Hauptamtlich Freiwillige betreuen
Letztes Jahr absolvierten bundesweit rund 34.900 Menschen einen Bundesfreiwilligendienst. All diese Menschen in ihrer Arbeit zu betreuen und zu schulen, ist Aufgabe von Bildungsreferent*innen im Freiwilligendienst.
Text: Anja Schreiber
Verschiedene gemeinnützige Träger organisieren Freiwilligendienste im In- und Ausland. Dabei reichen die Tätigkeitsfelder der Freiwilligen von den Bereichen Soziales und Ökologie über Politik und Sport bis hin zu Kultur und Denkmalpflege. Deshalb sind nicht nur die Einsatzstellen dieser Personen vielfältig, sondern auch die Bandbreite der Träger. Zu ihnen zählen Glaubensgemeinschaften und soziale Einrichtungen sowie gemeinnützige Verbände und Vereine mit unterschiedlicher Ausrichtung. Um ihre zahlreichen Freiwilligen betreuen und organisieren zu können, brauchen all diese Institutionen hauptamtliche Mitarbeiter*innen.
So geht es zum Beispiel auch den Internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten – Bundesverein e.V. (ijgd) „Wir beschäftigen hauptsächlich Fachkräfte, die entweder einen Fachhochschulabschluss oder einen Hochschulabschluss mit pädagogischer Qualifikation haben“, berichtet Thorsten Blank, Geschäftsführer der Landesvereine Niedersachsen und Hamburg der ijgd. Der Verein ist unabhängig und gemeinnützig. Sein Arbeits- und Themenschwerpunkt ist die internationale Jugendarbeit. Er besteht aus 14 Landesvereinen und beschäftigt rund 250 hauptamtliche Mitarbeiter*innen. „Die meisten davon sind Bildungsreferent*innen, deren Hauptaufgabe die pädagogische Begleitung der Freiwilligen ist“, so Thorsten Blank.
Ansprechpartner*in sein
Wie das Stellenprofil eines oder einer Bildungsreferent*in aussieht, zeigt zum Beispiel die Ausschreibung einer kürzliche vakanten Stelle des ijgd. Darin wurde am Standort Hamburg ein*e Bildungsreferent*in zur Übernahme folgender Aufgaben gesucht: Information und Vermittlung junger Menschen in passende Einsatzstellen, pädagogische Begleitung von Teilnehmenden im FSJ, Beratung der Teilnehmer*innen und Einsatzstellen, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Bildungsseminaren. Auch die Mitarbeit und das Engagement in internen Arbeitsgruppen war vorgesehen. Thorsten Blank beschreibt die Hauptaufgabe von Bildungsreferent*innen bei den Trägern der Freiwilligendienste so: „Sie stehen mit den Freiwilligen während der ganzen zwölf Monate in intensivem Kontakt. Das beginnt oft schon bei der Bewerbung oder bei den Beratungsgesprächen, die sie bei Infoveranstaltungen auf Messen oder in Schulen führen.“ Bei solchen Veranstaltungen informieren die Bildungsreferent*innen über die Einsatzmöglichkeiten und Rahmenbedingungen der Freiwilligendienste.
„An den jeweiligen Einsatzstellen der Freiwilligen finden innerhalb von zwölf Monaten zwei ausführliche Gesprächstreffen statt“, erklärt Thorsten Blank. Themen sind zum Beispiel die Reflexion über ihre Tätigkeit und über ihre Einsatzstelle. „Beim ersten Gespräch stellen die Bildungsreferent*innen zum Beispiel die Frage, wie die Freiwilligen angekommen sind. Beim zweiten Gespräch wird auch darüber geredet, wie es nach dem Freiwilligendienst für die Person weitergehen könnte.“ Aber auch für andere Dinge ist hier Platz, etwa Konflikte am Einsatzort oder wenn die Vorstellung der Freiwilligen von ihrer Tätigkeit nicht mit der Realität übereinstimmt. „Außerdem werden Erfahrungen besprochen, wie zum Beispiel die Konfrontation mit dem Tod beim Einsatz im Krankenhaus“, so Thorsten Blank. Wenn es weiteren Redebedarf bei Konflikten oder anderen Sorgen der Freiwilligen gibt, stehen die Bildungsreferent*innen auch über die zwei obligatorischen Termine hinaus als ständige Ansprechpartner*innen zur Verfügung, ob per E-Mail, Telefon, Videokonferenz oder in persönlichen Treffen.
Eine weitere Aufgabe von Bildungsreferent*innen ist die Organisation und Durchführung der 25 sogenannten Bildungstage, die für alle Freiwilligen obligatorisch sind. „Es gibt für diese Bildungstage kein festes Curriculum. Die pädagogischen Fachkräfte sind frei in der Ausgestaltung der Seminare und orientieren sich thematisch an den Werten des Vereins“, erzählt Thorsten Blank. Sie können einerseits auf die Themenwünsche der Freiwilligen eingehen, andererseits aktuelle Themen zum Beispiel aus den Bereichen Ökologie oder Gesellschaft aufgreifen. Dazu können Inhalte wie etwa Diskriminierung oder Lobbyismus gehören. Übergreifende Fähigkeiten wie Projektmanagement und Persönlichkeitsentwicklung werden in diesen Seminarwochen ebenfalls vermittelt. Doch die Bildungsreferent*innen sind nicht nur für die inhaltliche und methodische Gestaltung und Durchführung der Bildungstage zuständig: „Sie müssen auch die Gruppendynamik im Blick haben. Bei Streitigkeiten in der Gruppe sind sie als Pädagog*innen gefragt.“
Sinn und Selbstwirksamkeit
Um den vielen Hüten gerecht zu werden, die die Tätigkeit als Bildungsreferent*in im Freiwilligendienst verlangt, sollten Fachkräfte über ein abgeschlossenes Studium im sozialen oder einem vergleichbaren Bereich verfügen. Ganz in diesem Sinne erklärt auch Thorsten Blank: „Unsere pädagogischen Mitarbeitenden verfügen in der Regel über einen Hochschulabschluss sowie über Qualifikationen und Kompetenzen in der Jugend- und Erwachsenenbildung.“ Auch in einem kürzlich veröffentlichen Gesuch des DRK-Landesverband Niedersachsen e.V. sollen Bewerber*innen für die Stelle als Bildungsreferent*in im Bereich Freiwilligendienste ein abgeschlossenes Studium mit sozialem, pädagogischem, erziehungs- oder bildungswissenschaftlichem Schwerpunkt mitbringen. Insbesondere wird hier Wert auf medienpädagogische Kenntnisse gelegt. In der Stellenausschreibung des ijgd werden auch Kenntnisse von Freiwilligendiensten und Berufserfahrung im FSJ sowie Teamfähigkeit und die Freude an der Arbeit mit jungen Menschen als vorteilhaft genannt. Ein Führerschein der Klasse B gilt ebenfalls aus Voraussetzung an Bewerber*innen. Und auch beim DRK spielen Soft Skills eine wichtige Rolle, wie durch „ausgeprägte Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit“ beschrieben wird.
„Bildungsreferent*innen müssen die Bereitschaft zu Dienstreisen mitbringen. Gerade in Flächenländern wie Niedersachsen bedeutet das oft längere Dienstreisen zu den verschiedenen Einsatzorten der Freiwilligen. Ein 9-to-5-Job ist dieser Beruf nicht immer“, erklärt Thorsten Blank. Außerdem sollten diese Fachkräfte bereit sein, administrative Tätigkeiten wie die Abfassung von Seminarberichten oder Kostenabrechnungen zu übernehmen. Natürlich sollten Bildungsreferent*innen auch Freude am Konzipieren von Veranstaltungen mitbringen. Wichtig ist laut Thorsten Blank dabei die Offenheit für neue aktuelle Themen: „Besonders motiviert unsere Bildungsrefernt*innen – so ihre übereinstimmenden Aussagen – die große Selbstwirksamkeit, die sie in diesem Beruf erfahren. Es sei eine großartige Erfahrung, wenn man erlebe, wie sich gerade junge Freiwillige im Laufe eines Jahres weiterentwickeln.“
Kein Job mit Stillstand
Der Beruf der Bildungsreferent*innen bietet eine Vielzahl an Weiterbildungsmöglichkeiten. „Wir als Träger veranstalten vier pädagogische Klausurtage pro Jahr. Daneben gibt es die Möglichkeit, an weiteren Weiterbildungen teilzunehmen, zum Beispiel zum Umgang mit psychisch belasteten Teilnehmenden“, erklärt Thorsten Blank. Während die Optionen zum lebenslangen Lernen vorhanden sind, sind die Gelegenheiten zum Aufstieg allerdings begrenzt. „Wir haben zum Beispiel eine sehr flache Hierarchie. Bei uns wäre eine weitere Ebene die Leitung oder Koordination eines Bereichs, wobei bei uns Eigenverantwortung und Selbstorganisation auf jeder Ebene eine wichtige Rolle spielen.“ Für Bildungsreferent*innen, die ein paar Jahre in dieser Funktion gearbeitet haben, sieht Thorsten Blank auch in anderen Positionen im Sozial- und Bildungsbereich gute Chancen: „Eine solche Tätigkeit ist eine gute Referenz.“
Vorerst müssen sich die Bildungsreferent*innen keine Sorgen um ihre Beschäftigung machen: Nachdem Mitte letzten Jahres Kürzungen bei den Freiwilligendiensten im Gespräch waren, hat der Bundestag diese Planungen zurückgenommen. „Dass die Kürzungen in 2024 nicht umgesetzt wurden, ist erst einmal eine gute Nachricht“, erklärt Thorsten Blank. Dennoch bleibe Ungewissheit: „Wenn die Zahl der Freiwilligen durch Kürzungen sinkt, gibt es auch weniger Stellen für Bildungsreferent*innen.“