Parlez you español?
Vom Unternehmen bis zum Amt: Viele Arbeitgeber benötigen Fachkräfte, die von einer Fremdsprache ins Deutsche übersetzen. Die Karriereoptionen von Übersetzer*innen sind dabei so vielfältig wie ihre Ausbildungswege.
Text: Christine Lendt
Als einziger europäischer Mitarbeiter bei einem japanischen Hersteller von Kohlenstoff-Faser-Produkten und Graphit geht Frank Büttgen seinen täglichen Führungsaufgaben nach. Er ist Managing Director bei der Nippon Carbon Europe GmbH am Standort Bonn. „Meine Aufgaben umfassen alles, was die Geschäftsleitung so mit sich bringt. Personalwesen, Verwaltung, Mitarbeiterführung, Vertrieb, Einkauf, Buchhaltung, Koordination mit Japan, Vorbereitung und Durchführung von Messen, Trainings und so weiter“, erklärt Frank Büttgen. Auch das Verfassen von Monatsberichten in japanischer Sprache oder das Übersetzen technischer oder juristischer Dokumente sowie gelegentliches Dolmetschen bei Besprechungen mit Kund*innen prägen seinen Alltag.
Der 50-Jährige absolvierte den Studiengang Diplom-Übersetzer in den Sprachen Japanisch und Koreanisch mit Linguistik als Nebenfach an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Die weiteren erforderlichen Fachkenntnisse für seine heutigen Aufgaben erlangte er jeweils in IHK-Lehrgängen und anderen Weiterbildungen sowie durch Praxiserfahrung. Seine Fähigkeiten in der Kommunikation, regionale sowie kulturelle Kenntnisse sind äußerst hilfreich in seiner Position. Die tägliche interne Kommunikation via Mail, Telefon und Videokonferenz erfolgt zu 99 Prozent auf Japanisch, ebenso wie die Geschäftsreisen.
„Hilfreich sind meine Kenntnisse beider Kulturen hauptsächlich bei der Koordination der verschiedenen Regelwerke. Als deutsche GmbH müssen wir natürlich nach deutschem Recht agieren, aber gleichzeitig auch die internen Regeln und Gepflogenheiten der Firma beachten“, erklärt Frank Büttgen. Bei Verhandlungen achtet er auf eine geschickte Koordination, denn einfach nur die Sprache zu übersetzen, reicht keinesfalls aus: „So gibt es etwa in Meetings Gepflogenheiten, die in Europa ganz anders aussehen als in japanischen Firmen. Feingefühl gehört also auch dazu.“
Klassisch oder quer
Frank Büttgen ist ein Beispiel für einen von vielen Karrierewegen für Absolvent*innen aus dem Bereich Übersetzen – wenn auch einer, der vielen Berufseinsteiger*innen vermutlich erst einmal nicht in den Sinn kommt. Die Berufsbezeichnungen Übersetzer*in und Dolmetscher*in sind nicht geschützt. Zudem gibt es verschiedene Ausbildungswege, wie Dr. Luisa Callejón, Vizepräsidentin für das Ressort Aus- und Weiterbildung beim Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. (BDÜ) erläutert: „Der klassische Weg ist ein Hochschulstudium der Translation, also Bachelor- und Masterstudiengänge mit umfassenden sprachlichen, fachlichen und interkulturellen Komponenten.“
Als eine weitere Möglichkeit, die sich zudem auch für einen Quereinstieg anbietet, nennt sie das Ablegen einer staatlichen Prüfung, der jedoch keine geregelte Ausbildung vorangeht: „Vereinzelt und für einige wenige Sprachkombinationen gibt es hierzu Vorbereitungskurse kommerzieller Anbieter. Und: Diese Prüfungen sind auch für Sprachen möglich, zu denen in Deutschland keine Studiengänge angeboten werden.“ In einigen Bundesländern gibt es zudem Weiterbildungsangebote der Industrie- und Handelskammern.
Die geregelten Studienmöglichkeiten mit Fokus auf translatorische Kompetenzen werden in erster Linie für die großen Sprachen angeboten, also Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch. Für Sprachen wie Arabisch oder auch Türkisch gibt es nur wenige offizielle Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, für in Deutschland weniger verbreitete Sprachen meist gar keine. „Grundsätzlich vermitteln hier aber die entsprechenden nicht-translatorischen, jedoch sprach- und kulturbezogenen Studiengänge wie Romanistik, Orientalistik, Skandinavistik, Arabistik et cetera eine gute Grundlage für den Quereinstieg“, ergänzt Luisa Callejón.
Verschiedene Arbeitgeber
Übersetzer*innen sind mehrheitlich selbstständig tätig und arbeiten im direkten Auftrag für Kund*innen aus der Wirtschaft und dem privaten Bereich, für Behörden und Institutionen. Sie sind oftmals auch im Unterauftrag gewerblicher Übersetzungsunternehmen, sogenannter Agenturen, tätig. Dennoch gibt es durchaus Chancen auf feste Arbeitsverträge. Dazu erklärt die BDÜ-Vizevorsitzende Cornelia Rösel: „Anstellungen bieten sich bei den Sprachendiensten großer, international ausgerichteter Wirtschafts- und Industrieunternehmen, aber auch bei Ämtern und Behörden sowie internationalen Organisationen wie der EU oder den Vereinten Nationen, die zu den größten Arbeitgebern der Branche zählen.“ Aufträge, die nicht von den Mitarbeiter*innen abgedeckt werden können, vergeben diese Organisationen wiederum – in der Regel über einen Ausschreibungsprozess – entweder an Übersetzungsbüros oder direkt an selbstständige Übersetzer*innen.
Im Angestelltenverhältnis werden für gewöhnlich spezialisierte Übersetzungen in den unterschiedlichsten Fachgebieten angefertigt, beispielsweise internationale Verträge bei Bundesministerien und Kanzleien oder Bedienungsanleitungen und Handbücher in Industrieunternehmen. Weitere mögliche Aufgaben sind Terminologiearbeit oder technische Redaktion in verschiedenen Sprachen. „Darüber hinaus sind die Kompetenzen qualifizierter Sprachexperten auch für Aufgaben im Bereich der Koordination mehrsprachiger Kommunikationsprojekte in Unternehmen immer stärker gefragt – etwa für Websites in mehreren Sprachen oder auch die sogenannte Lokalisierung von Marketingmaßnahmen, also die Anpassung an die jeweiligen kulturellen Besonderheiten im anderen Sprachraum. Nicht zuletzt entstehen gerade viele neue Aufgabenbereiche im Zusammenhang mit der Implementierung von maschinellen Übersetzungssystemen und KI“, erklärt Cornelia Rösel.
Übersetzen vs. Dolmetschen
Häufig werden sie miteinander verwechselt, jedoch handelt es sich bei Übersetzer*in und Dolmetscher*in um zwei verschiedene Berufe. Trotz einiger Gemeinsamkeiten unterscheiden sich Ausbildungsweg und Arbeitsalltag: Übersetzer*innen bearbeiten jegliche Art von schriftlichen Texten, Dolmetscher*innen hingegen übertragen das gesprochene Wort. Möglich ist Letzteres, je nach Qualifikation, sowohl zwischen Lautsprachen als auch in die und aus der deutschen Gebärdensprache. Welche Sprachen in beiden Berufen besonders gefragt sind, lässt sich laut BDÜ nur vage einschätzen, weil es dazu keine offiziellen Statistiken gibt. Außerdem hänge der Bedarf stark vom jeweiligen Sektor ab, für den die Übersetzung oder das Dolmetschen beauftragt wird. Grob lässt sich jedoch festhalten, dass – neben Deutsch natürlich – Englisch mit Abstand die wichtigste Arbeitssprache der BDÜ-Mitglieder ist, gefolgt von Französisch, Spanisch, Italienisch und Russisch.
Aktuell noch eher exotisch ist das Übersetzen von Schriftsprache in die Blindenschrift Braille. Dies stellt nach Angaben des Branchenverbands einen Sonderfall dar, der bislang nicht dem Bereich Übersetzen zugeordnet wurde. „Im Rahmen der zunehmenden Bedeutung inklusiver Kommunikation wäre dies jedoch denkbar. So wie derzeit auch entsprechende Angebote wie Übersetzen in Leichte Sprache – auch intralingual – zunehmen wird oder das Schriftdolmetschen, also die Übertragung des gesprochenen Worts in Schriftform zur Unterstützung von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen“, so Cornelia Rösel.
Als motivierend und zugleich herausfordernd benennt Luisa Callejón „die Notwendigkeit, die fremdsprachliche, muttersprachliche und fachliche Kompetenz fortlaufend zu pflegen – insbesondere, weil die Möglichkeiten aufgrund der digitalen Angebote dazu inzwischen geradezu überbordend sind.“ Der Spaß an der Arbeit überwiegt ihrer Erfahrung nach: „Beispielsweise die kontinuierliche Beschäftigung mit der Kultur der Arbeitssprachen. Oder auch die lebendigen Entwicklungen, die jede Sprache durchläuft und die für Sprachbegeisterte einen unendlichen Quell an spannenden Inhalten bedeuten.“ Durch die Einarbeitung in immer neue thematische Zusammenhänge biete die Arbeit fortlaufend die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern. Die Expertin fasst zusammen: „Insgesamt ist es sehr befriedigend, zu gelungener zwischenmenschlicher Kommunikation professionell beizutragen.“