Recycling XXL
Zirkuläres Bauen ermöglicht Recycling im großen Ausmaß.

Recycling XXL

Die gelbe Tonne für den Plastikmüll kennt man. Doch Recycling geht auch im großen Maßstab in der Bauwirtschaft. „Zirkuläres Bauen“ heißt der Fachbegriff. Agraringenieur und Projektmanager Gerald Knauf vom Wissenschaftsladen Bonn (WILA) kennt sich damit aus.

Text: Daniela Obermeyer

Als gelerntem Landwirt ist Gerald Knauf ein ressourcenschonender Umgang mit dem Boden wichtig. Foto: privat

Das Bauen gehört zu den Prozessen, die in Deutschland und EU-weit am meisten Ressourcen verbrauchen und das größte Abfallaufkommen haben. Ressourcenknappheit und Klimaschutzbestrebungen sorgen dafür, dass auch hier versucht wird, die verwendeten Materialien einem Kreislauf zuzuführen. „Während in der regulären Kreislaufwirtschaft häufig ein Downcycling stattfindet, setzt das zirkuläre Bauen auf die hochwertige Wieder- und Weiterverwendung der Materialien“, erklärt Gerald Knauf vom WILA. Er ist dort verantwortlich für das Projekt RE-BUILD-OWL, welches die Region Ostwestfalen-Lippe (OWL) auf dem Weg hin zur zirkulären Bauwirtschaft begleitet.

Gerald Knauf definiert zwei Säulen des zirkulären Bauens: das Recycling der Materialien und die bisher verkannte Bedeutung von Design für eine langjährige Gebäudenutzung. „Der nachhaltigste Neubau ist der, der nicht gebaut wird. Es ist sinnvoll, ein Gebäude multifunktional zu entwerfen“, erläutert er. Ein Bürogebäude, das heutzutage nicht selten nur eine 50-prozentige Auslastung hat, könne zum Beispiel als Co-Working-Space deutlich flexibler und damit auch effizienter geplant werden. Die Folge ist ein geringerer Flächenbedarf für neue Bürogebäude. Zudem sollte gleich bei der Planung darauf geachtet werden, möglichst wenig verklebte Verbundmaterialien zu verwenden. So müsse man diese nicht wieder aufwändig trennen – wenn es denn geht.

Seit Herbst 2021 arbeitet Gerald Knauf mit weiteren Akteur*innen daran, das zirkuläre Bauen im Kreis Ostwestfalen-Lippe einzuführen. Die Initiative ging vom Kreis selbst aus. Dieser wollte nicht nur seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern erkannte auch die zunehmende Ressourcenknappheit und das Potenzial regionaler Wertschöpfung, die mit zirkulärem Bauen einher gehen. „Der WILA Bonn erarbeitet eine Roadmap mit konkreten Schritten zur Umsetzung der zirkulären Bauwirtschaft“, so Gerald Knauf. Dazu arbeitet er mit verschiedenen Institutionen zusammen: mit der Kreisverwaltung, dem Netzwerk „Lippe zirkulär“ – bestehend aus regionalen Unternehmen, Verbänden und Einrichtungen – sowie dem Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) der Universität Trier.

Wissen weiter ausbauen

Eine von Gerald Knaufs Hauptaufgaben ist es, Wissen zum Thema zu generieren und gemeinsam mit den Akteur*innen in der Region Lösungsansätze für die unterschiedlichen Herausforderungen zu finden. Dazu gehören eine intensive Recherche und Auswertung von Studien und Fachtexten sowie Interviews mit Expertinnen und Experten aus Verwaltung, Unternehmen oder der Wissenschaft. Eine weitere Aufgabe ist das Netzwerken.

Der Experte für zirkuläres Bauen konzipiert und organisiert Fachveranstaltungen für die interessierten Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen. Die Ergebnisse aus diesen Netzwerktreffen fließen wiederum in die Roadmap ein. „Die Kernfragen sind: Welches Wissen zur zirkulären Bauwirtschaft gibt es in der Region bereits? Wo braucht sie noch Input?“, erklärt Gerald Knauf. Am Ende steht eine digitale Transferplattform mit Materialien, Bildungsangeboten und Handlungsempfehlungen.

Zirkuläres Bauen ist ein Querschnittsthema, das nicht nur die Bauunternehmen betrifft. Demnach arbeitet Gerald Knauf mit unterschiedlichen Berufsgruppen ­zusammen, die nicht zwangsläufig aus der Baubranche kommen müssen. Außer mit Bauingenieur*innen und Architekt*innen hat er auch mit Fachkräften aus dem Einkauf zu tun, mit Volks- und Betriebswirt*innen, Politikwissenschaftler*innen, ­Fachkräften aus der Kommunalverwaltung und Wissenschaftler*innen. Auch Gerald Knauf kommt ursprünglich nicht aus dem Baubereich. Der gelernte Landwirt hat nach seiner Ausbildung internationale Agrarwirtschaft studiert. Anschließend war er mehrere Jahre in Brasilien in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und schloss dann einen Master in Environmental Management ab. Er ist beim WILA unter anderem für die Bereiche Bürgergesellschaft und Nachhaltigkeit im zirkulären Bauen verantwortlich.

„Für eine strategische Arbeit wie bei RE-BUILD-OWL ist ein fachspezifischer Hintergrund nicht das Entscheidende“, erklärt Gerald Knauf. Natürlich sei es hilfreich, wenn jemand Fachwissen mitbringt. „Viel wichtiger ist es jedoch, dass man eine ausgeprägte strategische Denkweise mitbringt, für die der Masterstudiengang sehr hilfreich war, und Erfahrung in praktischer Netzwerkarbeit hat.“

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