Vom Archiv auf den Notenständer
Projektmanagement, Prozesse im Blick behalten und dafür sorgen, dass alles läuft bei der Notenausgabe. Das alles und mehr gehört zum Lektorat im Musikverlag.

Vom Archiv auf den Notenständer

Für Musikwissenschaftler*innen oder Musikpädagog*innen ist es ein spannendes Feld: Das Lektorat im Musikverlag ist das Management und die Qualitätssicherung für Notenausgaben, Fachliteratur und digitale Produkte.

Text: Katrin Poese

Musikwissenschaftlerin Julia Rosemeyer arbeitet seit 2006 als Lektorin beim Stuttgarter Carus-Verlag. Foto: Sven Cichowicz

Beim Carus-Verlag in Stuttgart dreht sich seit 50 Jahren alles um Vokalmusik. Das Haus bietet ein großes Sortiment an Chornoten an, außerdem auch Orgelmusik, Instrumentalmusik oder Fachpublikationen sowie pädagogisches Material. Julia Rosemeyer arbeitet dort seit 2006 als Lektorin – inzwischen ist sie stellvertretende Leiterin der Programm-Abteilung. Dennoch hat die studierte Musikwissenschaftlerin weiterhin auch ein klassisches Lektorinnen-Tagesgeschäft zu erledigen.

Gründliches Lesen und die Arbeit mit Texten und Notenmaterial sind zwar der größte Teil, aber eben nur ein Teil ihrer Aufgaben. Der Rest, erklärt Julia Rosemeyer, ist Projektmanagement. Sie ist dafür verantwortlich, dass von der Manuskriptabgabe bis zu den fertigen Produkten alle Schritte gut ineinandergreifen. „Ich muss im Prozess die Strippen zusammenhalten, die verschiedenen Dienstleister, Externen und Abteilungen im Haus rechtzeitig informieren und die Zeitachse bis zum Erscheinungstermin planen.“

Am folgenden Beispiel lässt sich erkennen, dass in einem solchen Arbeitsprozess einige Beteiligte zusammenkommen: Wenn der Verlag das Werk eines verstorbenen Komponisten wie Anton Bruckner herausgeben möchte, muss Julia Rosemeyer zunächst nach einer oder mehreren geeigneten Quellen wie Handschriften oder frühen Drucken recherchieren und Scans davon besorgen, zum Beispiel aus einer Bibliothek.

Dann gilt es, ein*e passende*n Herausgeber*in zu finden: eine Person, die sich mit dem Werk gut auskennt und die alte Handschrift in eine heute verständliche Version überträgt und erklärende Texte dazu schreibt – oft seien das Kirchenmusiker, Chorleiterinnen oder Musikwissenschaftler, berichtet Julia Rosemeyer. Außerdem braucht es externe Dienstleister für den Notensatz und mehrere sogenannte Korrekteur*innen, die das Notenmaterial überprüfen. Die anderen Verlagsabteilungen wie Herstellung und Marketing müssten natürlich ebenfalls einbezogen werden.

Digitale Zusatzprodukte

Zu einem Produkt – also hier dem Werk von Anton Bruckner – gibt es mehrere Artikel: Neben Partitur und Aufführungsmaterial wie die Einzelstimmen für die Notenständer bringt der Carus-Verlag auch CDs und digitale Übehilfen wie eine App heraus. Zwar muss die Lektorin all diese Artikel nicht selbst umsetzen. Doch ihr Job ist es, im Prozess den Überblick zu behalten und sich in die Herausforderungen aller Beteiligten hineinzudenken. „Ich muss grob einordnen können, wie es funktioniert“ – das gilt für die Funktionsweise von Notensatz-Software genauso wie für die Anforderungen im Marketing oder das Programmieren von digitalen Produkten. Einblicke bekommt man im Lektorats-Volontariat, das einer Tätigkeit im Verlag typischerweise vorausgeht.

Für den Arbeitsalltag bedeutet das: Man sollte flexibel mehrere Prozesse nebeneinander bewältigen können. „Ich habe ja nicht nur ein Projekt, sondern mehrere parallele Projekte, die in unterschiedlichen Stadien sind“, erklärt Julia Rosemeyer. Vielleicht hat sie sich für einen bestimmten Tag vorgenommen, das Satzmanuskript abzuschließen, um es an die Abteilung Herstellung weiterzureichen. Dafür hat sie noch einmal alle Angaben der Korrekteur*innen sorgfältig geprüft.

Doch da klingelt beispielsweise das Telefon: Die Herausgeberin eines ganz anderen Projektes hat eine Detailfrage zu dem Text, an dem sie gerade schreibt. Zwischendurch trifft Post von einem Korrekteur ein. Und schließlich kommt vielleicht die Marketingabteilung noch mit der Bitte auf sie zu, die Korrekturfahnen für den nächsten Programmkatalog durchzusehen und zu prüfen, ob die Angaben zu dem neuen Produkt alle richtig sind.

Die Lektorin ist also gleichzeitig Projektmanagerin und Verantwortliche für die Qualitätssicherung. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, muss man Fachwissen zu Repertoire- und Instrumentenkunde aus einem Studium der Musikwissenschaft oder Musikpädagogik mitbringen, genauso wie musikpraktisches Wissen: Für Chor­noten sollte man die Herausforderungen von Chorsänger*innen kennen. Hier kann Julia Rosemeyer auch auf das Wissen ihres Teams zurückgreifen.

Ansonsten braucht ein*e Lektor*in eine kommunikative Ader, ein gutes Sprachgefühl, analytisches Geschick, die Fähigkeit, sich in kurzer Zeit in komplexe Sachverhalte einzuarbeiten sowie gute Nerven bei Termindruck. Geduld, Ausdauer und Fokus sind ebenfalls gefragt. Julia Rosemeyers persönliche Motivation ist, dass ihr Verlag musikalische Werke zugänglich und somit überhaupt erst aufführbar macht: „Eigentlich geht es dabei um die Vermittlung von Musik.“

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