Strategien für den Starkregen
Heftige Unwetter, langanhaltender Regen und dadurch entstehende Flutkatastrophen: Unsere Städte und Wohngegenden müssen besser angepasst sowie vorbereitet sein.

Strategien für den Starkregen

Ulrike Raasch beschäftigt sich mit klimaresilienten Schwammstädten. Sie arbeitet für die Serviceorganisation der Zukunftsinitiative Klima.Werk in engem Austausch mit den Kommunen und verschiedensten Fachdisziplinen.

Text: Christine Lendt

Ulrike Raasch hat erst auf Lehramt studiert, sich dann aber für den Umweltschutz entschieden. Foto: Zukunftsinitiative Klima.Werk/EGLV

Wenn Ulrike Raasch in Essen unterwegs ist, hält sie die Augen offen: Liegt eine gewerbliche Fläche direkt an einem Gewässer? Steht gerade ein Gebäude leer, weil die zuständige Wohnungsbaugesellschaft es saniert? In Fällen wie diesen ermittelt sie die Geschäftsführerin oder den Eigentümer und spricht sie an. „Ich frage dann, ob ein Interesse an Fördermitteln für eine geänderte Investition besteht.“ Ihr Ziel dabei: Möglichst viele sollen bauliche Maßnahmen umsetzen, um Essen zu einer Schwammstadt zu machen.

Ähnlich geht die Biologin und Ökologin bei anderen Orten im Ruhrgebiet vor, um den großen Ballungsraum gegen die Folgen des Klimawandels wie Starkregen oder Hitzestress zu wappnen. Sie arbeitet für die Zukunftsinitiative Klima.Werk, ein Netzwerk der 16 Emscher-Kommunen und der Emschergenossenschaft. Die zugehörige Serviceorganisation unterstützt Kommunen bei der Antragstellung für Förderprojekte und auch bei der gemeinsamen Netzwerkarbeit. Denn das Zusammenwirken über Städtegrenzen hinweg ist noch längst nicht selbstverständlich. Der Zukunftsinitiative ist es aber gelungen, auf dem Feld der Klimafolgenanpassung das Kirchturmdenken abzustellen.

Im Büro und im Außendienst

Für Ulrike Raasch bedeutet dies, auch viel im Büro zu arbeiten und an Besprechungen in den Kommunen teilzunehmen. Dabei bildet sie eine Schnittstelle zwischen den Akteur*innen und den zuständigen Fachbereichen in den Städten, denn das Kooperieren ist für viele eine Hürde. „Ein Klimaanpassungsmanager etwa kann zwar sagen: Wir müssen alle städtischen Dächer begrünen und Bauminseln in die Straßen pflanzen. Aber der arbeitet ja nicht beim Hochbauamt und auch nicht beim Straßenverkehrsamt und hat deshalb keinen direkten Zugriff auf die Flächen.“

Dieses Netzwerken ist ein ganz wesentlicher Teil ihrer ­Arbeit. Dabei geht es nicht nur um kommunale Flächen, sondern auch um Grundstücke und Immobilien von Wohnungsbau- und Gewerbeunternehmen, Kirchen, Privateigentümern und Gemeinschaften. Entweder wird Ulrike Raasch von dort zuständigen Personen angesprochen, die gern etwas zur Schwammstadt beitragen möchten, oder sie geht selbst auf diese zu, um Wissen zu vermitteln und ein Bewusstsein zu schaffen für die Bedeutung der Klima­resilienz.

„Die Menschen müssen erfahren, was machbar ist, warum etwa der Schottergarten nicht wirklich glücklich macht und dass man mit dem Regenwasser auch etwas anderes machen kann, als es in die Kanalisation zu geben.“ Sobald ein Konsens gefunden wurde, unterstützt sie dabei, das Projekt in die Praxis umzusetzen. Auf die passenden Worte und Diplomatie kommt es dabei an: Mal führt sie das Erstgespräch mit dem Hausmeister, mal mit der technischen, mal mit der kaufmännischen Leitung.

„Die überzeugt man ­natürlich alle auf unterschiedliche Art und muss sie dort abholen, wo sie fachlich stehen.“ Gleich über viele Tellerränder schauen zu können, ist eine besondere Herausforderung bei ihren Aufgaben. Ihr Rezept dabei ist die Berufserfahrung, die Fähigkeit, offen auf die Menschen zuzugehen und ihnen zuzuhören. Oft erschließen sich ihr dabei ganz neue Facetten einer vermeintlich schon bekannten Angelegenheit – so lernen alle voneinander.

Gestartet als Exotin

Die Basis für ihren Werdegang legte Ulrike Raasch mit einem Lehramtsstudium der Biologie und Mathematik an der Universität Duisburg-Essen. Als ihre Kommiliton*innen nach dem Ersten Staatsexamen ins Referendariat ausschwärmten, blieb sie an der Hochschule, um noch ein Zusatzstudium in Ökologie zu absolvieren. Über eine ABM-Stelle gelangte sie bereits in ihre heutige Position. Damals, Mitte der 1990er Jahre, gab es nur wenig Stellen in diesem Bereich, der sich noch im Aufbau befand. Inzwischen werden hier wesentlich mehr Fachkräfte gesucht, weil sich das Bewusstsein der Öffentlichkeit in Sachen Umwelt und Klimaschutz seither verändert hat.

Früher war Ulrike Raasch selbst die Exotin in einem von Bauingenieur*innen dominierten Feld. „Es hieß dann immer: Ach, darum können sich ja dann die Baumfuzzis kümmern“, erinnert sie sich schmunzelnd. Heute tummelt sich neben den Ingenieur*innen fast alles in dem rund 20-köpfigen Team, vertreten sind Abschlüsse in Bereichen wie Raumplanung, Landschaftsplanung, Stadtentwicklung, Geografie, Klimatologie. Sogar eine Quereinsteigerin aus der Philosophie ist dabei. Außerdem gehören Sozialwissenschaftler*innen dazu, weil es hier auch um Aspekte wie Umweltgerechtigkeit geht. „Gerade diese Vielfalt und der Austausch machen diesen Job heute so besonders reizvoll.“

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