Nur Akten wälzen?
„Wo war denn nochmal Formblatt B3?“ Manche Klischees sind nicht ganz von der Hand zu weisen, dennoch dreht sich nicht alles nur um Formalia.

Nur Akten wälzen?

Danke des verstaubte Image des öffentlichen Dienstes haben nicht viele das Karriereziel "Kommunalverwaltung" vor Augen. Dabei machen sich Fachkräfte hier auch für Kultur, Umwelt und Co. stark.

Text: Janna Degener-Storr 

Vorschriften beachten, Akten wälzen, Formulare stempeln und dann pünktlich Feierabend machen – das sind wohl die gängigen Klischees, die viele Berufseinsteiger*innen mit dem Arbeiten in der Stadtverwaltung verbinden. Johanna Volk jedenfalls war nach ihrem Bachelor in Museologie und ihrem Master in Kulturwissenschaften zunächst skeptisch, ob sie sich auf einer Stelle in der Kommune wohlfühlen würde. Heute kann sich die 32-Jährige kaum einen besseren Arbeitsplatz vorstellen.

Die gebürtige Frankfurterin ist seit knapp drei Jahren im Kulturdezernat ihrer Heimatstadt als Referentin für die Freie Kulturszene tätig. Das heißt: Als Mitarbeiterin im Dezernatsbüro begleitet sie Entscheidungen auf politischer Ebene im Hinblick auf die Freie Szene und konzipiert, koordiniert und kommuniziert Projekte von übergeordneter Bedeutung in ihrem Arbeitsbereich.

Dazu hält sie den Kontakt zu lokalen Künstler*innen und spricht mit ihnen über ihre Probleme und Bedürfnisse – immer auch in enger Zusammenarbeit mit dem Kulturamt. Johanna Volk erstellt aber auch Pressemitteilungen, bereitet Termine der Dezernentin vor, schreibt Stellungnahmen zu Themen in ihrem Bereich oder Reden, die etwa bei der Eröffnung von neuen Ausstellungen gehalten werden. Sie kann ihre tägliche Arbeit sehr frei gestalten, ist ständig im Kontakt zu spannenden Menschen, darf ihre Projekte begleiten und weiß deshalb, was die Kultur in ihrer Heimatstadt bewegt.

Und: Sie hat feste Arbeitszeiten, darf ihre Überstunden abfeiern, bekommt Weihnachtsgeld und könnte bei Bedarf Kinderkrankentage in Anspruch nehmen. Wenn sie irgendwann einmal Lust bekommen sollte, einen anderen Bereich der Kommunalverwaltung kennenzulernen, kann sie sich aus dieser komfortablen Situation hinaus intern auf freie Stellen bewerben. „Mit meinem geisteswissenschaftlichen Studium hätte ich nie gedacht, dass ich mich jobtechnisch mal so sicher fühlen würde“, sagt sie.

Lange Wege

Allerdings, gibt Johanna Volk zu, manchmal werden die gängigen Vorurteile gegenüber der langsamen Verwaltungsbürokratie auch bestätigt. Häufig unterscheiden sich auch die Arbeitsstile der Mitarbeiter*innen, die beispielsweise eine Ausbildung oder ein duales Studium in der Verwaltung absolviert oder bereits langjährige Erfahrung in der Stadtverwaltung haben, von dem der Kolleg*innen aus den Kultur- und Geisteswissenschaften.

„Wie auch in größeren Unternehmen, hat hier alles seinen vorgeschriebenen Weg und seine Vorgaben. Und wenn es zu einem Thema noch kein Formular gibt, dann kann es schon mal länger dauern“, erzählt Volk und gibt ein Beispiel: „Wenn wir für die Stadtverordnetenversammlung einen Bericht zu einem bestimmten Thema schreiben, muss der anschließend natürlich geprüft und in die richtige Form gebracht werden. Dazu gibt es feste Abläufe und Formulare. Als Mitarbeiterin, der diese Vorgänge anfangs neu waren, musste ich mich da erst mal einarbeiten. Ganz zu Beginn meiner Tätigkeit mussten Kolleg*innen schon das ein oder andere glattbügeln. Hier prallen in der Kommunalverwaltung zwei Welten aufeinander, was seine fruchtbaren Seiten haben kann.“

Langeweile? Von wegen!

Auch Angela Makowka genießt die Vorteile einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst – inklusive Arbeitsplatzsicherheit und Tarifvertrag mit vielfältigen Arbeitszeitmodellen, betrieblicher Altersvorsorge und allem, was dazugehört. Auch sie hätte als Studentin nie damit gerechnet, dass sie später einmal in einer Kommunalverwaltung arbeiten würde. Und doch ist sie als diplomierte Biologin seit rund zwanzig Jahren bei der westfälischen Stadt Greven für Umwelt- und Klimaschutzaspekte der Stadtentwicklung und Stadtplanung zuständig – und sehr zufrieden damit.

Zu Ihren Aufgaben gehört es unter anderem, Eingriffsbilanzen und Umweltberichte für Bebauungspläne zu erstellen und Kompensationsflächen ­anzulegen, also für ökologische Ausgleichsflächen zu sorgen, wenn durch eine Baumaßnahme Flächen verschwinden. Sowohl bei der Bauleitplanung als auch bei der Erarbeitung und Umsetzung des Grünkonzeptes der Stadt spielt zudem der Artenschutz eine wichtige Rolle.

„Wenn ein Bauprojekt ansteht, sehe ich mir beispielsweise an, welche Biotoptypen in dem Gebiet vorkommen, um dann nach einem landesweit eingesetzten Modell die erforderliche Kompensation zu berechnen und eine geeignete Ausgleichsmaßnahme umzusetzen. Beispielsweise durch die Umwandlung von Acker in Grünland, die Anlage von Blühstreifen oder die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern“, erklärt sie. „Wenn wir ein Büro für den Umweltbericht oder eine Artenschutzprüfung beauftragen, gebe ich meine Stellungnahme dazu ab.“

Außerdem ist sie Projektleiterin für den European Energy Award, ein europäisches Qualitätsmanagement- und Zertifizierungssystem für Nachhaltigkeit und die Energie- und Klimaschutzarbeit von Gemeinden. Gerade die Vielfalt der Aufgaben und Themen ist es, die der Biologin Freude macht. Neben einem Klimaschutzmanager, der sich um das Thema Mobilität, die Öffentlichkeitsarbeit, Umweltpädagogik an Schulen und Kitas sowie verschiedene Einzelmaßnahmen kümmert, ist Angela Makowka die einzige Ansprechpartnerin zu dem Themenfeld Natur und Umwelt in der Grevener Verwaltung.

Grüne Fachkräfte wie Angela Makowka werden für kommunale Verwaltungen aber zunehmend wichtiger – schließlich müssen die Städte umdenken, um klimaneutral zu werden, so dass Themen wie Begrünung, Wasserflächen und alternative Verkehrskonzepte eine steigende Bedeutung haben.

Geisteswissenschaftler*innen wie Johanna Volk, aber auch Sozialwissenschaftler*innen finden nicht nur in der Kultur, sondern natürlich auch in der Kommunikation, etwa in der Pressestelle, vielfältige Stellen. Und der Soziale Bereich bietet zum Beispiel für Sozialpädagog*innen und Psycholog*innen Perspektiven, etwa in den Gesundheitsämtern. Unbefristete Stellen sind hier keine Seltenheit, und sogar Verbeamtungen sind in Einzelfällen möglich. 

Expertise gefragt

Wie Akademiker*innen in Städten und Kreisen von ihrer fachlichen Expertise profitieren können, zeigen die Beispiele von Johanna Volk und Angela Makowka. Die Kulturwissenschaftlerin muss im Beruf – genau wie in ihrem Studium – viel und professionell schreiben. Im Studium hat Johanna Volk zudem viel in interdisziplinären Projekten gearbeitet, was ihr heute dabei hilft, sich auf die vielfältigen Menschen und ihre Sichtweisen einzustellen, denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Kulturdezernat begegnet. 

Kommunikative Kompetenzen braucht aber auch eine Naturwissenschaftlerin in der Kommunalverwaltung. „Wer hier arbeitet, hat viel mit Bürgern und Bürgerinnen zu tun, etwa wenn Themen in Ausschüssen vorgestellt oder Bürgerversammlungen durchgeführt werden. Und wenn die Öffentlichkeit beteiligt ist, muss man auch immer mal wieder schwierige Diskussionen führen“, betont Makowka. Aus ihrem Studium bringt die Biologin vor allem ihre Artenkenntnisse und ihr Verständnis für Zusammenhänge der Natur mit.

Alle Themen rund um Stadtentwicklung, Stadtplanung und das Arbeiten der Kommune hat Angela Makowka sich dagegen im Selbststudium beziehungsweise mithilfe von Fortbildungen angeeignet. „Anfangs ist es besonders wichtig zu erfahren, welche rechtlichen Grundlagen berücksichtigt werden müssen“, sagt sie. Seit den Kontaktbeschränkungen durch die Corona-Pandemie gewinnen zudem auch die digitalen Kompetenzen an Bedeutung – nicht nur, weil Konferenzen online stattfinden, sondern auch weil der Dialog mit und die Beteiligung von Bürger*innen an bestimmten Verfahren zunehmend im Netz stattfinden sollen. 

Vom Studium in die Verwaltung

Um jungen Akademiker*innen den Einstieg zu erleichtern, bieten einige Kommunalverwaltungen Trainee- und Nachwuchsförderprogramme an. Aber Studienabsolvent*innen können sich auch direkt auf ausgeschriebene Stellen bewerben, wobei sie sich nicht auf die Stellenbezeichnung allein verlassen sollten. Denn häufig werden die Fachkräfte hier als „Referent*in“ oder „Assistenz“ eingestellt, mancherorts arbeiten Akademiker*innen in Kommunalverwaltungen auch als „Sachbearbeiter*in“, während diese Bezeichnung andernorts ausschließlich für einfachere und schlechter bezahlte Tätigkeiten verwendet wird. Erfahrungen und Kontakte, etwas aus Praktika, können natürlich durchaus hilfreich sein, sind aber keine Voraussetzung für einen Quereinstieg. 

Johanna Volk war nach dem Studium zunächst bei einer Agentur in Berlin tätig, die Veranstaltungen an der Schnittstelle von Stadtentwicklung und Kultur organisierte und unter anderem einen Kongress in Frankfurt am Main ausrichtete, an dem auch das Stadtplanungsamt beteiligt war. Als die Kulturwissenschaftlerin dann aus privaten Gründen in ihre Heimatstadt zurückkehren wollte, half ihr eine Empfehlung, zunächst als freie Mitarbeiterin für ein Öffentlichkeitsprojekt des Kulturdezernats zu arbeiten. Kurz darauf wurde sie dann dort eingestellt. „Dezernate sind politisch geführt. Es ist daher nicht unüblich, dass der Stab der Dezernent*innen auch aus Menschen zusammengesetzt wird, die nicht bei der Stadt selbst ausgebildet wurden“, so Volk. 

Als Angela Makowka ihr Studium vor dreißig Jahren abschloss, gab es kaum Stellen für Biolog*innen. Viele ihrer ehemaligen Kommiliton*innen entschieden sich, als Berater*innen für Pharmaunternehmen tätig zu werden – für Angela Makowka war das keine Option. Sie bekam dann zunächst eine befristete Stelle als Leiterin einer Kompostierungsanlage, wo sie bereits Kontakte zur Kommunalverwaltung hatte. Nach drei Jahren im dortigen Umwelt- und Grünflächenamt wechselte sie zu ihrem heutigen Arbeitgeber. Sie empfiehlt angehenden Umweltschutzkräften, im Studium zunächst den eigenen Interessen zu folgen und anschließend eine dazu passende Stelle zu suchen.

„Jede Kommune ist anders. Auf den Internetseiten der einzelnen Städte und Kreise kann man nachlesen, welchen Leitlinien eine Kommune folgt, wo die Schwerpunkte liegen und welche Fachkräfte in welchen Abteilungen gebraucht werden. Und dann kann man überlegen, wo man sich wiederfindet. „Allerdings sollte man bedenken, dass die Ausrichtung des Verwaltungshandelns in einer Stadt stark durch die politischen Entscheidungen im Rat bestimmt wird. Mit neuen politischen Mehrheiten in einer Stadt können sich auch die Schwerpunkte des Verwaltungshandelns ändern, das muss einem klar sein, wenn man in eine Verwaltung geht.“

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