Bildungsbranche für Erwachsene
Der Bildungsbericht 2024 zeigt: Lernen auch im Erwachsenenalter ist stark nachgefragt, vor allem mit beruflichem Bezug. Foto: © Leonardo.Ai

Bildungsbranche für Erwachsene

Wie ist es um die Bildung in Deutschland bestellt? Ein Forschungsbericht geht der Frage nach, unter anderem mit Fokus auf Erwachsenenbildung. Dabei wird deutlich, auf was sich Fachkräfte einstellen müssen, die in der Weiterbildung arbeiten.

Text: Anne Mittmann

Digitalisierung, Zuwanderung, demografischer Wandel und das Gebot der Nachhaltigkeit – gesellschaftliche Herausforderungen verlangen auch in der (Weiter-)Bildungsbranche gut ausgebildete Fachkräfte, die mit der Zeit gehen. Der Forschungsbericht „Bildung in Deutschland 2024“ veröffentlicht Status quo und Analysen zu diesem Berufsfeld. Die Studie ist bereits zum zehnten Mal erschienen und wird unter anderem vom Bundesbildungsministerium gefördert. Übergreifend wird hier die wichtige Rolle von lebenslangem Lernen für eine leistungsstarke Wirtschaft und stabile Demokratie verdeutlicht. Die Bildungspolitik hat in den vergangenen Jahren mit gesetzlichen Reformen, Förderprogrammen und neuen Diskursformaten auf diesen Bedarf reagiert. Dazu gehören etwa das Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung, Beschäftigungssicherungsgesetz, Arbeit-von-morgen-Gesetz und die „Nationale Weiterbildungsstrategie“. Diese strukturellen, finanziellen oder koordinierenden Initiativen sollen unter anderem die Einstellungschancen von arbeitslosen Menschen erhöhen sowie die Verbesserung der Weiterbildungsaktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen voranbringen.

Kapitel G des aktuellen Bildungsberichtes widmet sich dem Thema „Weiterbildung und Lernen im Erwachsenenalter“. Demzufolge zeichnet sich die Weiterbildungslandschaft in Deutschland durch eine große Vielfalt organisierter Lehr-Lern-Angebote aus. Dabei wird zwischen vier Typen von Weiterbildungsanbietern unterschieden: öffentlich-rechtliche oder staatliche Anbieter, Interessen- und Berufsgemeinschaften (Gewerkschaften, Berufsverbände und Kammern), kommerzielle Anbieter sowie Unternehmen (betriebliche Anbieter). Im Jahr 2021 zählte das Kooperationsprojekt „Weiterbildungskataster“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) fast 60.000 staatliche, gemeinschaftliche und kommerzielle Anbieter, einschließlich der Soloselbstständigen. Dazu kommen circa 900.000 weiterbildungsaktive Betriebe, die ihren Arbeitnehmer*innen interne Kurse, Lehrgänge oder Seminare anbieten.

Viele betriebsinterne Weiterbildung

Die betriebliche Weiterbildung am Arbeitsplatz ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, während sich die Segmente der individuell berufsbezogenen Weiterbildung und der nicht berufsbezogenen Weiterbildung verringert haben. 2022 waren 77 Prozent der realisierten Weiterbildungsaktivitäten betriebliche Weiterbildungen, 2018 waren es noch 70 Prozent. Auch unter Berücksichtigung der aufgewendeten Stunden bleibt die betriebliche Weiterbildung mit einem Anteil von 57 Prozent an allen aufgewendeten Stunden das deutlich größte Segment. Das spiegelt sich auch in den Anbietertypen wider: 56 Prozent der Weiterbildungsaktivitäten werden durch betriebliche Anbieter durchgeführt. Dabei wird zusätzlich zwischen non-formaler und formaler Weiterbildung unterschieden. Formale Weiterbildung zielt auf Zertifikate und Abschlüsse nach dem Deutschen Qualifikationsrahmen ab und wird vor allem von Kammern (beispielsweise der Industrie- und Handelskammer), von (Fach-) Hochschulen sowie im Auftrag der Arbeitsagenturen berufsqualifizierend angeboten.

Staatliche Anbieter wie beispielsweise Volkshochschulen verzeichnen dagegen einen deutlichen Einbruch, und zwar in allen Formen der Weiterbildung. Waren es 2018 noch 10,4 Prozent, sank der Anteil bis 2022 auf 5,6 Prozent des realisierten Weiterbildungsangebots. Der Bildungsbericht führt das vor allem auf die starken Einschränkungen von Präsenzangeboten während der Coronapandemie zurück. Auch der Anteil von Weiterbildungsaktivitäten bei kommerziellen Anbietern ist zurückgegangen, allerdings eher mäßig von 19,8 Prozent (2018) auf 17,2 Prozent (2022). Hier vermuten die Autor*innen des Bildungsberichts, dass die schnelle Digitalisierung dieser Angebote der Grund dafür sei.

Apropos Digitalisierung: Die Expansion digitaler Angebote ist bemerkenswert, und zwar in allen Bereichen der Weiterbildung. Im Jahr 2022 fanden 35 Prozent aller Weiterbildungsangebote rein online statt, 20 Prozent überwiegend oder anteilig online und nur 45 Prozent vollständig in Präsenz. Erstmalig im Bericht erwähnt sind digitale Plattformen, die 2022 immerhin 2 Prozent der Weiterbildungsaktivitäten zu verzeichnen hatten. Die fortschreitende Digitalisierung in der Weiterbildung führt zu einem neuem Wettbewerbsdruck zwischen Anbietern. Hochschulen und Universitäten sowie betriebliche Anbieter verzeichnen einen Anteil von circa 40 Prozent reiner Onlineveranstaltungen, während an Volkshochschulen und gemeinschaftlichen Anbietern der Großteil der Angebote (62 bis 67 Prozent) in Präsenz durchgeführt wird. Mangelnde digitale Kompetenz ist ein klarer Wettbewerbsnachteil – auch für die Weiterbildungsanbieter.

Bildungspersonal mit Hochschulabschluss

Qualifikation und Fortbildungsverhalten des Personals im Weiterbildungsbereich gilt als Indikator für die Qualität des Angebots. Die Weiterbildungslandschaft hat sich zu einem Arbeitsmarkt entwickelt, in dem Akademiker*innen dominieren. Ein Großteil der Lehrkräfte (77 Prozent) besitzt einen akademischen, wenn auch nicht immer pädagogischen Abschluss. Knapp 4 Prozent haben einen Abschluss als Meister*in oder Techniker*in. Jedoch animiert das häufige Fehlen eines pädagogischen Abschlusses zum Erwerb von Zusatzqualifikationen. Diese sind teilweise obligatorisch, wie etwa die Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Berufssprachkursen. In anderen Bereichen ist sie optional, zum Beispiel bei Fortbildungen im Bereich Training und Coaching.

In puncto lebenslanges Lernen geht das Weiterbildungspersonal mit gutem Beispiel voran: Im Jahr 2023 gaben 60 Prozent der Lehrkräfte an, sich in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal für ihre Lehrtätigkeit in der Erwachsenen- und Weiterbildung fortgebildet zu haben. Informelle Fortbildung praktizieren mit 99 Prozent fast alle Lehrkräfte. Zwischen Männern und Frauen bestehen keine nennenswerten Qualifikationsunterschiede, wohl aber im Fortbildungsverhalten: Deutlich mehr Frauen (65 Prozent) berichten von Weiterbildungen in den vergangenen zwölf Monaten als Männer (49 Prozent).

Die Rekrutierung von qualifizierten Fachkräften stellt die Weiterbildungsanbieter vor besondere Herausforderungen. In Teilbereichen wie den Integrations- und Berufssprachkursen besteht schon jetzt ein deutlicher Lehrkräftemangel, der von Verbänden unter anderem mit den gestiegenen (bürokratischen) Auflagen, der bestehenden Honorierung und der schlechten sozialen Absicherung begründet wird. Trotz Fachkräftemangel haben sich die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte nicht verbessert. Sie werden zumeist nur für ausgewählte Veranstaltungen als Frei- oder Nebenberufler*innen von den Anbietern verpflichtet. Festanstellungen sind auch in Bereichen selten, die dauerhaft bedeutsam bleiben, wie beispielsweise die sprachliche Grundbildung und Alphabetisierung. Bildungspolitisch, so der Bildungsbericht, verdiene der Sachverhalt größere Beachtung, dass Weiterbildung nur dann einen substanziellen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs leisten kann, wenn es der Weiterbildung gelingt, hinreichend qualifiziertes Personal zu rekrutieren und zu binden.

Weitere Informationen: Bildung in Deutschland 2024

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