
Gehaltvoll
Ist mein Gehalt angemessen? Gerechter Lohn für gute Arbeit schafft Zufriedenheit und Motivation im Job. Doch was ist gerecht? Nicht-kommerzielle Gehalts-Checks geben eine erste Orientierung für Stellensuche und Gehaltsverhandlungen.
Text: Anne Prell
Werde ich fair bezahlt? Keine einfache Frage. Der Sozialwissenschaftler Dr. Malte Lübker unterscheidet zwischen Gehältern mit und ohne Tarifbindung. Er ist Projektleiter von Lohnspiegel.de des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung: „Tarifverträge sind offen einsehbar und schaffen Transparenz.“ Bei Gehältern ohne Tarifbindung läuft die Gehaltsverhandlung zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ab. Zwar ist der Arbeitgebende seit 2017 durch das Entgelttransparenzgesetz dazu verpflichtet, unter bestimmten Bedingungen und auf Nachfrage Gehälter offenzulegen. Trotzdem besteht durch den Informationsvorsprung des Arbeitgebenden eine Asymmetrie zwischen den Verhandlungspartnern.
Im Bekanntenkreis nachfragen
Malte Lübker rät, unter anderem im Freundeskreis sowie bei den Kolleg*innen, nachzufragen. Oft gebe es eine böse Überraschung, weil jemand in der gleichen Position ein höheres Gehalt bekommt. Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um die Anerkennung und das Gefühl, sich „unter Wert verkauft zu haben“. Doch welches Gehalt ist angemessen?
Ein Anhaltspunkt sind Gehalts-Checks wie Lohnspiegel.de, der Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit oder der Gehaltsvergleich des Statistischen Bundesamtes. Im Gegensatz zu kommerziellen Angeboten greifen diese Portale keine persönliche Daten ab und sind unabhängig. Lohnspiegel.de schafft es seit 2004 als nicht kommerzielles Gehaltsportal des WSI Transparenz über Löhne und Gehälter in Deutschland.
Malte Lübker rät, alle drei Angebote in Anspruch zu nehmen: „Sie bekommen wahrscheinlich unterschiedliche Ergebnisse und damit einen Korridor für das, was auf dem Markt gezahlt wird.“ Auch im Stellenteil des WILA Arbeitsmarkt kann man Angaben zum Gehalt finden und so einen Vergleich ziehen. Für eine möglichst genaue Ermittlung des typischen Gehalts sind fünf Faktoren relevant. Dazu gehört die Qualifikation, die im gleichen Berufsfeld einen großen Unterschied machen kann. „Hochkomplexe Tätigkeiten werden gut 40 Prozent besser bezahlt als fachlich verwandte Ausbildungsberufe“, erklärte Malte Lübker. Ein zweiter Faktor ist die Betriebsgröße. Große Betriebe zahlen in der Regel besser als Kleinbetriebe.
Geschlecht ausschlaggebend
Auch der Arbeitsort spielt eine Rolle. „Wir sehen immer noch eine Zweiteilung zwischen Ost und West. Ostgehälter sind je nach Bundesland 11 bis 15 Prozent geringer als die typischen Westgehälter.“ Doch auch im Westen gebe es Unterschiede: „Betriebe im Süden und in den Stadtstaaten zahlen in der Regel besser als die Flächenländer im Norden.“ Dazu kommt als vierter Faktor das Geschlecht. „Wir sehen eine bereinigte Gender Pay Gap von 8 Prozent. Das heißt Frauen mit der gleichen Qualifikation im gleichen Beruf verdienen im Schnitt 8 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.“
Der Lohn- und Gehalts-Check auf Lohnspiegel.de zeigt die Gehälter von Männern und Frauen getrennt an, um den Gender Pay Gap sichtbar zu machen. „Das heißt nicht, dass die Frauen sich nach dem typischen Gehalt der Frauen richten sollen. Ganz im Gegenteil: Mit unserer Arbeit wollen wir dazu beitragen, die Gender Pay Gap zu schließen“, so Malte Lübker. Orientierungspunkt sei demnach immer das „männliche“ Gehalt. Als fünften Faktor nennt der Experte die Tarifbindung mit Tarifvertrag: „Bei ansonsten gleichen Merkmalen fallen tarifgebundene Gehälter im Schnitt 11 Prozent höher aus.“
Egal ob der Gehaltswunsch schon in der Bewerbung oder in einer Nachverhandlung zur Sprache kommt: Essenziell für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung ist das Wissen um den eigenen Wert. Auch geldwerte Vorteile, Fortbildungen und andere Vergünstigungen können eine Rolle spielen. Grundsätzlich gilt: Man sollte sich nicht von einem Nein abschrecken lassen. Sogar bei Tarifverträgen gibt es einen gewissen Verhandlungsspielraum. „Der Tarifvertrag sagt: Das muss gezahlt werden. Er sagt nicht: Es darf nicht mehr gezahlt werden“, betont Malte Lübker. Die außertarifliche Bezahlung wird vor allem bei Beschäftigten ab einer hohen Hierarchie-Stufe interessant, bei der das Gehalt frei verhandelt wird.
Während Arbeitnehmende mit Gehältern ohne Tarifbindung immer wieder in die Nachverhandlungen gehen können, steigt bei tarifgebundenen Gehältern die Bezahlung oft mit der Berufserfahrung automatisch, gemessen in Jahren. Malte Lübker sieht das insofern als fair an, als der Erfahrungsschatz steigt und „Gewerkschaft und Arbeitgeber diese Lösung gemeinsam gefunden haben.“ Steigende Löhne seien die einfachste Form der Motivation durch die Arbeitgeber. Ebenfalls wichtig seien jedoch eine faire Gehaltspolitik und andere Formen der Wertschätzung wie Entfristungen und Fortbildungen.
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