? Zum Beispiel den Boden durch den Einsatz von Mulch vor dem schnellen Austrocknen schützen.
4. Vergrößern: Macht es Sinn, dem Beet, in dem diese Pflanzmethode angewendet wird, noch weitere Komponenten hinzuzufügen oder es zu erweitern, zu vervielfachen?
5. Verkleinern: Oder wäre es schlauer, zum Beispiel einige Pflanzen aus dem Beet zu entfernen, damit die anderen mehr Raum haben und besser gedeihen können?
6. Ersetzen: Wie wäre es, einige Pflanzen auszutauschen oder andere Materialien einzusetzen – etwa Schneckenkrägen, die den Salat schützen, ohne dass Gifte wie Schneckenkorn eingesetzt werden muss.
7. Umordnen: Sollte die Reihenfolge oder das Tempo der Aussaat verändert werden, um alle Flächen ganzjährig auf die bestmögliche Weise nutzen zu können? Inwieweit könnten auch veränderte Arbeitsabläufe noch andere Ergebnisse bringen?
8. Umkehren: Wie sieht das „Gegenteil“ dieser Pflanzmethode aus? Anstatt die Tomate frei wachsen zu lassen, wäre es vielleicht sinnvoll, einige ihrer Triebe anzubinden, damit sie bei starkem Wind nicht abknicken? Was könnte sich durch eine Umkehr verbessern oder womöglich verschlechtern? Lassen sich bei der Arbeitsweise eventuell Rollen oder Aufgaben vertauschen?
9. Kombinieren: Lässt sich diese Pflanzmethode mit einer anderen kombinieren? Können Elemente davon bei anderen Methoden eingebracht werden?
Auf ähnliche Weise lasse sich dieses Gedankenspiel auch zum Beispiel mit Produkten durchführen, um das Portfolio eines Unternehmens zu erweitern.
Vor- und Nachteile
Der Vorteil dieser Kreativitätstechnik besteht darin, dass sie insgesamt einfach anzuwenden ist und sich sowohl für Einzelpersonen als auch für kleine oder größere Gruppen eignet. Die Beispielfragen zeigen jedoch auch: Nicht jede Frage scheint für jede vorhandene Idee, jedes Projekt oder Produkt sinnvoll. Oftmals ist es gar nicht so einfach, passende Antworten zu allen neun Punkten zu finden. Trotzdem wird dazu geraten, immer die komplette Osborn-Checkliste durchzugehen, weil es oft gerade die schwierigen Fragen sind, die überraschende Ergebnisse oder Lösungen bringen – wenn man nur lange genug darüber nachdenkt.
Ein Nachteil: Diese Methode funktioniert ausschließlich bei der kreativen Weiterentwicklung bereits vorhandener Projekte oder Produkte. Für Neuerfindungen ist die Osborn-Checkliste nicht anwendbar. Dafür aber gibt es andere Kreativitätsmethoden. In Frage kommen dann vielmehr intuitive Techniken wie zum Beispiel die 6-3-5-Methode.
Die 6-3-5-Methode
Diese auch als „Methode 635“ bezeichnete Technik hat der Marketing- und Unternehmensberater Bernd Rohrbach 1968 erstmals vorgestellt. Es lassen sich damit neue und vor allem auch ungewöhnliche Ideen innerhalb einer Gruppe von Personen finden. Die Ziffern im Namen dieser Methode stehen für die Vorgehensweise: Sechs teilnehmende Personen erhalten jeweils ein Arbeitsblatt mit einer Tabelle, in der sie drei eigene Ideen notieren. Anschließend reichen sie die Blätter (im Uhrzeigersinn) insgesamt fünf Mal an die jeweils daneben sitzende Person weiter. Diese wiederum lässt sich dann von den in der Tabelle eingetragenen Ideen inspirieren und fügt eigene hinzu. Der Wechsel erfolgt fünf Mal, weil bei einem sechsten Weiterreichen jedes Arbeitsblatt wieder bei seiner Ausgangsperson landen würde.
Bis zu 108 kreative Ideen
Außer den sechs Teilnehmenden ist noch eine weitere Person erforderlich. Sie nimmt die Rolle eines Moderators oder einer Moderatorin ein. Diese Person erläutert zunächst die Fragestellung oder Problematik, zu der kreative Lösungen gefunden werden sollen, und bei Bedarf auch die Regeln. Vor allem ist sie dafür zuständig, die Zeit zu messen, die es – ähnlich wie bei einem Brainstorming – zu begrenzen gilt, zum Beispiel auf fünf Minuten pro Runde. Bevor es losgeht, müssen noch die Arbeitsblätter vorbereitet werden: Auf jedem eine gleichmäßige Tabelle anlegen, bestehend aus drei Spalten und sechs Zeilen, insgesamt also 18 Kästchen.
Wenn alles erklärt wurde und alle Teilnehmenden ihr Arbeitsblatt erhalten haben, startet die erste der insgesamt sechs Runden. Nun tragen alle möglichst ihre ersten drei Ideen in die obersten Zeilen ein. Natürlich kann es passieren, dass einem in der kurzen Zeit gar nichts oder weniger Ideen einfallen, dann bleiben entsprechend Zeilen leer. Ab der zweiten Runde werden die Blätter im Uhrzeigersinn weitergereicht. Nun sind alle sechs Teilnehmenden aufgerufen, die Ideen der Vorgänger*innen aufzugreifen und weiterzuentwickeln.
Wenn die für eine Runde festgelegte Zeit abgelaufen ist, beendet der oder die Moderator*in den Durchgang. So geht es dann weiter, bis die sechste Runde vollendet ist. Idealerweise sind dann sämtliche Kästchen auf allen Arbeitsblättern gefüllt und somit 6 mal 18, also 108 Ideen entstanden. In den allermeisten Fällen kommt es wohl auch zu Doppelungen oder leeren Feldern, doch die Ausbeute kann dennoch groß sein. Nun können die Ergebnisse gemeinsam ausgewertet und diskutiert werden. Hierfür sollte man ausreichend Zeit einplanen.
Vor- und Nachteile
Auch diese Kreativitätstechnik hat Vor- und Nachteile. Förderlich ist, dass sie dem bewährten Brainstorming ähnelt: Jede*r kann der eigenen Kreativität und Phantasie freien Lauf lassen, ohne befürchten zu müssen, dafür zum Beispiel belächelt zu werden. Ein Vorteil ist auch die große Menge an Ideen, die dabei herauskommen kann. Kritiker*innen finden wiederum, dass die strukturierte Vorgehensweise – und eventuell auch der begrenzte Platz in der Tabelle – kreative Gedanken ausbremsen kann. Dass sieben Personen teilnehmen müssen, kann den praktikablen Einsatz ebenfalls begrenzen. Alles in allem aber hat sich auch die 6-3-5-Methode in der Praxis schon vielfach bewährt.
Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben einem redaktionellen Teil bietet das Abo-Produkt hunderte ausgewählte aktuelle Stellen – handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
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