Im Dialog mit Interessensgruppen
Im Stakeholder-Management geht es darum, Zielgruppen zu identifizieren und deren Interessen in Unternehmensprozesse einfließen zu lassen. Diese Tätigkeit kann so umfangreich sein, dass es eigenständige Stellen dafür gibt.
Text: Maike von Haas
Wer Großprojekte umsetzen oder die Haltung eines Unternehmens in der Öffentlichkeit sichtbar machen möchte, tut gut daran, die Anspruchsgruppen – die sogenannten Stakeholder – ausfindig zu machen. Nur dann ist es möglich, mit diesen in einen Dialog zu treten und Rückkopplungen in den Prozess einfließen zulassen. Diese unterschiedlichen Gruppen haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf Ziele oder Vorgehensweisen in einem Projekt oder gar bezogen auf das gesamte Unternehmen. Anders gesagt: Stakeholder verfolgen eigene Interessen, auf die ein Unternehmen oder eine Organisation Rücksicht nehmen sollten. Warum? „Der Erfolg eines Projektes misst sich immer an der Akzeptanz der Stakeholder“, meint Thorsten Kausch. Er ist Geschäftsführer der Stadtmanufaktur in Hamburg, ein Unternehmen, das sich auf Stadtvermarktung und -entwicklung spezialisiert hat. Die Agentur berät im gesamten deutschsprachigen Raum, wenn es darum geht, Innenstädte lebenswert zu halten. Akteure sind hier Bewohner*innen, Besucher*innen und Tourist*innen, aber auch Gewerbetreibende, Immobilienunternehmen, Gastronomie und Unternehmen mit Büros in den Innenstädten, die sich attraktive Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter*innen wünschen.
Fast immer geht es in den Innenstädten um die Themen Aufenthaltsqualität, konsumfreie Räume und auch Mobilität etwa verknüpft mit der Frage, wie man überhaupt in die City kommt. „Diese verschiedenen Erwartungen an Innenstädte haben durch Corona nochmals an Bedeutung gewonnen und treiben die erforderlichen Transformationsprozesse. Und während dieser Prozesse müssen Anwohner*innen, Besucher*innen, Geschäftsleute und Immobilieninhaber*innen gleichermaßen informiert und bestenfalls involviert werden“, weiß Thorsten Kausch.
Wer muss wie angesprochen werden?
Zu einem erfolgreichen Stakeholder-Management gehören die Identifikation und die Analyse von Stakeholdern und die daraus resultierende Kommunikation mit ihnen. Ziel ist immer, Probleme und Widerstände frühzeitig zu erkennen, um Interessenskonflikten vorzubeugen. Abzugrenzen ist der Begriff gegenüber den Shareholdern, also die Anteilseigner. „Shareholder haben eine andere Fixierung als Stakeholder, die sich hauptsächlich für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens interessieren. Im Stakeholdermanagement geht es um die inhaltliche Dimension eines Projektes“, erklärt Thorsten Kausch.
Zudem wird grob in interne und in externe Stakeholder eingeteilt. Zu den internen gehören etwa Unternehmer*innen, das Management und die Mitarbeiter*innen. Externe Stakeholder sind beispielsweise Partner*innen, Lieferant*innen, Kundschaft, Verbände, Konkurrent*innen, Institutionen, Behörden oder ganz allgemein die Öffentlichkeit. Interessensgruppen, die einen großen Einfluss auf ein Projekt haben, finden dabei eine andere Beachtung als solche, die vielleicht großes Interesse, aber wenig Macht haben. Während die einen mittels Newsletter über die Aktivitäten informiert werden, ist bei den anderen ein Dialog nötig oder sogar die Beteiligung an Entscheidungsprozessen.
Für Thorsten Kausch ist der Kern im Stakeholder-Management, alle an einem Projekt beteiligten Aktuer*innen ausfindig zu machen, ihre Perspektiven zu ergründen und – je nach Projektziel und Aufgabenstellung – eine Gesamtkonzeption zu erstellen, die sich diverser Kommunikationsmittel bedient: „Es ist ein Unterschied, ob ich ein Unternehmen in Position bringen oder ob ich ganze Branchen zusammenführen und ausrichten will. Oder ob es im Kulturbereich, wie beispielsweise in einem Museum, eher darum geht, Kontakt zu halten oder Reaktionen zu ergründen.“ Seine Projektanalysen startet Thorsten Kausch unter anderem mit Fragen wie „Welche Akteure spielen in dem Projekt eine Rolle? Welche Menschen müssen involviert werden, damit ein Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann?“ Aus der Beantwortung resultieren weitere Fragestellungen: Wie können Menschen dazu gebracht werden, sich an einer Idee zu beteiligen? Wie kann sie dazu bringen, sich gemeinsam für eine Idee einzusetzen?
Eine große Bedeutung hat der Stakeholder-Ansatz nicht nur der Stadtplanung, sondern beispielsweise auch für Energieunternehmen im Zusammenhang mit Ausbaumaßnahmen. „Bei Infrastrukturmaßnahmen wie Stromleitungsverlegung, beim Bau von Windrädern oder PV-Feldern sollte die Bevölkerung stets bereits im Vorfeld eingebunden werden, auch um mögliche Bedenken der Beteiligten frühzeitig aufgreifen und im besten Fall entkräften zu können. Ziel sollte es sein, juristische Schritte gegen das Projekt zu minimieren“, meint Thorsten Kausch. Es gälte, in den Diskurs zu gehen und möglicherweise sogar Stakeholder in die gestalterische Dimension zu involvieren. „Indem ich die jeweiligen Anspruchsgruppen involviere, kann ich Risiken minimieren und Prozesse optimal gestalten. Städte, Gemeinden und Länder sowie Projektentwickler sollten sich täglich mit ihren Stakeholdern und dem Management befassen“, findet Thorsten Kausch.
Unterschiedliche Berufsbezeichnungen
Die Stellen-Datenbank des WILA Arbeitsmarkt hatte vor Kurzem das Stellengesuch der Deutschen Energy Terminal GmbH nach einem „Manager Kommunikation und Stakeholder Management (m/w/d)“ gelistet. Hier hieß es: „Als kompetenter Ansprechpartner für die nationale und internationale Presse entwickeln Sie ein passendes Storytelling, erstellen und publizieren Inhalte und wirken darüber hinaus an der Weiterentwicklung der Kommunikationsstrategie mit. Durch ihre Tätigkeit leisten Sie einen wichtigen Beitrag dazu, ein stabiles Skateholder-Netzwerk (…) aufzubauen und zu pflegen.“
Oft heißt der Beruf jedoch gar nicht Stakeholdermanager*in, sondern die Tätigkeit verbirgt sich hinter unterschiedlichsten Berufsbezeichnungen. So suchte die Panda Fördergesellschaft für Umwelt mbH, eine Tochter von WWF International, einen „Sustainability Consultant (m/w/d) mit Schwerpunkt Klima“, zu dessen Aufgabenstellung die „Gestaltung von Beratungsangeboten, -methoden und -strukturen in Zusammenarbeit mit diversen internen und externen Stakeholdern“ gehört.
Auch werden Stakeholder-Aktivitäten oft innerhalb von Positionen ausgefüllt, die einen anderen Schwerpunkt haben wie beispielsweise Projektentwicklung oder -ausrichtung. Auch hier fand sich in der Stellen-Datenbank des WILA Arbeitsmarkt eine Anzeige und zwar von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Hier wurde für das Team „Förderung von Künstlerinnen, Künstlern, Projekten und Freien Gruppen“ ein*e Referent*in und fachliche Gruppenleitung im Bereich Darstellende Künste/Tanz gesucht wird. Neben Projektentwicklung und -management ist auch die Pflege eines strukturierten Stakeholder-Dialogs gefragt.
Akademische Fachrichtung zweitrangig
Thorsten Kausch gefällt an seiner Arbeit, dass er mit grundverschiedenen Persönlichkeitsstrukturen zu tun hat, die er immer in seine Überlegungen einbeziehen muss. Für ihn ist es im positiven Sinne eine Herausforderung, die Perspektiven der am Projekt beteiligten Stakeholder kennenzulernen und diese optimal in den Verlauf zu integrieren. Für ein erfolgreiches Stakeholder-Management brauche man in jedem Fall eine gute Menschenkenntnis, Erfahrung in Prozess- und Projektmanagement und eine Expertise in Kommunikation. Und das könne man von unterschiedlichen akademischen Hintergründen aus lernen.
Im bundesweiten Studien- und Ausbildungscurriculum hat Stakeholder-Management bislang keinen prominenten Platz eingenommen. Der Hochschulkompass listet lediglich fünf Studiengänge, in denen der Stakeholder-Ansatz ein Schwerpunkt ist, vier davon mit (teils berufsbegleitendem) Master-Abschluss. Dazu gehören etwa „Human Resources & Leadership“ an der CBS International Business School in Köln und „Marketing und Sales Management“ an der Europäischen Fernhochschule Hamburg. An Hochschulen, bei privaten Anbietern oder Verbänden gibt es zudem Weiterbildungen für Stakeholder-Management, jeweils mit einem auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichteten Fokus. „Es wäre allerdings wünschenswert, wenn auf dem Ausbildungs- oder Weiterbildungssektor mehr passiert“, sagt Thorsten Kausch.