
„Ja, gerne kann ich dir dabei helfen.“
ChatGPT verspricht als virtuelle Assistenz, Fragen von Nutzer*innen zu beantworten und ihnen bei verschiedenen Aufgaben zu helfen. Kann die Künstliche Intelligenz (KI) einen also auch bei der Jobsuche unterstützen? Wir haben es ausprobiert.
Text: Annika Voßen
„Kannst du mir mit einem Bewerbungsanschreiben helfen?“ Auf die Frage hin taucht die Antwort von ChatGPT Wort für Wort auf dem Bildschirm auf: „Ja, gerne kann ich dir dabei helfen, ein Bewerbungsanschreiben zu erstellen. Was für eine Art von Stelle möchtest du dich bewerben und hast du schon konkrete Vorstellungen, was du in dein Anschreiben aufnehmen möchtest?“ Höflich und zuvorkommend, unkompliziert und lösungsorientiert bietet die KI ihre Unterstützung an. Die wenigen sprachlichen Fehler wirken wie Flüchtigkeitsfehler, die beim schnellen Tippen schon mal passieren. Dann also mal eine konkretere Eingabe: „Ich habe Soziale Arbeit studiert und möchte mich auf eine Stelle als Bildungsreferentin bewerben.“ Die Antwort: „Verstehe, hier sind einige Tipps und Beispiele, die dir helfen können, dein Bewerbungsanschreiben zu erstellen.“
Antworten wie beim Coaching
Was dann folgt, ist eine logisch aufgebaute Einweisung ins Bewerbungsschreiben, angewandt auf diesen konkreten Fall: „1. Einleitung: Beginne mit einer kurzen Einleitung, in der du erwähnst, auf welche Stelle du dich bewirbst und wie du auf die Stellenausschreibung aufmerksam geworden bist. Du könntest zum Beispiel schreiben: Sehr geehrte Damen und Herren, mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung für eine Bildungsreferentin auf Ihrer Website gelesen und möchte mich hiermit gerne bewerben. 2. Motivation: In diesem Abschnitt kannst du deine Motivation für die Stelle darlegen und erklären, warum du dafür geeignet bist. Du könntest zum Beispiel schreiben: Als Sozialarbeiterin habe ich während meines Studiums umfangreiche Erfahrungen in der pädagogischen Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen gesammelt.“ Es folgen Qualifikation, Passung zum Unternehmen und Schluss.
Von der sprachlichen und inhaltlichen Qualität her sind die Antworten verblüffend: Auf die Frage nach Unterstützung liefert die KI eine Coaching-Einheit; aus der Vorgabe von nur einem einzigen kurzen Satz verfasst sie ein, zumindest auf den ersten Blick, durchaus ansprechendes Anschreiben. Der Chatbot hat hierbei Versatzstücke eingebaut aus dem Bereich Erwachsenenbildung, Pädagogik und der Arbeit mit verschiedenen Zielgruppen.
Bei näherem Hinsehen ist der Text dann aber doch ziemlich beliebig – vom langweiligen ersten Satz über die Aussage, dass man über ein breites Spektrum an Kompetenzen und Fähigkeiten verfügt, bis hin zur Schlussfolgerung, dass man eine Bereicherung für das Unternehmen sein wird. Ergänzt man die Tätigkeiten der künftigen Stelle aus der Stellenausschreibung, führt das allerdings nicht zu einer Verbesserung, sondern zu einem Unsinnstext: Das Programm geht davon aus, dass man die Tätigkeiten selbst gemacht hat.
Neuer Versuch: „Ich habe Umweltwissenschaften studiert und arbeite seit drei Jahren in einem Planungsbüro mit Schwerpunkt Umweltverträglichkeitsprüfungen. Schreibe mir bitte eine Bewerbung für eine Stelle als Umweltreferent bei einem Regionalverband für den Bereich Umwelt und Grüne Infrastruktur.“ Hier gibt es nun ohne Umschweife ein komplettes Anschreiben, in das ChatGPT selbstständig die Erstellung von Gutachten und die Anwendung von GIS-Systemen einbaut. Der Text ist solide, bleibt aber oberflächlich. Für eine Einladung zum Bewerbungsgespräch reicht er vermutlich nicht.
„Bitte baue bei Erfahrungen noch ein, dass ich besonders die Zusammenarbeit mit den Vertreter*innen der Kommunen und den fachlichen Austausch geschätzt habe. Außerdem bin ich gut vernetzt, weil ich aktiv im Bundesverband Beruflicher Naturschutz bin und dort eine Fachgruppe leite.“ Aus diese neuen Informationen macht die KI interessante Sätze wie: „Diese Vernetzung ermöglicht es mir, mich stets über aktuelle Entwicklungen und Trends im Bereich Umwelt und Grüne Infrastruktur zu informieren und mein Wissen in diesem Bereich kontinuierlich zu erweitern.“ Mit dem Hinweis, dass man in Bochum studiert hat und die Region kennt, wird der Text noch runder.
Probleme und Schwachstellen
Natürlich kann man die KI noch mit weiteren Informationen füttern. Aber: Die Sicht von ChatGPT auf die Welt ist nicht aktuell – mit einem Wissenstand bis ins Jahr 2021, ohne Zugang zum Internet (noch) und mit fehlenden Daten und Quellen aus manchen Bereichen. Die KI kann daher auch zu fehlerhaften, inhaltlich falschen oder schädlichen Antworten kommen. Ein weiteres Problem: der Schutz der eigenen Daten.
Will man ein möglichst passgenaues Bewerbungsschreiben haben, muss man konkrete Informationen mit der KI teilen. Diese Daten werden aber zum weiteren Training der KI verwendet und fließen somit in künftige Texte wieder ein. Suchanfragen mit personenbezogenen Daten werden zudem mit dem eigenen Profil verknüpft, das für die Nutzung nötig ist. Daher heißt es auch in den FAQs vom Hersteller Open AI: „No, we are not able to delete specific prompts from your history. Please don't share any sensitive information in your conversations.“
Fazit: Der Chatbot kann einem beim Bewerben durchaus nützen, gerade wenn man nicht gut im Formulieren ist. Allerdings muss der Nutzer oder die Nutzerin den Spagat schaffen, genügend Input für eine sinnvolle Antwort zu liefern, ohne dabei zu viel über die eigene Person preiszugeben. ChatGPT sorgt dann für eine solide Grundlage. Aber um eine Selbstanalyse und eine ausführliche Arbeitgeber-Recherche kommt man eh nicht drum herum.
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