Mehr als ein Standbein
Von Online-Shop über Hundetraining bis zu Yoga – eine Nebentätigkeit neben dem Hauptjob bietet die Möglichkeit, andere Interessen auszuleben. Foto: © dikushin – stock.adobe.com

Mehr als ein Standbein

Ob gewerblicher Onlineshop oder freiberufliche Lehrtätigkeit: Immer mehr Menschen gehen neben dem Haupterwerb weiteren Jobs nach. Das kann Vor- und Nachteile haben, sollte aber in jedem Fall auf einer guten Planung fußen.

Text: Maike von Haas

Schon mal darüber nachgedacht, ein zweites Standbein aufzubauen und einer Begabung und Leidenschaft endlich auch beruflich nachzukommen? Von der finanziellen Aufstockung bis hin zu kreativen Zukunftsplänen oder den Ausbau einer anfänglichen Selbstständigkeit gibt es viele Gründe für einen Nebenjob neben der Haupttätigkeit. Um sich zum Beispiel etwas leisten zu können, das mit dem normalen Gehalt nicht möglich ist. Vielleicht hat jemand aber auch in der Kindheit im Fußballverein gespielt, möchte das im Erwachsenenalter weitergeben und wird selbst nebenbei mit einer Trainerlizenz Coach im Verein? Ein*e Redakteur*in in Teilzeit kann das Einkommen als freie*r Journalist*in ergänzen. Fachkräfte in der Biologie können angestellt in einem Labor tätig sein und nebenberuflich besondere Obst- oder Gemüsesorten zu züchten und zu verkaufen.

Während eine Mehrfachbeschäftigung früher höchst unüblich war, nimmt sie heute zu, wenngleich auch auf niedrigem Niveau: Laut dem Statistischen Bundesamt führten 2002 gerade mal 2,2 Prozent der Erwerbstätigen mehr als eine Tätigkeit aus; waren es im Jahr 2022 4,6 Prozent. Fast ein Drittel der Zweitjobs wurde in selbstständiger Form ausgeübt. Dabei existieren verschiedenste Kombinationen aus Haupt- und Nebenjob: So haben manche neben einer hauptberuflichen Angestelltentätigkeit eine oder mehrere Nebentätigkeiten wie beispielsweise einen Minijob, eine selbstständige oder freiberufliche Tätigkeit. Andere haben einen Anstellungsvertrag auf Teilzeitbasis, arbeiten aber schwerpunktmäßig freiberuflich. Welcher Job im Haupterwerb und welcher nebenberuflich ausgeführt wird, sollten Fachkräfte gut planen, denn ja nach Verhältnis leiten sich daraus Konsequenzen für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern ab.

Feste Anstellung, sicheres Gehalt

Generell gibt es einen guten Grund, warum das Erwerbsleben als Angestellte*r in als Haupttätigkeit so beliebt ist: Eine Festanstellung sorgt für Sicherheit, da Fachkräfte mit einem regelmäßigen monatlichen Gehalt rechnen können. Das reduziert zwar die frei zur Verfügung stehenden Stunden, schafft aber auf finanzieller Seite Leichtigkeit – und auch Freiheiten. Hinzu kommt, dass viele Studiengänge ihre Absolvent*innen primär auf eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis vorbereiten, sei es, weil es sich wie in der Hochschullehre systemisch ergibt oder weil es sich wie im Umweltbereich aus den nötigen Arbeitsschritten ergibt. Die zahlreichen Zentren für Entrepreneurship der Hochschulen zeigen jedoch, dass in vielen Absolvent*innen auch Unternehmer*innen, Selbstständige und Freiberufler*innen stecken – und in manchen Fällen sogar alles zusammen.

Fachkräfte mit Interesse an mehr als an einem beruflichen Standbein haben zum Beispiel die Möglichkeit, einem Hobby mehr Raum im Leben zu geben und dieses zu monetarisieren. So geht es auch Corinna. Neben ihrem Hauptjob im Bereich Marketing und Redaktion in einem Verlag übt sie einen Nebenjob als Yogalehrerin aus. Eine Kombination, die Abwechslung und Erfüllung bietet. Denn ursprünglich wollte Corinna Lehrerin werden. Aber im Studium wurde ihr bewusst, dass eine Verbeamtung in Bayern mit einer Ortsbindung verknüpft sein würde – und dass sie diese nicht wollte. Nach ihrem Bachelor verließ sie das Lehramt, machte einen Master in Interamerikanistik und orientierte sich parallel in der Medienlandschaft. Dort fand sie einen Job als Werkstudentin in einem Fachverlag für die Themen Ausbildung, Studium und Beruf. Dort arbeitete sie in einer Projektstelle mit zeitlicher Befristung. Parallel zum Studium übte Corinna bereits ein Ehrenamt beim Sozialverband Deutschland (SoVD) aus. Nachdem ihre befristete Stelle ausgelaufen war, startete sie dort als hauptberufliche Verbandskoordinatorin und sammelte Erfahrungen im Eventmanagement und Marketing. Da sie sich auch mit Social-Media-Kanälen auseinandersetzen musste, machte sie parallel ein IHK-Zertifikat in Social-Media-Management, was als Beraterin für diesen Bereich zunächst in ein weiteres Ehrenamt und später zu einer selbständigen Nebentätigkeit führte. Mit dieser beruflichen Kombination wechselte sie zurück zum Verlag, bei dem eine Teilzeitanstellung im Marketing frei geworden war. 2020 entschied sie sich für eine Ausbildung zur Yogalehrerin – erstmal ohne konkretes Ziel. Aber dann hatte ein Fitness-Studio in ihrer Heimatstadt Yogastunden zu besetzen. Sie begann, eine Stunde in der Woche dort zu unterrichten, woraus mittlerweile drei wöchentliche Unterrichtseinheiten geworden sind. Die Nebentätigkeit als Social-Media-Managerin liegt vorerst brach.

Grundsätzlich hat jede*r Arbeitnehmer*in in Festanstellung das Recht, nebenberuflich einer weiteren Beschäftigung nachzugehen. Dennoch empfiehlt es sich, mit dem Arbeitgeber über das Vorhaben zu sprechen. In vielen Arbeitsverträgen wird ohnehin festgehalten, dass eine Nebentätigkeit gemeldet werden muss. Auch Corinna suchte damals das Gespräch und stellte fest, dass ihr Arbeitgeber die offene Kommunikation schätzte. Fachkräfte mit einer zusätzlichen Tätigkeit sollten darauf achten, dass der Hauptjob nicht darunter leidet. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn durch die Doppelbelastung der Arbeitsaufwand insgesamt zu hoch wird. Weiterhin darf die Nebentätigkeit nicht in direkter Konkurrenz zum Hauptberuf stehen: Eine angestellte Redakteurin für ein Fachmagazin sollte daher als Freiberuflerin andere Themenschwerpunkte setzen. Beide Jobs müssen sich deutlich voneinander trennen lassen. Und natürlich dürfen weder Urlaub noch Krankheitstage genutzt werden, um dem Nebenerwerb nachzukommen.

Zuverdienstgrenze beachten

Zum Hauptjob dürfen 520 Euro im Monat steuerfrei dazuverdient werden. Dann sind keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge fällig, und es besteht die Möglichkeit, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Dennoch muss der Zugewinn – egal wie hoch – über die Einkommensteuererklärung beim Finanzamt angegeben werden. Zudem muss für eine selbständige beziehungsweise freiberufliche Tätigkeit gegebenenfalls zusätzlich zur Einkommenssteuererklärung eine Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) angefertigt werden. Wer mehr Geld hinzuverdienen möchte als es im Minijob erlaubt ist, muss immer zusätzlich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen. Handelt es sich bei einer nebenberuflichen Selbständigkeit um ein Gewerbe, muss diese beim Gewerbeamt angemeldet. Fachkräfte mit einer Haupt- und einer Nebentätigkeit sind grundsätzlich gut beraten, vorab mit Expert*innen über ihre Situation zu sprechen. Auch Corinna rät, sich als Selbständige mit einem oder einer Steuerberater*in oder mit dem jeweiligen Finanzamt in Verbindung zu setzen. „Yoga zum Beispiel gilt manchmal als Freiberuf und manchmal als Gewerbe“, so ihre Erfahrung.

Ebenfalls unbedingt beachten sollte man das Thema Scheinselbstständigkeit. Zu einer Scheinselbstständigkeit kann es kommen, wenn haupt- und nebenberuflich selbstständige Fachkräfte den rechtlichen Anschein erwecken, selbstständig zu sein, obwohl tatsächlich ein Arbeitsverhältnis besteht. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn man die Selbstständigkeit hauptsächlich über einen Auftraggeber finanziert oder man die gleichen Aufgaben wie festangestellte Fachkräfte übernimmt. Ebenfalls problematisch ist, wenn eine Bindung an feste Arbeitszeiten besteht oder die Tätigkeit in den Büros der Firma ausgeübt werden muss. Wer wissen will, ob für eine selbständige Tätigkeit eine Scheinselbständigkeit vorliegen könnte, kann das von der Deutschen Rentenversicherung Bund überprüfen lassen. Im Falle einer Scheinselbständigkeit müssen im schlimmsten Fall Arbeitgeber beziehungsweise Auftraggeber Strafzahlungen in Kauf nehmen, und für Auftragnehmer wird eine rückwirkende Zahlung von Versicherungsbeiträgen fällig. Auch deshalb hat Corinna für das Fitness-Studio, für das sie als Yogalehrerin tätig ist, eine Anstellung als Minijobberin vereinbart.

Sicherheit und Leidenschaft

Ebenfalls im Blick haben sollte man die langfristigen Auswirkungen von Minijobs oder nicht versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeiten: Sie erhöhen auf Dauer das Risiko für Altersarmut, da nicht oder gegebenenfalls nur wenig in die Rentenkasse eingezahlt wird im Vergleich zu einer Vollzeittätigkeit im Angestelltenverhältnis. Deshalb sollte die Entscheidung für eine Haupt- und Nebentätigkeit – egal in welcher Beschäftigungsform – bewusst getroffen werden. Gegebenenfalls sollten sich Fachkräfte Gedanken über Alternativen machen, wie zum Beispiel eine zusätzliche private Vorsorge für die Rente.

Natürlich ist der Verzicht auf eine Vollzeitstelle nicht für jede*n geeignet. Insbesondere nicht bei hohen finanziellen Verpflichtungen, die etwa durch einen Kredit für eine Eigentumswohnung oder ein Haus entstehen könne, wenn man Kinder hat oder beides. Es ist immer ein Abwägungsprozess, und eventuell muss die Kombination von Beruf und beruflich ausgeübter Leidenschaft in eine spätere Lebensphase verschoben werden. Bei Corinna wertet ihre Tätigkeit als Yogalehrerin finanziell nicht das auf, was sie mit einer vollen Stelle einnehmen würde. Aber um diesen Traum zu leben, hat sie sich entscheiden, bewusst Ausgaben wegzulassen, mit denen sie sich vorher materielle Wünsche erfüllt hat. „In jedem Fall muss man durchrechnen, wieviel Geld man wirklich braucht“, sagt sie. Ihr hat ein Haushaltsbuch geholfen, den Überblick zu bekommen.

Nicht zuletzt aufgrund dieser guten Planung ist Corinna sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung. Sie genießt es, ganz verschiedene Sachen zu machen, denn für sie ergänzt sich beides: „Ich liebe es, zu texten, zu sprechen und kreativ zu sein, um Menschen dadurch mit Worten zu erreichen. Mir macht die Bürotätigkeit dann wirklich großen Spaß, wenn ich weiß, dass ich regelmäßig einen Ausgleich in Form von Bewegung dazu habe. Daher ist für mich die Nebentätigkeit als Yogalehrerin super. Sie ermöglicht es mir, auch im Bürojob zufrieden und produktiv zu sein.“

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