Ernährung im Fokus
Die richtige Ernährung und das Wissen darüber kann viel bewirken und jede Altersgruppe kann davon profitieren. Daher wird das Berufsfeld Ökotrophologie immer präsenter.

Ernährung im Fokus

Ob an Kliniken, in der Medienwelt oder bei Verbänden: Ökotropholog*innen klären in den verschiedensten Einsatzbereichen in Sachen gesundheitsbewusster und nachhaltig gestalteter Ernährung auf. Der Bedarf an Expertise wächst.

Text: Elisabeth Werder

Sich mit Ernährung auseinanderzusetzen, liegt im Trend: Immer mehr Menschen wollen wissen, was genau auf ihrem Teller landet und hinterfragen Herkunft, Inhaltsstoffe und Nährwerte. Der Umsatz von Bio-Lebensmitteln in Deutschland erreichte im Jahr 2021 die neue Rekordsumme von rund 15,87 Milliarden Euro. Demnach hat sich der Umsatz von Lebensmitteln in Bio-Qualität in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Laut Statista ist der spannendste Foodtrend in Deutschland aus Sicht des Handels das Thema Regionalität: Kurze Lieferwege, keine unnötigen Umverpackungen und der Erhalt von Vitaminen durch die kurze Lagerdauer wirken sich positiv auf den Geschmack, die Gesundheit und unsere Umwelt aus.

Wir alle beschäftigen uns täglich zwangsläufig mit dem Thema Ernährung. Das Studium der Haushalts- und Ernährungswissenschaft, auch Oecotrophologie genannt, wurde in den 1960er Jahren entwickelt. Spezifizierungen im Zuge der Bologna-Reform entfallen auf die Ernährungsmedizin, Ernährungstherapie, Ernährungsökonomie oder die Haushaltswissenschaft. Im Studium wird beispielsweise die Ernährungsphysiologie thematisiert, zu der die Fächer Biologie, Physik und Chemie gehören.

Je nach Studienschwerpunkt wählen Studierende Kurse aus der Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Kommunikation oder Beratung. Weil das Studium so vielfältig angelegt ist, eröffnet es diverse Jobmöglichkeiten für Absolvent*innen und qualifiziert vor allem für komplexe Aufgabenstellungen und Schnittstellenpositionen.

Fachkräfte der Oecotrophologie setzen sich auf unterschiedliche Weise für das Thema „gesunde und nachhaltige Ernährung“ ein – etwa in der Ernährungsberatung, der Zertifizierung und Qualitätssicherung, der Produktion oder dem Handel. Potenzielle Arbeitgeber sind, neben dem wirtschaftlichen und medizinischen Sektor, auch Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) oder der Berufsverband Oecotrophologie e.V. (VDOE).

Auch Institutionen wie das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und seine nachgelagerten Behörden bieten Jobs an. Neben einer Festanstellung gibt es für Oecotropholog*innen auch die Möglichkeit, selbstständig zu arbeiten: Zum Beispiel in der Ernährungsberatung und -therapie, als Anbieter*innen ernährungswissenschaftlicher Dienstleistungen oder in der Medienbranche.

Ernährungsthemen kommunizieren

Astrid Donalies machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Diätassistentin und arbeitete zwei Jahre in einer Reha-Klinik für Herz-Kreislauferkrankungen. Im Anschluss entschied sie sich für das Studium der Oecotrophologie in Bonn mit dem Schwerpunkt Haushaltswissenschaften. Parallel zum Studium machte sie Praktika im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. Nach einem Volontariat in der Pressestelle bei einer Bonner Agrarmarketinggesellschaft arbeitete sie dort als Redakteurin, anschließend als PR-Referentin beim Berufsverband VDOE und ist nun als Presse- und Öffentlichkeitsarbeiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung tätig.

Ihr Berufsalltag dort ist vielfältig: „Einen großen Teil meiner Arbeitszeit beantworte ich Presseanfragen rund um die Ernährung und zur DGE. Das heißt Interviews für alle Medienformen geben, Informationen liefern oder bei der Recherche behilflich sein. Daneben organisiere ich die Auftritte der DGE auf Fachveranstaltungen“, erklärt sie. Für die Kommunikationsarbeit in einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft ist aus ihrer Sicht ein Studium, vorzugsweise im jeweiligen Bereich, sinnvoll. Kompetenzen rund um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit könne man auch mit Zusatzqualifikationen und durch die Praxis erwerben. Quereinsteiger*innen in der PR sollten wissen, wie wissenschaftlich gearbeitet wird.

Mit wissenschaftlicher Expertise

„Unser Team ist bunt gemischt: Die Oecotropholog*innen überwiegen; uns alle eint ein Studium, gepaart mit reichlich Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen“, sagt Donalies. Was man nicht erlernen kann und was sie wichtig für ihre Arbeit findet, seien Aufgeschlossenheit und Neugierde auf Menschen, Themen und Trends. „Und es ist wichtig, ein Teamplayer zu sein: In der PR ist immer viel Abstimmung nötig, intern und extern. Dafür braucht es ein ausreichendes Maß an Geduld, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Und natürlich braucht es ein gutes Verständnis, wie Medien und Journalist*innen ticken“, sagt sie.

Die Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit spielen für Astrid Donalies und ihre Kolleg*innen eine zunehmend wichtige Rolle: „Die DGE hat 2021 ein Positionspapier veröffentlicht, um zu zeigen, dass sie eine nachhaltige Ernährung fordert und fördert. Gesundheit ist ein zentrales Ziel einer nachhaltigen Ernährung: Menschen beeinflussen durch das, was sie essen und trinken, ihre Gesundheit, ihre Lebensqualität und ihr Wohlbefinden.

Was vielen nicht bewusst ist: Mehr als 17 Millionen Menschen essen in Deutschland täglich in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung. Dazu gehören zum Beispiel Kindertageseinrichtungen, Schulen, Betriebe, Krankenhäuser und Rehakliniken, Senioreneinrichtungen oder das Essen auf Rädern. Hier ist ein großes Arbeitsfeld für Oecotropholog*innen und Ernährungswissenschaftler*innen – auch bei uns im Haus“, sagt sie.

Aus der Selbstständigkeit an die Klinik

Tina Winkler hingegen war nach ihrem Studium der Oecotrophologie kurze Zeit selbstständig als Ernährungsberaterin tätig. „Ich habe schnell gemerkt, dass mir zum einen die Arbeit mit Erwachsenen nicht so viel Spaß macht – der Leidensdruck ist hier einfach ein anderer – und zum anderen werden einem einige Steine von den Kostenträgern in den Weg gelegt. Die Krankenkassen übernehmen maximal fünf Beratungstermine und bezuschussen diese nur gering. Wenn man seine Kosten decken möchte, muss man viel Eigenbeteiligung von den Patienten dazu fordern. Möglicherweise funktioniert das in Großstädten besser, aber in strukturschwachen Gebieten wie Cottbus ist es als Selbstständige schwierig“, sagt sie.

Mittlerweile ist sie seit zehn Jahren an der Kinderklinik in Cottbus tätig und verantwortet die Ernährungstherapie der gesamten Klinik. Ihre Expertise ist zum Beispiel bei Allergien, Unverträglichkeiten oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen gefragt. „Auch die Onkologie, die Neurologie oder Stoffwechsel­erkrankungen wie Diabetes gehören zu meinem Alltag. Hier in der Kinderklinik Cottbus gibt es außerdem eine Ambulanz für seltene angeborene Stoffwechsel-Erkrankungen, mittlerweile eines meiner Steckenpferde“, erklärt Winkler.

In ihrem Studium der Oecotrophologie hat sie kaum etwas gelernt, was sie in ihrem jetzigen Berufsalltag braucht. Trotzdem war es ein wichtiger Wegbereiter für die jetzige Tätigkeit: „Ich kann mich in unterschiedliche Themengebiete einarbeiten, kenne mich mit Informationsbeschaffung und wissenschaftlichem Arbeiten aus – und diese Fähigkeiten brauche ich täglich. Gerade der medizinische Bereich ändert sich so schnell, da braucht es Flexibilität und die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln.

Beraten und schulen

In ihrem Berufsalltag arbeitet sie gleichermaßen mit Kindern, Eltern und medizinischem Fachpersonal zusammen. „Manchmal beginnt mein Tag mit einem Termin auf einer Station, wo mir vom Arzt vorgegeben wird, was ich mit den Patienten machen soll. Dann spreche ich mit der Familie und schaue, wie der Bedarf ist: Ob wir uns noch öfter sehen und was die nächsten Schritte sein könnten. Alternativ stehen ambulante Termine, zum Beispiel mit Patienten der Tagesklinik, oder Team-Meetings auf dem Programm. Außerdem nehmen wir oft an Fortbildungen teil und schulen regelmäßig hausintern. Wir richten zum Beispiel jährlich ein Ernährungssymposium für externe Fachkräfte wie zum Beispiel Kinderärzte, Hebammen und Ernährungsberater*innen aus“, erklärt sie.

Das Thema Nachhaltigkeit ist für Tina Winklers Beratungen tendenziell zweitrangig: „Bei komplex kranken Kindern ist Nachhaltigkeit nicht der Anspruch an deren Ernährung. Da achtet keine Mutter der Welt darauf, ob die Spezialnahrung in Plastikverpackungen ist oder nicht, das ist auch gar nicht deren Thema. Aber es gibt auch immer wieder Themen wie Adipositas, Fehlernährung oder eine Fütterungsstörung, und da wird schon besprochen, was zum Beispiel überflüssige ­Lebensmittel sind.

Unser Lieblingsspruch für die Eltern lautet: Nichts zu Essen kaufen, was die Urgroßmutter nicht mehr als Essen erkennen würde. Wenn ich jemandem vor 100 Jahren eine Maggi-Tüte hingelegt hätte, hätte derjenige nicht gewusst, was er damit machen soll. Wer das beherzigt, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe und landet in der Regel bei gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln.“ Davon ist Tina Winkler überzeugt.

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