Ziel erreicht
Das Klischee von taxifahrenden Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen verblasst allmählich; mit Karriere werden sie aber immer noch nicht in Verbindung gebracht. Die Kulturmanagerin Jelena Gayk findet, dass sie erfolgreich ist!
Text: Stefanie Schweizer
Die Soziokultur war von Anfang an Jelena Gayks Ziel – und sie hat es erreicht. Seit 2018 arbeitet sie im Stadtteilkulturzentrum Kleefeld, dem Hölderlin Eins. Dabei übernimmt die Kulturmanagerin zahlreiche Aufgaben, die von der Verwaltung und Vermietung der Räume an Ortsgruppen, die Betreuung von Ehrenamtlichen bis hin zur Beauftragung von Reparaturen reicht.
„Meine Hauptaufgabe ist es allerdings, den Stadtteil zu betrachten und zu schauen, wo welcher Bedarf besteht und welche Angebote dafür geschaffen werden können“, erklärt Gayk. Und dafür denkt die Geisteswissenschaftlerin den Begriff Kultur groß: „Wir haben beispielsweise eine Gruppe Ehrenamtlicher, die sich der Müllvermeidung widmet. Das ist dann zwar nicht per se Kultur, aber es geht hier auch ums Zusammenkommen und um den Wunsch des Stadtteils. Wenn ich dann aber abends bei den Veranstaltungen, also bei den Lesungen oder beim Kino dabei bin, ist das wieder Kultur pur.“
Schwieriger Start – klares Ziel
Dass sie Karriere gemacht habe, hat Jelena Gayk schon häufiger gehört. Zwar findet sie sich in dieser Formulierung durchaus wieder, allerdings nicht im konventionellen Sinne, wie es in vielen Wirtschaftszweigen der Fall ist. „Karriere wird oft noch gleichgesetzt mit Berufsfeldern, in denen man viel Geld verdient, es wichtig ist, wie weit man kommt, aber nicht, was genau man macht. Ich finde, ich habe Karriere gemacht, weil ich in einem Bereich gelandet bin, in dem ich gerne arbeiten wollte und Verantwortung übernehme – und dass ich von meinem Job gut leben kann.
Das wird oft als selbstverständlich genommen, ist es in den Geistes- und Sozialwissenschaften aber nicht“, so Gayk. Gelungen ist ihr dieser Karriereweg mit einer Mischung aus Offenheit, Zielstrebigkeit und Lockerheit. Nach dem Bachelor in Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis sowie dem Master in Kulturvermittlung war es zunächst schwer, etwas Passendes zu finden. Schließlich erhielt Jelena Gayk eine Stelle bei der Stiftung Mercator in Essen. Dort saß die Geisteswissenschaftlerin auf der Seite der Förderer, lernte Anträge zu bewerten und den Umgang mit Finanzplänen.
Eine Tätigkeit, die zwar nicht dem entsprach, was Jelena Gayk machen wollte, die sie heute aber als positive Erfahrung bezeichnet: „Der Umzug in eine andere Stadt, mein gewohntes Umfeld verlassen zu müssen, all das war nicht leicht für mich. Als ich dann noch feststellte, das ist gar nicht das, was ich machen will, war es eine große Herausforderung, all diese negativen Gefühle gegenüber dem Nutzen, den mir die Stelle brachte, abzulegen.“
Mit der Annahme der Koordinierungsstelle Sport und Geflüchtete, angegliedert an den VfL Eintracht Hannover e.V., gelingt Jelena Gayk jedoch der Schritt zurück in die Heimat – und außerdem gewinnt sie ein Stück Nähe zu den Menschen, denen sie ihre berufliche Zeit widmen möchte. „Bei Mercator habe ich gemerkt, dass mir das zu weit weg vom Eigentlichen ist. Ich will direkt bei der Umsetzung von Projekten dabei sein, nicht nur beim Prozess davor“, so Gayk.
Zeitgleich zu dieser Tätigkeit streckte die Geisteswissenschaftlerin ihre Fühler auch in Richtung ihres Wunscharbeitsbereichs, der Soziokultur, aus. Sie bewirbt sich sowohl initiativ als auch auf offene Stellen, bis es eines Tages mit einer auf vier Monate befristeten Teilzeitstelle im Stadtteilzentrum Ricklingen klappt.
Sich ins Gespräch bringen
Jelena Gayk nahm die Stelle in Ricklingen zusätzlich zu ihrer Tätigkeit im Bereich Sport an. Eine Entscheidung, die sie für ihre heutige Position als Türöffner bezeichnet: „Meiner Meinung nach war die Tatsache, dass ich bei der Bewerbung auf meine jetzige Stelle die vier Monate vorweisen konnte und sozusagen im Netzwerk war, mit ausschlaggebend dafür, dass ich genommen wurde.“
Deshalb rät sie Fachkräften, die die Soziokultur als Karriereziel haben, auf sich aufmerksam zu machen – auch, wenn gerade keine Stelle ausgeschrieben ist. „Wir bekommen beispielsweise E-Mails aus anderen Häusern oder aus dem Netzwerk, wo sich jemand vorstellt und sagt, ich will dieses und jenes Projekt umsetzen. Das kommt gut an, weil wir immer nach neuen Ideen und Projekten suchen“, so Gayk.
Und wenn es dann auf den ersten Versuch doch nicht direkt klappen sollte, rät die Kulturmanagerin anderen Geisteswissenschaftler*innen auf dem Weg zum Karriereziel zur Gelassenheit, denn es gehe darum, das Handwerk zu erlernen und dieses in andere Arbeitsbereiche übertragen zu können.
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