Ja zur Familie
Es gibt verschiedene Maßnahmen, mit denen Unternehmen familienfreundliche Strukturen schaffen können. Foto: © Leonardo.Ai

Ja zur Familie

Unternehmen können bei gut qualifizierten Fachkräften punkten, wenn sie ein möglichst familienfreundliches Umfeld schaffen. Doch woran können Bewerber*innen so etwas erkennen?

Text: Frank Engel-Strebel

Flexibilität ist das A und O: In der Kita werden wieder einmal die Betreuungszeiten eingeschränkt oder die kranke Mutter oder der kranke Vater brauchen plötzlich Hilfe. Wer Kinder hat oder zu Hause eine*n Angehörige*n pflegt, weiß, dass dies selten mit starren Arbeitszeiten kompatibel ist. Davon betroffen sind auch viele hochqualifizierte Akademiker*innen. Um ihre Mitarbeiter*innen zu halten oder überhaupt erst für ihr Unternehmen gewinnen zu können, werben viele Firmen damit, dass sie „familienfreundlich“ sind. Doch was bedeutet das eigentlich? Und wonach sollten Bewerber*innen konkret Ausschau halten?

Flexible Arbeitszeiten

Ganz wichtig, um Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu können, sind flexible Arbeitszeitmodelle. Ein Instrument ist die Gleitzeit, das heißt, der Arbeitende ist zu einer Kernarbeitszeit in dem Unternehmen an seinem Arbeitsplatz vor Ort. Wann er oder sie jedoch konkret die Tätigkeit beginnt und beendet, kann je nach Bedarf des Arbeitnehmenden variieren. Allerdings muss dies mit dem Job vereinbar sein. Beispielsweise ist es im Kund*innenkontakt wichtig, dass Ansprechpartner*innen zu Kernzeiten telefonisch oder per E-Mail erreichbar sind.

Ebenfalls für Entlastung sorgt natürlich die Möglichkeit, im Homeoffice arbeiten zu können. Bewerber*innen sollten mit ihrem potenziellen Arbeitgeber vorab klären, ob diese Möglichkeit angeboten wird. Die Stellen-Datenbank des WILA Arbeitsmarkt bietet sogar die Möglichkeit, nach Jobangeboten mit Homeoffice-Möglichkeit zu filtern. Oft wird dann ein flexibles Arbeitsmodell ausgehandelt. So kann beispielsweise der Arbeitgeber an zwei von fünf Werktagen eine Anwesenheitspflicht vor Ort festlegen, die anderen drei Tage kann von zu Hause aus gearbeitet werden. Oder es wird ein vertraglich definierter Prozentsatz vereinbart, der festlegt, wie viel Zeit wo gearbeitet wird. Bietet das Unternehmen die Möglichkeit an, so zu arbeiten, dann ist es laut Arbeitsstättenverordnung sogar verpflichtet, den Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden auch komplett einzurichten. Dazu gehören etwa ein Computer, ein Bildschirm, eine Tastatur oder eine Maus.

Manche Arbeitgeber bieten auch die Möglichkeit, aktiv Überstunden auf einem Langzeitarbeitskonto, auch Zeitwertkonto genannt, zu sammeln. Diese Überstunden werden erfasst und dann in Gehalt umgerechnet. Dadurch können Arbeitnehmer*innen eine individuelle, bezahlte Auszeit nehmen. Dies bietet sich an, wenn jemand eine berufliche Pause benötigt, um für eine längere Zeit seine Kinder zu betreuen, beispielsweise während der Sommerferien. Bewerber*innen können etwa beim Vorstellungsgespräch gezielt nach dieser Option fragen.

Kinderbetreuung im Büro?

Nicht jede Fachkraft kann oder möchte Überstunden ansammeln oder von zu Hause arbeiten, in manchen Berufen ist dies auch gar nicht möglich. Aber auch dann können Firmen familienfreundliche Strukturen schaffen. Fachkräfte auf Jobsuche können im Bewerbungsgespräch oder bei Kontaktaufnahme vorab gezielt danach fragen, sofern das nicht schon in der Stellenanzeige steht. Ein Beispiel für ein familienfreundliches Umfeld sind hauseigene Kindergärten, die aber meistens nur für größere Betriebe leistbar sind. Doch auch kleinere Firmen können sich auf ihre Mitarbeiter*innen entsprechend einstellen. Sie können Spielzimmer oder Spielecken einrichten, die Rede ist dann von Eltern-Kind-Büros. Mittlerweile gibt es sogar Arbeitgeber*innen, die eine Hausaufgabenbetreuung oder während der Schulferien Freizeitangebote anbieten. Manch ein*e Arbeitgeber*in zeigt sich sogar so kulant und bietet Sonderurlaube an, etwa zur Einschulung des Kindes oder für frischgebackene Väter direkt nach der Geburt des Kindes. Auch der tägliche Arbeitsablauf kann familienfreundlich gestaltet werden. Wichtige Meetings gilt es möglichst vormittags abzuhalten, um Rücksicht auf Kolleg*innen mit Kindern zu nehmen.

Ganz wichtig sind flexible Voll- und Teilzeitmodelle. Rein rechtlich gesehen haben Mitarbeiter*innen keinen Anspruch darauf, ihre Stunden aufzustocken, wenn sie bei dem Betrieb in Teilzeit angefangen haben. Aber familienfreundliche Unternehmen sind da meistens entgegenkommender. Daher sollten Bewerber*innen schon im Vorstellungsgespräch klären, ob sie später ihre Stundenzahl erhöhen können, sobald sich die familiäre Situation oder der Betreuungsbedarf ändern.

Welche Unternehmenskultur wird gepflegt?

Zu einer familienfreundlichen Unternehmenskultur gehört aber immer auch die soziale Komponente. Das bedeutet zum Beispiel, dass der oder die Chef*in den Mitarbeiter*innen entgegenkommt, falls die Arbeit kurzfristig unterbrochen werden muss, weil plötzlich Schulstunden ausfallen oder der pflegebedürftige Vater dringend ärztliche Hilfe benötigt. Ist es Arbeitnehmer*innen eine Zeitlang nicht möglich wegen familiärer Umstände vor Ort anwesend zu sein, halten ihn oder sie die Vorgesetzten oder die Kolleg*innen trotzdem über Neuigkeiten aus dem Betrieb auf dem Laufenden. Bei längerer Abwesenheit werden die Arbeitnehmer*innen weiterhin zu Firmenfeiern oder Betriebsausflügen eingeladen, vielleicht sogar mit ihrem Nachwuchs. Ob diese Art von Unternehmenskultur gepflegt oder nur vollmundig in einer Stellenanzeige angepriesen wird, weiß man natürlich erst, wenn man bereits dort tätig ist.

Wie erkennen Bewerber*innen bereits bevor sie sich auf eine Stelle bewerben, ob ein Arbeitgeber familienfreundlich ist? Unternehmen können sich mit einem entsprechenden Arbeitgebersiegel qualifizieren lassen und in ihren Stellenausschreibungen damit werben. Beispiele sind das „Qualitätssiegel Familienfreundlicher Arbeitgeber“ der Bertelsmann-Stiftung, die Auszeichnung „Familienfreundlicher Arbeitgeber“ vom Deutschen Institut für Qualitätsstandards- und prüfung e. V. (DIQP) oder das „audit berufundfamilie“ von der „berufundfamilie Service GmbH“. Sinnvoll ist auch der Austausch mit Personen, die in dem Betrieb arbeiten – sofern man über solche persönlichen Kontakte verfügt. Eine andere Möglichkeit ist es, sich in seriösen Foren in den sozialen Online-Netzwerken sowie auf Bewertungsportalen umzuschauen.

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