
Gut für die Demokratie
Kommunale Politik machen, ohne die Bürger*innen zu informieren, sie einzubinden und mitentscheiden zu lassen? Kaum noch denkbar. In Wuppertal entwickelt ein fünfköpfiges Team zusammen mit Fachabteilungen Partizipationsmöglichkeiten.
Text: Maike von Haas

„Bürgerbeteiligung bedeutet, Menschen in politische Prozesse einzubeziehen. Das stärkt das Vertrauen in die Demokratie“, erklärt Nina Kotissek vom Team Bürgerbeteili-gung der Stadt Wuppertal.
Sie und ihre Kolleginnen entwickeln Konzepte für Beteiligungsverfahren und starten Projekte, um Menschen an konkreten Themen teilhaben zu lassen. Angesiedelt ist das Team im Büro des Wuppertaler Oberbürgermeisters. Die Bürger*innen werden, wann immer die Möglichkeit besteht, frühzeitig über planerische und entwicklungstechnische Vorhaben der Stadt informiert.
Mithilfe von Umfragen, Online-Plattformen, Abend- oder Wochenendveranstaltungen und anderen Kommunikationsmitteln werden die Menschen nach ihren Ansichten und Wünschen befragt. „Wenn wir die Bürger in die Projekte einbeziehen, können sie nachvollziehen, warum etwas gemacht wird. Das ist etwas einfacher bei kleinen Vorhaben, aber wir bemühen uns, die Bürger*innen auch an strategischen Projekten zu beteiligen“, so Kotissek.
Die Bürgerbeteiligung findet digital oder analog statt. Einige Menschen haben keine Zeit, einen Vor-Ort-Termin wahrzunehmen, andere werden bei digitalen Vorhaben ausgeschlossen. „Wir finden es wichtig, dass es einen guten Mix gibt, weil wir so mehr Menschen erreichen können“, erklärt die Sozialwissenschaftlerin.
Genauso wichtig wie die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger ist die Zusammenarbeit mit der kommunalen Verwaltung, mit den Fachabteilungen, die die Projekte betreuen. Zu den Aufgaben im Bereich Bürgerbeteiligung gehört es, hier Überzeugungsarbeit zu leisten und einen Perspektivwechsel zu erreichen. „Wir gehen aktiv auf die Ressorts zu, um die Fachabteilungen dazu zu bewegen, immer und überall die Menschen der Stadt mitzudenken. Wir schulen und vermitteln, warum es gut ist, sie miteinzubeziehen.“
200.000 Euro Bürgerbudget
Nina Kotissek organisiert zusammen mit einer Verkehrsplanerin hauptverantwortlich die Bürgerbeteiligung an zwei Verkehrsprojekten. Zudem führt sie alle zwei Jahre das „Bürgerbudget“ durch. Für ein Gesamtbudget von 200.000 Euro dürfen in einem von März bis September dauernden Prozess Bürger*innen Ideen einbringen.
Diese Vorschläge müssen drei Kriterien genügen: Ein Projekt darf nicht mehr als 50.000 Euro kosten, es muss innerhalb von zwei Jahren umsetzbar sein, und es muss im Wuppertaler Stadtgebiet auf öffentlichem Boden oder privatem Grund der Ideengeber*innen stattfinden.
2021 wurden 200 Ideen eingereicht, über die in mehreren Phasen digital und in Versammlungen vor Ort abgestimmt wurde. Am Ende wurden in einer großen Abstimmung, die sowohl online auf talbeteiligung.de als auch in zehn Bezirksstationen in den Wuppertaler Stadtbezirken stattfand, sechs Projekte auserkoren. Jedes davon hat zwischen 2.000 und 50.000 Euro erhalten.
Entstanden oder noch in der Entwicklung sind ein Trimm-Dich-Pfad, ein Lese- und Arbeitssaal für Kinder und Jugendliche, ein Gedenkort für Menschen, die auf der Flucht nach Europa ihr Leben verloren, „Decolonize Wuppertal“ (die Aufarbeitung der Wuppertaler Kolonialgeschichte), ein mobiler Beratungsstellen-Bus gegen Gewalt und „Tiny city“ – ein mobiles Tinyhaus, das als Veranstaltungsort dient.
Einstieg in die Bürgerbeteiligung
Nina Kotissek kam, wie sie selbst sagt, zufällig zur Bürgerbeteiligung. Sie studierte im Bachelor Philosophie und Sozialwissenschaften und im Master Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Stadt- und Regionalentwicklung. Parallel dazu absolvierte sie diverse Praktika in Verwaltungen. Nach ihrem Studienabschluss trat sie eine Stelle als Referentin im Büro des Wuppertaler Oberbürgermeisters an. Zwei Jahre später wollte sie sich weiterentwickeln und bewarb sich auf eine Position im Team Bürgerbeteiligung, das ebenfalls im Büro des Oberbürgermeisters angesiedelt ist.
In der Regel wird nach dem Tarif für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt, und dieser orientiert sich vor allem am (Hochschul-)Abschluss. „Zu den Zugangsvoraussetzungen für eine Stelle in der Bürgerbeteiligung gehörte bei uns ein Master beispielsweise in Politikwissenschaften oder in Sozialwissenschaften. Hauptberufliche Erfahrungen wurden nicht zwangsläufig nachgefragt – allerdings waren ein Ehrenamt oder Praktika, in denen man im Kontakt mit den Bürger*innen gestanden hat, sehr hilfreich“, erläutert Nina Kotissek.
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