Das böse F-Wort
Bis zur Gleichstellung (in der Arbeitswelt) ist es noch ein langer Weg. Gut ist, dass immer mehr Frauen trotzdem Karriere machen. Das allerdings von ihrem guten Willen abhängig zu machen, kann keine Lösung sein.
Kommentar: Stefanie Schweizer
Frauenpower. Powerfrau. Girlboss. Man kann es nennen, wie man will: All diese Bezeichnungen rollen mir die Zehennägel nach oben. Ausdrücken sollen sie „Kraft, Stärke, Macht der Frauen“ wie der Duden es beispielsweise definiert. Also irgendwie gut gemeint, schließlich werden Begriffe wie Power und Stärke immer noch vor allem Männern zugeschrieben.
Beweisstück A: Die aktuelle Fielmann-Werbekampagne, in der auf Plakaten das Foto eines Mannes mit „Sehstärke“ und das Foto einer Frau mit „Lippenstift. Brille. Fertig“ überschrieben ist. Na ja. Auch das war wohl gut gemeint. So richtig mächtig fühle ich mich dadurch nicht. Auch nicht, wenn mir ein Kollege sagt, dass ich so richtig professionell sei (Was auch sonst?). Oder dass ich eine echte Karrierefrau sei (weil ich Rechnungen zahlen will). Reproduziert wird damit nicht Macht, sondern ein Bild, das auf verschiedenen Ebenen problematisch ist.
Fangen wir mit dem Wichtigsten an: Frauen machen Karriere. Frauen machen Karriere trotz geschlechterbedingter Hürden. Die meisten Männer machen Karriere mit geschlechterbedingten Hürden. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Da braucht man überhaupt nicht zum Gegenspruch ansetzen. Bitte nicht, sonst muss ich hier nämlich anfangen mit Zahlen um mich zu werfen zum Gender Pay Gap, zum Gender Pension Gap, zum Gender Time Gap, zum Gender Care Gap … Sie sehen schon, wo das hinführt.
Und es wäre doch schade, diese wertvollen Zeichen dafür zu vergeuden, gefühlt dies tausend Mal zu erklären, dass es handfeste Zahlen gibt, die zeigen, dass Frauen im Vergleich zu Männern jede Menge extra bewältigen müssen, um auf die gleiche Karrierestufe zu kommen – und dabei habe ich noch nicht mal über klischeebehaftete, sexualisierte und/oder diskriminierende Arbeitsumfelder gesprochen.
Der Gebrauch von Ausdrücken wie Frauenpower und Co. vor dem Hintergrund dieses Kontextes etabliert folgende Gleichung: Diskriminierung plus genug Anstrengung gleich Erfolg. In einer ohnehin auf Leistung und Optimierung gedrillten Gesellschaft ist diese Kombination toxisch. Dann ist es mehr als nur ein Wort, mehr als etwas, was man „halt so sagt“. Es ist die Anerkennung, dass Frauen sich nicht so anstellen sollen und einfach mehr tun müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Wenn es am Ende nicht klappt, mit dem Jobwechsel, der Beförderung, der nächsten Karrierestufe, mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dann ist man einfach zu schwach, nicht Powerfrau genug. That’s it.
Für weibliche Fachkräfte wabern unter diesen Vorstellungen verheißende Möglichkeiten, die eigenen Karriereziele mit der passenden Motivation erreichen zu können – und sie laufen Gefahr, sich in die vollständige Erschöpfung zu powern. Je nachdem, wie viel Frauen neben der Arbeit noch schultern müssen, geht das schneller, als man „Gleichstellung“ sagen kann. Denn Frauen haben ja auch außerhalb der Arbeit mit diskriminierenden Strukturen zu kämpfen, auch intersektionell, also in mehrfacher Hinsicht. Und so manche weibliche Fachkraft übernimmt nach der Arbeit noch unzählige Aufgaben der unbezahlten Sorgearbeit oder der unbezahlten Pflegearbeit. Klar, Männer tun das auch. Keine Frage. Aber bitte auch hier: Die Statistiken. Die Zeichenzahl. Nehmen Sie es jetzt halt einfach so, wie es ist.
Nicht um jeden Preis!
Die meisten der geschlechterspezifischen Ungleichheiten, auch im Arbeitskontext, sind systemisch, das heißt, sie sind im System verankert. Da können weibliche Fachkräfte noch so sehr an sich und ihren Verhandlungstaktiken arbeiten, wenn es einfach eine verdammte Gläserne Decke gibt. Als Frau gilt es damit, zu wählen, welche Kämpfe man in Sachen Gleichstellung im Job (und auch privat) allein, welche man mit juristischer Unterstützung ausficht – und welche Kämpfe man auch einfach nicht antritt. Ja, richtig gelesen.
Ich verstehe schon, dass das nicht so sehr Powerfrau ist, wie uns die Gesellschaft das eingetrichtert hat. Aber mir persönlich ist meine psychische Gesundheit manchmal halt wichtiger als das Bild einer starken Frau mit Karriereambitionen aka Karrierefrau. Gleichstellung mag eine Sisyphos-Aufgabe sein, und ich bin bereit, mich dahinter zu klemmen (bin ja Powerfrau, ne?). Aber selbst Sisyphos wusste, dass, zumindest rein theoretisch, der Stein auch auf dem Berg hätte liegen bleiben können, so rein physikalisch gesehen.
Bei so manchem Kampf in der Gleichstellung im Arbeitskontext bin ich mir aber nicht so sicher, ob es überhaupt eine Spitze gibt, wo ich meinen Fels parken könnte. Ach ja, und nochmal anders angesetzt: Karrieremann, Männerpower oder Powermann – noch nie gehört? Stimmt. Klingt ja auch irgendwie verkehrt. Sie sehen, worauf ich hinaus will.
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