Warum petzen keine gute Idee ist
Er war's! Soll man den oder die Kolleg*in wirklich bei den Vorgesetzten melden, wenn er öfter private Anrufe während der Arbeitszeit erledigt? Foto: © Robert Kneschke – stock.adobe.com

Warum petzen keine gute Idee ist

Die eine Kollegin steckt ständig Kugelschreiber ein? Oder der andere Kollege macht immer ein bisschen länger Pause als vorgeschrieben? Wann Fachkräfte solche Dinge dem Arbeitgeber melden sollten – und wann nicht.

Text: Daniela Knoll

Sogenannte Petzen waren schon im Kindergarten unbeliebt. Auch im Berufsleben werden Kolleg*innen argwöhnisch beäugt, die dem oder der Chef*in vermeintliches Fehlverhalten Anderer flüstern. Doch bevor man seine Kolleg*innen als „boshafte Petze“ vorverurteilt, sollte man sich die berechtigte Frage stellen: Möchte da vielleicht jemand auf ernste Missstände aufmerksam machen?

In Deutschland sind Whistleblower seit 2023 durch das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vor dienst- und arbeitsrechtlichen Nachteilen geschützt. Organisationen ab 50 Mitarbeitenden sind demnach verpflichtet, interne vertrauliche Meldestellen für Hinweisgebende einzurichten. Dadurch können Mitarbeiter*innen auf interne Missstände aufmerksam machen. Das Verpetzen möglicher Regelverstößen mit geringer Tragweite wie beispielsweise überzogene Pausenzeiten oder vergessenes Licht in der Toilette, fallen sicher nicht darunter. Grundsätzlich gilt jedoch: Wer beispielsweise strafbare Verhaltensweisen seiner Kolleg*innen gegenüber der Führungsetage verschweigt, verletzt unter Umständen vertragliche Treue- oder Loyalitätspflichten (§ 241 Ab.2 BGB). Denn im Angestelltenverhältnis sind Fachkräfte dazu verpflichtet, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.

Der Führungsetage was stecken

Melden Fachkräfte mögliches Fehlverhalten Anderer im Sinne des Arbeitgebers an Vorgesetzte oder andere betriebsinterne Stellen, kann schnell eine Dynamik mit gravierenden Folgen in Gang gesetzt werden: Entscheidet sich der oder die Vorgesetzte dazu, die beschuldigte Person zur Rede zu stellen, kriegen das früher oder später auch die anderen im Team mit – und das jeweilige Verhalten wird als unkollegial gewertet. Der dadurch eventuell entstehende Ruf als „Petze“ führt dazu, dass man als Fachkraft gemieden oder sogar gemobbt wird. Gleichfalls entzieht in vielen Fällen dann der oder die Vorgesetze der petzenden Person das Wohlwollen – bis schließlich wegen fehlendem Vertrauen die Kündigung ausgesprochen werden kann. Denn zum einen kann die Meldung von Fehlverhalten der Kolleg*innen als Loyalität gewertet werden. Zum anderen kann dies bei Arbeitgebern aber auch Unsicherheit auslösen: Wenn die Person Kolleg*innen verrät, welche unternehmensinterne Geheimnisse ist sie bereit, preis zu geben?

Die Grenze zwischen Petzen und Whistleblowing scheint schmal, weshalb sich für Fachkräfte die Frage stellt: Wann und wie sollte man Missstände und Fehlverhalten anderer im Arbeitskontext melden? Ein guter Anfang ist, zunächst das Gespräch mit der betreffenden Person suchen. Damit zeigen Fachkräfte, dass sie an den Gründen des möglichen Fehlverhaltens interessiert sind. Sofern das beobachtete Fehlverhalten arbeitsrechtlich relevant ist, können Fachkräfte auf mögliche (rechtliche) Konsequenzen des Fehlverhaltens hinweisen – und gegebenenfalls auf ihre eigene Pflicht der Meldung gegenüber dem Arbeitgeber. Denn unter Umständen ist man sogar dazu verpflichtet, bestimmte Handlungen zu melden.

Wer auf mögliches Fehlverhalten von Kolleg*innen hinweisen möchte, kann sich an den Betriebsrat – wenn vorhanden – oder den Personalrat wenden. Stehen Fachkräfte in vertrauensvoller Beziehung zu unbeteiligten Kolleg*innen, können diese um Rat gefragt werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, können sich Fachkräfte aber auch privat eine juristische Einschätzung der Situation holen. So können sie sicher sein, ob oder ob nicht sie in der Handlungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber sind.

Andere schlecht aussehen lassen

Die Kolleg*innen verpetzen, um selber besser dazustehen? Selten eine gute Idee. Und dennoch machen es viele einer Umfrage der Plattform „Cvapp“ zufolge dennoch: Rund ein Viertel der Befragten gaben an, Kolleg*innen absichtlich zu melden, um das eigene Image zu verbessern. An der Spitze der Gründe lagen demnach spätes Erscheinen am Arbeitsplatz oder frühzeitig Feierabend machen. Aber auch Online-Shopping oder häufige Privatanrufe während der Arbeitszeit wurden als „Fehler“ der Kolleg*innen genannt. Hingegen ergab die Cvapp-Umfrage, dass Beschwerden über Führungskräfte nicht selten seien.

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