Recherchegespür gefragt
Über Social-Media oder die Website: Über eine gekonnte und gezielte Recherche kann man die möglichen Arbeitgeber*innen oder das Unternehmen besser kennenlernen sowie einschätzen.

Recherchegespür gefragt

Wer sich auf Stellensuche begibt, sollte auch Zeit in die Analyse des Arbeitgebers stecken. Denn aus dessen Social-Media- und Internetauftritten lässt sich einiges ablesen, etwa über die Unternehmenskultur und die Personalführung.

Text: Annika Voßen 

Sich in der Bewerbungsphase ausführlich mit dem möglichen Arbeitgeber zu beschäftigen, bringt zweierlei: Zum einen kann man das eigene Anschreiben besser individualisieren und den Lebenslauf genau auf die ausgeschriebene Stelle anpassen – und so viel besser als Bewerber*in überzeugen. Zum anderen hilft die Analyse einem aber auch dabei zu erkennen, ob der Arbeitgeber überhaupt infrage kommt.

Was bereits eine Stellenanzeige verrät, zeigen wir regelmäßig in unserer Serie Jobs unter der Lupe. Es lohnt sich, mit diesem Lupenblick auch die Eigendarstellung des möglichen Arbeitgebers zu untersuchen: Passt das Unternehmen, die Institution oder Behörde zu meinen Werten, Vorstellungen oder Arbeitsweisen? Dafür braucht es ein gewisses Recherchegespür.

Die Startseite einer Webseite ist das Schaufenster des Vereins, der Behörde oder der Hochschule. Hier sollte der Fokus bei der Analyse zum einen auf der Art der Termine oder Nachrichten liegen, die hier einfließen. Was beschäftigt dieses Unternehmen oder diese Stiftung? Zum anderen kann man die Ansprache analysieren. Wird geduzt oder gesiezt? Wir man locker oder sehr distanziert angesprochen? Ist die Seite der Kreisverwaltung zum Beispiel bürgerfreundlich oder eher von oben herab und verliert sich im Bürokratendeutsch?

Wer sich an die Recherchearbeit macht, sollte auch nach Mitgliedschaften in Netzwerken wie der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ), nach Audits wie Beruf und Familie, nach Auszeichnungen und nach Kooperationspartnern Ausschau halten. Denn hier zeigt sich konkretes Handeln – es geht nicht bloß um schön klingende Floskeln.

Fakten und Unausgesprochenes

Konkret werden Bewerber*innen auf den Karriereseiten angesprochen, die bei vielen Arbeitgebern zu finden sind. Hier wird die Organisationsstruktur, das eigene Selbstverständnis, die Unternehmenskultur beschrieben. Natürlich geht es um eine positive, zum Teil wahrscheinlich auch geschönte Selbstdarstellung. Nicht immer ist klar, ob die getroffenen Leitsätze auch wirklich im Unternehmen gelebt werden. Aber allein, dass sich hier Leitsätze finden lassen – die also nach außen kommuniziert werden – ist eine Aussage.

Wenn die TU Darmstadt auf die Führungsleitlinien verlinkt, die in einem partizipativen Prozess entstanden sind – darunter Wertschätzung, Innovation und Vielfalt – ist das durchaus ein Zeichen modernen Managements. Außerdem findet sich hier folgende Information: „Die berufliche Entwicklung der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen wir in regelmäßigen Jahresgesprächen mit der jeweiligen Führungskraft in den Mittelpunkt.“ Das lässt sich doch sehr gut im Vorstellungsgespräch aufgreifen!

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die unter anderem Akademiker*innen mit wirtschaftswissenschaftlich geprägten Masterabschlüssen sucht, verweist auf ihrer Karriereseite auf Jobmessen, bei denen man die Gelegenheit hat, von den Personaler*innen Informationen zu einem möglichen Einstieg in der BaFin zu erhalten. Die Behörde wagt also die Personalwerbung per Messe. Aufschlussreich ist hier auch, dass der nächste Messeauftritt bei der Sticks & Stones in Berlin ist – laut Eigenwerbung Europas größte Job- und Karrieremesse für Lesben, Schwule, Bi, Trans und Heteros. Zumindest die Personalabteilung macht sich also für Diversität stark.

Bei einer bekannten Stiftung findet man unter der Rubrik „Über uns“ dagegen nich mehr als ein paar kurze Sätze zum Angebot, den verschiedenen Abteilungen sowie den Verweis auf das Architektenehepaar, das das Gebäude entworfen hat. Es ist für Bewerber*in ­interessant, die ­Organisationsstruktur zu kennen, aber über einen möglichen Arbeitgeber hätte man doch gerne mehr erfahren – Schlagwort Transparenz. Aber manchmal ist ja auch aufschlussreich, was man nicht an Informationen findet.

Social-Media-Einblicke

Ein weiteres Steinchen für das Recherchemosaik liefern die Informationen zum Berufsalltag. Wer arbeitet bei diesem Verein oder diesem Gutachterbüro? Was bestimmt das Tagesgeschehen? Auf manchen Webseiten werden die möglichen künftigen Kolleg*innen vorgestellt. Beim Verein Ufuq e.V. zum Beispiel, der gerade nach einem oder einer Bildungsreferent*in sucht, kann man Kurzbiografien der einzelnen Mitarbeitenden durchgehen. Hier sollte man sich die Frage stellen: Passt man in dieses Team?

Weitere ­Einblicke liefern die Social-Media-Auftritte, die oftmals auf den Webseiten der Arbeitgeber verlinkt sind. Gibt es überhaupt Social-Media-Auftritte? Wenn ja, wo? Facebook oder Instagram? Werden also eher ältere oder jüngere Zielgruppen adressiert? Von wann sind die letzten Einträge? Dann zum Inhalt: Was wird gezeigt? Das Regionale Umweltzentrum Schortens e.V. zum Beispiel postete jüngst Bilder aus einer Schule, in der die Fachkräfte einen Klimaschutzworkshop angeboten haben. Hier bekommt man also tatsächlich Einblicke in den Berufsalltag.

Hat man die Recherche abgeschlossen, sollte man anhand der gesammelten Informationen besser einschätzen können, ob sich eine Bewerbung lohnt. Gleichzeitig hat man Input fürs Anschreiben ermittelt und weiß, wo man im Bewerbungsgespräch nachhaken kann. Denn es macht natürlich Eindruck, wenn man zielgerichtete Fragen zum Unternehmen, der NGO oder der Behörde stellen kann.

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