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Das Gespräch mit Expert*innen, Institutionen und Behörden gehört zum täglich Brot des Journalismus. Dabei können Fachkräfte in ihren Recherchen von einem wirkungsvollen Recht Gebrauch machen: dem Auskunftsanspruch. Für wen er gilt und wie er in der Praxis genutzt werden kann.
Text: Anja Schreiber
Wer ist Journalist*innen gegenüber zu Auskunft verpflichtet? Und wie lässt sich dieses Recht durchsetzen? Die Antworten auf diese Fragen kennt Prof. Dr. Tobias Gostomzyk vom Institut für Journalistik der Technischen Universität Dortmund. Der Professor für Medienrecht erklärt: „Behörden sind grundsätzlich zur Auskunft gegenüber Medien verpflichtet, private Unternehmen dagegen nicht.“ Dieses Auskunftsrecht gilt aber nicht nur für Vertreter*innen von Presse, Rundfunk oder Onlinemedien. Unter Umständen können sich auch Blogger*innen, Youtuber*innen und sogar Aktivist*innen sich auf den Auskunftsanspruch berufen. Damit dies der Fall sei, müssten sie mit gewisser Regelmäßigkeit die Gesellschaft über Belange von öffentlichem Interesse informieren, sich an journalistische Standards halten und über eine bestimmte Reichweite verfügen. Schließlich ist das Auskunftsrecht nicht in erster Linie dazu da, Medien zu exklusiven Informationen zu verhelfen. Vielmehr soll die Gesellschaft hinreichend informiert werden. Über Details wird deswegen immer wieder vor Gerichten gestritten.
Das Recht auf Auskunft ist für die Presse in den Landespressegesetzen geregelt, für Rundfunk und Onlinemedien im Medienstaatsvertrag beziehungsweise den Landesmediengesetzen. Sie legen fest, dass Behörden verpflichtet sind, Journalist*innen auf ihre Anfrage unverzüglich und wahrheitsgemäß Auskunft zu geben. „Dabei gilt ein funktionaler Behördenbegriff“, so Tobias Gostomzyk. Er umfasst nicht nur Behörden wie das Bürger- und Finanzamt, sondern etwa auch kommunale Eigenbetriebe wie Stadtwerke oder Verkehrsbetriebe – sogar wenn sie eine private Rechtsform haben, wie etwa eine GmbH oder AG. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Betriebe ganz oder zumindest über 50 Prozent dem Staat gehören oder staatliche Aufgaben übernehmen. Auch wenn es sich bei den genannten Rechtsgrundlagen um Gesetze der Länder handelt, besteht Anspruch nach geltender Rechtsprechung ebenfalls gegenüber Bundesbehörden wie etwa dem Verteidigungs- oder Wirtschaftsministerium. Dieser wird allerdings aus Artikel 5 Grundgesetz direkt abgeleitet, vor allem aus dem Grundrecht der Pressefreiheit.
Grenzen der Auskunftspflicht
„Zwar gehören auch Hochschulen und Universitäten zu den öffentlichen Institutionen, aber bei ihnen hat die Auskunftspflicht ihre Grenzen. Denn bei ihnen stößt die Auskunftspflicht auf die grundrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit“, erklärt Tobias Gostomzyk. Deswegen müsse hier immer geprüft werden, ob der zur Auskunft aufgeforderte Bereich der Hochschulverwaltung zuzuordnen sei oder dem Bereich Forschung und Lehre. Doch auch wenn die Anfrage die hochschulinterne Selbstverwaltung betreffe, könnten die Pressestellen der Institutionen die Auskunft verweigern. Sie ist im Kern der Wissenschaftsfreiheit zuzuordnen.
Bei Behörden kann die Auskunftspflicht ebenfalls nicht unendlich ausgereizt werden: „Gründe für eine Auskunftsverweigerung kann zum Beispiel ein schwebendes Verfahren sein“, so Tobias Gostomzyk. Vorschriften bezüglich Geheimhaltung können ebenfalls dazu führen, dass Pressestellen Informationen verweigern. Oder wenn Persönlichkeitsrechte von Personen verletzt werden könnten. Allerdings können auch Behörden nicht immer auf solche Regelungen pochen. Das zeigt zum Beispiel die Affäre um das Hubschrauber-Foto des Sohnes der ehemaligen Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht. Das Verwaltungsgericht Köln entschied im August 2022 (Aktenzeichen: 6 L 978/22), dass das Bundesverteidigungsministerium der Presse Auskunft über Details zur Entstehung und Veröffentlichung dieses Fotos mitteilen muss. Das Foto hatte der Sohn öffentlich einsehbar auf seinem Instagram-Profil gepostet. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigt diesen Auskunftsanspruch (Aktenzeichen 15 B 1029/22). Experte Tobias Gostomzyk weiß: „Es kommt regelmäßig zu Grenzfällen, ob Auskunft zu erteilen ist – oder nicht. Der Einzelfall entscheidet.“
Grundsätzlich gilt, dass jede*r das Recht hat, über die eigenen personenbezogenen Daten und deren Weitergabe zu bestimmen. „Grundlage hierfür ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das auch Ausdruck in Datenschutzgesetzen findet“, erklärt Tobias Gostomzyk. Dazu gehören auch Inhalte von Bewerbungsunterlagen sowie Personal- und Polizeiakten. Wenn die Presse zum Beispiel etwas aus den Personalakten eines Bürgermeisters oder einer Bürgermeisterin erfahren will, könnte ihr deshalb die Auskunft verweigert werden. Je privater es also wird, desto höher ist grundsätzlich der Schutz, jedoch gibt es auch hier Grenzen. Kaum Schutz genießen zum Beispiel Menschen, die sich selbst an die Öffentlichkeit wenden wie etwa beim Instagram-Post im Helikopter-Fall. Auch wenn Menschen selbst in die Öffentlichkeit treten – etwa ein Stadtrat oder eine Stadträtin eine Rede hält – darf selbstverständlich hierüber berichtet werden. „Letztlich kommt es immer darauf an, ob ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht und ob das gegenüber anderen, mitunter gegenläufigen Interessen wie dem Schutz des Persönlichkeitsrechts, überwiegt“, erläutert Tobias Gostomzyk.
Zeitnahe Rückmeldung
Tobias Gostomzyk betont, dass die Behörden ihrer Auskunftspflicht unverzüglich nachkommen sollten. „Pressestellen müssen zunächst alles tun, um Anfragen so schnell wie möglich zu beantworten. Es darf kein schuldhaftes Zögern geben.“ Eine Anfrage von Journalist*innen der Tagespresse, die morgens gestellt wurde, sollte also bis zum frühen Mittag beantwortet sein können, damit sie noch rechtzeitig bis zum Redaktionsschluss in die Artikel eingearbeitet werden kann. Wenn aber sehr viele Anfragen vorliegen oder krankheits- und urlaubsbedingt eine schnelle Erledigung der Anfrage nicht möglich ist, müssen Journalist*innen dies unter Umständen hinnehmen.
Erfahrene Medienschaffende wissen, dass zwischen dem Rechtsanspruch auf Auskunft und dem realen Berufsalltag ein Unterschied besteht. Nicht jede Anfrage wird tatsächlich bearbeitet oder unverzüglich beantwortet. Nicht selten dauern Rückmeldungen mehrere Tage oder sogar noch länger. So stellt sich die Frage, ob das Pochen auf die Auskunftspflicht positive Auswirkungen auf die Beantwortung seitens der Behörden hat. Tobias Gostomzyk hat das in einem Seminar über die Lehrredaktion recherchieren lassen: Eine Studierenden-Gruppe hat ihre Presseanfrage an verschiedene Kommunen in Nordrhein-Westfalen freundlich formuliert, eine andere Gruppe hat auf den Rechtsanspruch verwiesen. „Das Ergebnis dieser Recherche war, dass wir nichts Belastbares feststellen konnten“, erklärt Tobias Gostomzyk. Manche Kommunen reagierten auf die freundliche Anfrage nicht, andere reagierten auf die Anfrage mit dem Rechtshinweis nicht.
Was also tun, wenn Behörden und Co. nicht antworten? Es bleibt der Gang zum Gericht, so Tobias Gostomzyk: „Hier kann der Auskunftsanspruch wirksam helfen. Aber auch Eilverfahren beim Verwaltungsgericht dauern nicht selten mehrere Wochen.“ Für eine tagesaktuelle Berichterstattung sei so eine erzwungene Auskunft dann meist nicht mehr relevant. Sie bietet sich daher eher für Journalist*innen an, die investigativ und datenbasiert an langfristigen Recherchen arbeiten. „Außerdem gibt es noch das Risiko der Gerichts- und Prozesskosten“, erklärt Tobias Gostomzy. Zusätzlich erfordere ein Gerichtsverfahren Zeit und Energie. Auch diese Tatsache sorge dafür, dass viele Journalist*innen ihre Ansprüche nicht einklagen, wenn nicht gerade das Medienunternehmen, für das sie tätig sind, aktiv wird. „Auch die Chefredakteurin oder der Chefredakteur kann direkt einmal nachhaken“, so Tobias Gostomzyk – manchmal ist dies hilfreich. So werde einem Auskunftsersuchen Nachdruck verliehen. Das könne vielleicht den gewünschten Erfolg bringen. „Starke Medienmarken haben es mitunter leichter, an Informationen zu kommen. Wenn das Nachrichtenmagazin Der Spiegel anfragt, wird hierauf in der Regel schneller reagiert werden als wenn wir mit der Lehrredaktion tätig werden.“ Dies gelte faktisch selbst dann, wenn die Tatsache, wie groß ein Unternehmen ist, aus juristischer Sicht keine Rolle spielen dürfe.
So teuer kann’s werden
Wer einen Überblick über Kosten von Gerichtsverfahren im Zuge des Auskunftsanspruchs erhalten möchte, kann dies leicht im Internet nachlesen. Tobias Gostomzyk gibt einen Tipp: „Das Projekt „Frag den Staat“ zieht gegen Behörden vor Gericht, um das Recht auf Information durchzusetzen. Dieses Projekt verfügt grundsätzlich über Ressourcen, die zum Beispiel freie Journalistinnen und Journalisten in der Regel nicht haben. Hier werden Gerichtsverfahren auch dokumentiert.“ Neben Klagen bietet das Projekt auf seiner Website weitere Hilfen an wie etwa eine Datenbank mit Gerichtsentscheidungen.
Sorge über negative Auswirkungen ihrer Recherchebemühungen oder eventuelle Klagen müssen Journalist*innen nicht befürchten – auch dann nicht, wenn sie in kleinen Kommunen als Lokalreporter*innen tätig sind. Tobias Gostomzyk erklärt: „Aus Behördensicht darf die journalistische Tätigkeit selbstverständlich nicht zur Benachteiligung führen. Es darf zum Beispiel keine Baugenehmigung aus einem sachfremden Grund verweigert werden. Von solchen Fällen habe ich – offen gesagt – auch noch nie gehört. Passiert das doch, kann man dagegen klagen.“