Schweigepflicht in der Sozialen Arbeit
Geheimnisse hinter Schloss und Riegel: Wer im sozialen Bereich arbeitet, muss private Infos der Klient*innen in der Regel für sich behalten. Foto: © Leonardo.Ai

Schweigepflicht in der Sozialen Arbeit

Sozialpädagogische Fachkräfte erfahren in ihrem Job teils sehr private Dinge über die Menschen, die sie betreuen. Diese Infos dürfen sie nur in Ausnahmefällen weitergeben. Wann das das Fall ist und wann sogar eine Pflicht zur Meldung besteht, erfahren Sie hier.

Text: Daniela Knoll

Fachkräfte in der Sozialen Arbeit befinden sich häufig in einem Spannungsfeld zwischen Vertraulichkeit und Sicherheitsinteressen. Staatlich anerkannte Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen unterliegen gemäß Paragraf 203 Strafgesetzbuch (StGB) der Schweigepflicht. Das heißt, anvertraute Geheimnisse, die zum „persönlichen Lebensbereich gehören“ – sogenannte Privatgeheimnisse – sind vertraulich. Dieses Gesetz gilt auch für „berufsmäßig tätige Gehilfen“. Bei Verstößen gegen diesen Paragrafen drohen empfindliche Strafen bis hin zur Freiheitsstrafe.

Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen von der Schweigepflicht. So müssen etwa Dinge angezeigt werden, wenn dadurch eine „Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut“ effektiv abgewendet werden kann. Der Paragraf 34 „Rechtfertigender Notstand“ im Strafgesetzbuch erlaubt dies ausdrücklich.

In der Jugendhilfe greifen zudem weitere Gesetze, unter anderem aus dem Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). So regelt etwa der Paragraf 35 im SGB I, dass „Jeder […] Anspruch darauf [hat], dass die ihn betreffenden Sozialdaten […] von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis).“ Das heißt, Informationen über Kinder und Jugendliche dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der (jungen) Klient*innen oder bei akuter Gefährdung weitergegeben werden. Ein Beispiel: Bei einer Scheidung wird ein*e Sozialarbeiter*in vom Jugendamt beauftragt, um mit einem Kind über das Verhältnis zu den Eltern zu sprechen. Hier ist es irrelevant, ob einer der Partner möglicherweise finanzielle, Sucht- oder anderweitige Probleme hat, sondern es geht darum, wie das Kind zur Trennung steht: Was möchte das Kind? Welche Gefühle hat es im Rahmen der Trennung? Der Dienstherr könnte zwar eine Aussagegenehmigung erteilen, wodurch man von seiner Amtsverschwiegenheit entbunden wäre. Voraussetzung für eine Aussagegenehmigung ist jedoch, dass kein datenschutzrechtlicher Verstoß vorliegt, was durch den Schutz von Sozialgeheimnissen wiederum schwierig ist.

Im Strafvollzug gelten ebenfalls Regelungen und Gesetze, die die Persönlichkeitsrechte der Gefangenen schützen: So müssen etwa alle personenbezogenen Geheimnisse dieser Personen nach Paragraf 182 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) selbst gegenüber der Vollzugsbehörde vertraulich behandelt werden.

Kein Zeugnisverweigerungsrecht

In der beruflichen Praxis bedeutet das für Sozialpädagog*innen und Sozialarbeiter*innen, stets zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Informationsbedürfnis abzuwägen. Das gilt für alle sozialpädagogischen Bereiche, zum Beispiel Kinder- und Jugendarbeit, Drogen- und Straffälligenhilfe oder Streetwork. Deshalb sollte man als Fachkraft unter anderem nur solche Dinge schriftlich festhalten – etwa in einem Gutachten – die direkt mit dem jeweiligen Fall zu tun haben. Spielen etwa die sexuelle Orientierung oder Kindheitstraumata des oder der eigenen Klient*in keine Rolle für den konkreten Arbeitsauftrag, dürfen sie auch nicht thematisiert werden. Beispielsweise werden bei Gericht manchmal Stellungnahmen von Sozialarbeiter*innen oder Sozialpädagog*innen verlesen. Da Gerichtsverhandlungen in der Regel öffentlich sind, würden somit möglicherweise auch ganze Schulklassen private Dinge erfahren, die nicht für sie bestimmt sind. Wichtig in diesem Zusammenhang ist noch zu wissen, dass staatlich anerkannte Sozialarbeiter*innen oder Sozialpädagog*innen bei freien Trägern keingenerellesZeugnisverweigerungsrecht haben, weil die meisten von ihnen gemäß Paragraf 53 Strafprozessordnung (StPO) keineBerufsgeheimnisträger sind. Doch auch hier gibt es wieder Ausnahmen von der Regel, nämlich nach Paragraf 54 StPO für Mitarbeiter*innen bei öffentlichen Trägern.

Die Schweigepflicht und der Datenschutz sind übrigens eng miteinander verbunden. Sie dienen jedoch unterschiedlichen Zwecken. Während die Datenschutzgrundverordnung regelt, in welcher Weise personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet werden, gilt die Schweigepflicht nur für bestimmte Berufsgruppen.

Es gibt eine Vielzahl an Gesetzen und Ausnahmeregelungen für Fachkräfte der Sozialen Arbeit, was die Schweigepflicht betrifft. Deshalb sollte man sich im Einzelfall an die Statuten und Handlungsrichtlinien des Arbeitgebers halten. Darüber hinaus gibt es je nach Arbeitsfeld unterschiedliche Anwendungsrichtlinien oder Umsetzungsempfehlungen, die man in der konkreten praktischen Arbeit mit Klient*innen nutzen kann. Zudem kann man sich bei den Gewerkschaften oder Wohlfahrtsverbänden informieren und beraten lassen.

Soziale Arbeit kann nur funktionieren, wenn man sich vertraut. Dazu gehört auch, den eigenen Klient*innen direkt am Anfang der Zusammenarbeit offen zu sagen, in welchen Fällen man Geheimnisse offenbaren darf, nach dem Motto: „Wenn durch dein Verhalten andere Menschen zu Schaden kommen, bin ich nicht mehr an meine Schweigepflicht gebunden.“

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