Heute geht nichts
Daran hat sich trotz der elektronischen Krankschreibung (eAU) nichts geändert: Arbeitnehmer*innen müssen dem Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitteilen. Foto: © mpix-foto – stock.adobe.com

Heute geht nichts

Wer Fieber, Kopfschmerzen oder andere Beschwerden hat, meldet sich beim Arbeitgeber krank. Was müssen Arbeitnehmer*innen dabei beachten? Und was hat sich mit der elektronischen Krankmeldung geändert? Atilla von Stillfried, Fachanwalt für Arbeitsrecht, klärt auf.

Interview: Christine Lendt

WILA Arbeitsmarkt: Welche gesetzlichen Regelungen gelten für Arbeitnehmer*innen, wenn sie krank werden?
Atilla von Stillfried: Erkrankt ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig, so treffen ihn die gesetzlichen Anzeige- und Nachweispflichten. Die Anzeigepflicht bedeutet, dass der oder die Beschäftigte verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dies ist gesetzlich in § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. Kommt die jeweilige Person dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern.

Die Nachweispflicht bedeutete vor Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), dass Arbeitnehmende dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (‚gelber Schein‘) in Papierform vorlegen mussten. Das ist nun in den meisten Fällen nicht mehr erforderlich, sondern lediglich die Krankschreibung. Weiterhin notwendig ist es jedoch, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (etwa per Telefon, E-Mail oder SMS). Erst dann ist es dem Arbeitgeber erlaubt, eine eAU des Arbeitnehmers abzurufen.

Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitnehmer*innen während einer Krankschreibung?
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt kein Arbeitsverbot dar. Es ist den betroffenen Personen also grundsätzlich erlaubt, die Arbeit wieder aufzunehmen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die als arbeitsunfähig gemeldete Person wieder arbeitsfähig fühlt.

Für den privaten Bereich gilt: Alles, was die Genesung nicht beeinträchtigt, ist während einer Krankschreibung erlaubt. Ein kurzer Einkauf für den täglichen Bedarf oder ein Spaziergang ist somit in der Regel möglich und vom Arbeitgeber nicht zu beanstanden. Jedoch: Dies ist stets eine Einzelfallentscheidung. Ein und dieselbe Aktivität kann bei der einen Erkrankung schädlich, bei der anderen sogar gesundheitsförderlich sein. Im Zweifelsfall gilt, ob der behandelnde Arzt die betreffende Aktivität als für die Genesung im konkreten Fall schädlich einstuft oder nicht.

Während einer Arbeitsunfähigkeit ist man nicht verpflichtet, für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Ein grundsätzliches Verbot, den oder die Beschäftigte zu kontaktieren, besteht jedoch ebenfalls nicht. In einer dringenden Angelegenheit etwa ist dies zulässig. Allerdings sollte sich der Arbeitgeber immer gut überlegen, ob eine Kontaktierung wirklich notwendig ist oder ob nicht auch ein anwesender Kollege helfen kann; die Genesung des Arbeitnehmers soll stets im Vordergrund stehen. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet auf die Anfrage des Arbeitgebers zu reagieren.

Wie funktioniert die digitale Krankschreibung?
Das Wichtigste vorweg: Die eAU bedeutet nicht, dass der Arzt den Arbeitgeber automatisch über die Krankheit informiert und man als Arbeitnehmer nichts mehr machen muss. Dieser Irrglaube führt zurzeit leider in der Praxis sehr oft zu Abmahnungen und nicht selten sogar zu Kündigungen. Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arzt krankgeschrieben, übermittelt dieser die eAU an die Krankenkasse des Arbeitnehmers – und zwar spätestens am Ende des Tages, an dem die Krankschreibung erfolgte.

Die krankgeschriebene Person ist jedoch weiterhin verpflichtet, ihre Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber mitzuteilen. Erst dann darf der Arbeitgeber die entsprechenden Daten über den GKV-Kommunikationsserver abrufen. Auf der eAU sind alle Daten gespeichert, die auch in Papierform übermittelt wurden. Die eAU erfordert eine Umstellung auf unternehmerischer Seite, da der Arbeitgeber nun proaktiv die AU-Daten abrufen muss.

Wie lange kann eine Krankschreibung dauern und welche Schritte sind bei einer Verlängerung erforderlich?
Es gibt keine Höchstgrenze für die Dauer einer Krankschreibung. Allerdings übernimmt der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur für maximal sechs Wochen pro Erkrankung. Danach erhält die arbeitsunfähige Person Krankengeld von der Krankenkasse.

Wird direkt im Anschluss an eine erste AU für die gleiche Erkrankung eine Folgebescheinigung ausgestellt, gilt die Krankschreibung als zusammenhängend. Wird die betroffene Person wegen einer anderen Krankheit erneut und nahtlos arbeitsunfähig, werden die Krankheitstage zusammengerechnet. Damit die Sechs-Wochen-Frist neu anfängt zu laufen, muss die Person zwischenzeitlich arbeitsfähig gewesen sein und idealerweise auch tatsächlich gearbeitet haben, sodass sie eine neue Erstbescheinigung wegen einer anderen Erkrankung benötigt.

Auch bei einer Folgebescheinigung bestehen die Pflichten zur ordnungsgemäßen Krankmeldung: Die arbeitsunfähige Person muss den Arbeitgeber unverzüglich über die (verlängerte) Krankschreibung sowie deren voraussichtliche Dauer informieren und ihm so erst ermöglichen, die eAU abrufen zu dürfen.

Atilla von Stillfried trägt einen schwarzen Anzug mit rosa Hemd. Hinter ihm ist ein Fenster, das verschwommen eine Häuserwand zeigt.
Atilla von Stillfried kennt die Stolpersteine der Krankschreibung. Foto: Elvira Peter/Kanzlei Kupka und Stillfried

Welche ärztlichen Untersuchungen und Atteste sind für eine Krankschreibung erforderlich?
Hierfür wird lediglich eine AU benötigt, die jeder zugelassene Arzt ausstellen kann. Aufgrund welcher Art von Untersuchung eine Krankschreibung ausgestellt wird, obliegt dem Ermessen des behandelnden Arztes. Der Arbeitnehmer benötigt im Regelfall kein spezielles Attest, sondern muss den Arbeitgeber lediglich über die voraussichtliche Dauer seiner Erkrankung informieren und ihm damit ermöglichen, die durch den Arzt ausgestellte eAU abzurufen.

Welche Konsequenzen drohen, wenn Arbeitnehmer*innen sich nicht an die genannten Vorgaben halten?
Für eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung reicht ein genesungswidriges Verhalten in aller Regel nicht aus, denn ein zweifellos gesundheitsschädliches Verhalten während der Arbeitsunfähigkeit ist in der Regel nur schwer nachweisbar.

Sorgt die jeweilige Person nicht dafür, dass der Arbeitgeber von ihrer Arbeitsunfähigkeit Kenntnis erlangt, hat der Arbeitgeber unter Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Arbeitnehmende sollten demnach trotz eAU wissen, dass durch dieses neue Verfahren lediglich die Nachweispflicht – also das Vorlegen der Krankschreibung – entfällt, nicht aber die Anzeigepflicht der Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten haben Arbeitnehmer*innen während einer Krankschreibung, insbesondere hinsichtlich der Rückkehr an den Arbeitsplatz?
Ist jemand innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank – entweder ununterbrochen oder in Form mehrere Kurzerkrankungen – muss der Arbeitgeber dieser Person ein sogenanntes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. Dies soll dazu dienen, die Gründe für die Erkrankung zu ermitteln, die Arbeitsunfähigkeit möglichst zu überwinden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen, etwa durch Veränderungen am Arbeitsplatz, die auch der Prävention dienen können.

Ein solches BEM-Verfahren kann jedoch nur mit Zustimmung des oder der Beschäftigten durchgeführt werden; der Arbeitgeber ist zunächst nur verpflichtet, ein BEM anzubieten. Eine gesetzliche Vorgabe zur Gestaltung des BEM gibt es nicht. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) spricht von einem ‚ergebnisoffenen Suchprozess‘.

Welche Regelungen gelten bezüglich des Kündigungsschutzes bei längerer Krankheit?Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass man während einer Krankschreibung nicht gekündigt werden kann. Dies ist nicht korrekt! Für krankgeschriebene und nicht krankgeschriebene Arbeitnehmende gelten hinsichtlich des Kündigungsschutzes genau dieselben Regelungen: Ist für den Arbeitnehmer das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar, benötigt der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund.

Das KSchG ist immer dann anwendbar, wenn die betroffene Person länger als sechs Monate bei ihm beschäftigt ist und der Betrieb mehr als zehn Beschäftigte hat. Auch erhöhte Krankheitstage können grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen jedoch drei Voraussetzungen vorliegen, um krankheitsbedingt kündigen zu können: Eine negative Gesundheitsprognose; durch die Krankheit sind massive Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs beim Arbeitgeber zu befürchten; im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung darf es kein milderes Mittel geben als die Kündigung

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