Wurzeln schlagen ist nicht
Die Arbeit von Fachkräften im Bereich Forst- und Waldmanagement verändert sich mit dem Klimawandel stetig. Neben fachlichem Wissen steht daher mittlerweile auch Kommunikationsfähigkeit auf der Liste der notwendigen Kompetenzen.
Text: Anja Schreiber
Rund ein Drittel der Landfläche Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Das entspricht laut der dritten Bundeswaldinventur 2011/2012 rund 11,4 Millionen Hektar. Diese Fläche erfüllt zahlreiche Aufgaben für Mensch und Natur. Zu ihren Hauptfunktionen gehören der Klima-, Boden- und Hochwasserschutz. Außerdem ist der Wald zugleich Luftfilter, Wasserspeicher und Trinkwasserfilter. Er dient als Rohstofflieferant, als Erholungsraum für Menschen und hat so auch eine Funktion für den Tourismus. Doch gerade in den letzten Jahren sind die Auswirkungen des Klimawandels deutlich sichtbar geworden. Es zeigen sich großflächige Defizite, die zu hohen Mengen an Schadholz in den Wäldern geführt haben. Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fielen seit 2018 bis Mitte 2022 rund 245 Millionen Festmeter Schadholz vor allem aufgrund von Insektenkalamitäten an. Das alles sind Herausforderungen für Mensch und Natur – aber auch für die Fachkräfte, die sich mit dem Wald als Ökosystem befassen.
Der Klimawandel fordert eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, die sowohl die Produktivität der Ökosysteme als auch die biologische Vielfalt der Wälder dauerhaft erhält. Das unterstreicht die Waldstrategie 2050 des BMEL aus dem Jahr 2020. Diese setzt sich für folgendes Leitbild ein: Die Wälder „sind in einer Weise im staatlichen, körperschaftlichen und privaten Waldbesitz weiterentwickelt und integrativ bewirtschaftet, dass ihre Stabilität, ihre biologische Vielfalt, ihre Produktivität und ihre vielfältigen Schutzleistungen sowie ihre Erlebbarkeit zum Wohl der gesamten Gesellschaft nachhaltig gewährleistet sind.“ Damit sollen auch künftigen Generationen die gleichen Chancen und Nutzungsoptionen des Waldes erhalten bleiben wie sie aktuell zur Verfügung stehen.
Klimawandel: Ein alter Schuh
„Die Waldstrategie 2050 vertritt eigentlich nichts Neues. Denn das Thema nachhaltiges Waldmanagement beschäftigt uns schon lange“, erklärt Dirk Schmechel, studierter Forstwissenschaftler und Leiter der Abteilung „Wissenstransfer, Öffentlichkeitsarbeit, Waldpädagogik“ der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Die Waldstrategie unterstreiche aber noch einmal das Ziel, die Wälder angesichts des Klimawandels für die Menschen und die Gesellschaft zu erhalten. Neu sei der Klimawandel für ihn und seine Kolleg*innen schon lange nicht mehr. „Bereits 1999 war uns klar, dass da etwas auf uns zukommt. Mit dem Klimaschutzprogramm 2005 wurde die Gestaltung nachhaltig zukunftsfähiger Wälder bereits zum zentralen Thema unserer forstlichen Arbeit“, so der studierte Forstwissenschaftler. „Die Waldstrategie zeigt als Rahmenpapier, dass die Politik hinter uns steht.“
Das Thema Nachhaltigkeit spiele nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch schon lange eine Rolle, betont Dirk Schmechel. Und das gilt für alle Fachkräfte, die mit dem Wald Berührungspunkte haben – ob im Planungsbüro, in Ministerien, bei Forstbehörden oder in Forstbetrieben. Auch Waldbesitzer*innen und Nichtregierungsorganisationen kommen nicht umher, auf die Zukunft der Wälder zu blicken. „Das Thema verändert auch die Tätigkeiten der Forstleute“, erklärt Dirk Schmechel. Denn sie würden immer mehr zu Expert*innen in Sachen Nachhaltigkeit. Außerdem steigen die Bedeutung der waldbezogenen Forschung und der Bedarf an wissenschaftlichen Expert*innen: „Gab es vor zehn Jahren bei der LWF noch circa 130 Beschäftigte, sind es mittlerweile 200 Personen.“ Auch die Forschungsprojekte, die sich mit der Analyse und der Anpassung an den Klimawandel beschäftigten, würden ebenso zunehmen wie internationale Projekte und Kooperationen.
Vielfältig in Anforderung und Aufgaben
Welche Aufgaben von Mitarbeiter*innen der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft erwartet werden, zeigt beispielhaft eine kürzlich dort veröffentlichte Stellenanzeige: So hat der oder die gesuchte Mitarbeiter*in für die Abteilung „Biodiversität und Naturschutz“ sogenannte Waldstrukturaufnahmen in Naturwaldreservaten zu planen und durchzuführen, also systematische Stichproben vom lebenden Baumbestand und vom Totholz zu nehmen. Das Monitoring von Mooren etwa durch die Erstellung von Torfprofilen gehört genauso zum Tätigkeitsprofil wie die Arterfassung in den Naturwaldreservaten und Mooren. Auch der Aufbau und die Betreuung von Monitoring-Einrichtungen ist Teil der Arbeit, zudem die Pflege und Auswertung von Fachdaten in Datenbanken und Geoinformationssystemen sowie die Erstellung von Berichten. Das Bearbeiten von Anfragen, die Unterstützung des Wissenstransfers durch Veröffentlichungen und Fortbildungen und die Betreuung von Hilfskräften bei Einsätzen vor Ort runden das Tätigkeitsprofil ab.
Doch nicht nur die Aufgaben für diese ausgeschriebene Stelle sind vielfältig, sondern auch die Voraussetzungen für die Tätigkeit. Neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium im forstlichen, landespflegerischen oder vergleichbaren Bereich und entsprechender Berufserfahrung werden gute waldökologische Kenntnisse sowie vertiefte faunistische und floristische Artenkenntnisse erwartet. Auch mit dem Waldnaturschutz und der Waldbewirtschaftung sollten sich die Bewerber*innen auskennen. Wünschenswert sind Erfahrungen mit dem Statistikprogramm R und Erfahrung in der Nutzung von Datenbanken. Vorausgesetzt werden Kenntnisse in der Anwendung geografischer Informationssysteme. Von Vorteil ist zudem Wissen über verwaltungstechnische Abläufe wie etwa öffentliche Ausschreibungen. Da ein wichtiger Teil der Arbeit auch im Wissenstransfer liegt, sind kommunikative Fähigkeiten gefragt, wie eine sehr gute mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache. Außerdem erwartet die LWF ausgeprägte Teamfähigkeit und ein hohes Maß an Eigeninitiative sowie die Bereitschaft zu mehrtägigen Dienstreisen.
Steigende Bedeutung bringt Jobs
„Während Ende der 1990er Jahre Stellen für forstlich ausgebildete Beschäftigte eher abgebaut wurden, steigt auf Grund des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf Wald und Forstwirtschaft der Bedarf an Fachkräften wieder“, erklärt Dirk Schmechel. Dabei wird oft neue und spezielle Expertise gebraucht, zum Beispiel in den Bereichen Holzverwendung, Fernerkundung, Waldnaturschutz und für den gesellschaftlichen Dialog. Neue Aufgabenfelder und Berufschancen für Hochschulabsolvent*innen mit einem forstwissenschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Abschluss ergeben sich auch im Bereich der Nutzung nachwachsender Rohstoffe, der Agroforstwirtschaft oder der Bewirtschaftung urbaner Wälder. Hinzu kommen spezielle Entwicklungen: „Es gibt den aktuellen Trend des Waldbadens. Denn neue Erkenntnisse zeigen, dass Bewegung im Wald Stress abbaut.“ Vor diesem Hintergrund entstehen Berufe wie Wald-Gesundheitstrainer*in oder Waldtherapeut*in. „Eine steigende Bedeutung erfährt auch die Waldpädagogik. Da vor allem Schulen in den letzten Jahren immer mehr den Lernort Wald entdecken, bilden wir als Forstverwaltung auch zertifizierte Waldpädagog*innen aus.“ Ohnehin sind für Akademiker*innen mit einem forstwissenschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Studium die Weiterbildung und der Wissenstransfer zu einem wichtigen Aufgabengebiet geworden. „Wir haben zum Beispiel in Bayern über eine halbe Million private Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer. Diese stehen oft vor ihren absterbenden Fichten und fragen sich, wie es weitergehen soll. Hilfe durch Beratung und Weiterbildungsangebote bekommen sie zum Beispiel von den örtlichen Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten“, erläutert Dirk Schmechel.
Zu den Aufgaben des LWF gehört eine praxisorientierte Forschungsarbeit auf unterschiedlichen Gebieten wie etwa Boden und Klima, Biodiversität und Naturschutz und Wildbiologie und Wildtiermanagement. „Für diese Aufgaben beschäftigt die Landesanstalt nicht nur Forstleute, sondern auch Biolog*innen, Hydrolog*innen, Geolog*innen oder Soziolog*innen. „In meiner Abteilung suchen wir aktuell einen oder eine Eventmanager*in. Akademiker*innen mit einem Abschluss in Grafikdesign werden ebenfalls gebraucht”, so Dirk Schmechel. Denn die LWF ist auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und des Wissenstransfers aktiv. „Wir laden zum Beispiel bei Regionaltagungen Forstleute und Praktiker*innen ein und präsentieren ihnen die neuesten Forschungsergebnisse“, erklärt Dirk Schmechel . „Früher haben wir in der PR-Abteilung lediglich bunte Broschüren gedruckt. Heute erweitern wir ständig unsere Angebote im Internet und sind auch auf Social Media aktiv.“ Im Mittelpunkt steht dabei die Weitergabe von Wissen über den Wald und die Forstwirtschaft im Klimawandel. Zielgruppe sind sowohl bayerische Waldbesitzer*innen als auch interessierte Bürger*innen in Bayern, aber auch Personen jenseits der Landesgrenzen: „Wir betreiben zum Beispiel online ein Waldbesitzerportal, bieten aber auch persönliche Beratung und Online-Beratung an.“
Durch ein nachhaltiges Waldmanagement sieht Dirk Schmechel aber nicht nur Veränderungen bei forschenden und beratenden Institutionen, sondern auch bei der beruflichen Tätigkeit von Forstleuten vor Ort: „Früher waren die Förster in ihrem Wald sehr eigenständig, unabhängig und oftmals wurde ihr Wirken kaum wahr- oder für selbstverständlich genommen. Heute ist die Sensibilität für die Belange des Waldes enorm hoch und die Vielfalt der Ansprüche und Interessen am Wald steigt stetig. Unsere Forstleute sind daher auch vor allem zu Interessensmanagerinnen und zum Interessensmanager geworden.“ Sie müssen die verschiedenen Gruppen wie Waldbesitzer*innen, Naturschützer*innen, Erholungssuchende, Behörden, NGOs, Medien oder die breite Öffentlichkeit an einen Tisch bringen und eventuell widerstreitende Interessen ausgleichen. Sie haben damit oft die Position von Mentor*innen.
„Grundsätzlich ist die Arbeit der Forstleute also wesentlich komplexer geworden. Denn es geht nicht nur darum, Holz zu machen und Gewinne zu erwirtschaften, sondern auch um den Natur-, Boden- und Wasserschutz sowie um die Erholungsfunktion“, erklärt Dirk Schmechel – und ergänzt, dass Forstleute heutzutage insbesondere auch kommunikative Kompetenzen mitbringen müssten. Sei es für Bildungsarbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen wie etwa Kinder und Jugendliche, für den Dialog mit Jäger*innen oder die Anleitung von Mitarbeiter*innen: „Außerdem muss man in Team arbeiten können.“