Outplacement: Trennung ohne Rosenkrieg
Betriebsbedingte Kündigungen bringen alle Beteiligten in eine schwierige Lage. Ein Outplacement kann dabei helfen, dass die Verabschiedung für alle fair und sozial ist.
Text: Elisabeth Werder
Termination should end the job, not the person – Eine Entlassung soll das Beschäftigungsverhältnis, aber nicht die Existenz beenden. Dieser Gedanke liegt dem Prinzip von Outplacement zugrunde: Vom Arbeitsplatzverlust bedrohte Mitarbeiter*innen finden mit Unterstützung des derzeitigen oder ehemaligen Arbeitgebers eine neue berufliche Perspektive.
Diese Dienstleistung ist in Deutschland eigentlich schon lang etabliert, sagt Claudia Michalski. Sie ist Vorstandsmitglied des Fachverbandes Outplacementberatung im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) sowie Geschäftsführende Gesellschafterin der OMC OpenMind Management Consulting GmbH in Berlin.
„Trotzdem musste ich auf Partys, als vor der Pandemie noch welche stattgefunden haben, immer erklären, was ich beruflich genau mache – denn viele kennen Outplacement überhaupt nicht“, erklärt Michalski. Entstanden ist Outplacement nach dem zweiten Weltkrieg in den USA, als die heimkehrenden Soldaten in den Arbeitsmarkt integriert werden wollten. Heute gibt es in Deutschland etwa 60 spezialisierte Outplacement-Beratungsunternehmen und 120 Consulting-Unternehmen, die auch Outplacement-Beratungen anbieten.
Struktur und Qualität
Eine Outplacement-Beratung folgt in der Regel einem strukturierten Plan, der aus mehreren Schritten besteht. „Ein professionelles Outplacement ist kein einzelnes Bewerbungstraining in Form eines Wochenend-Seminars oder einer Weiterbildung. Es wird zwar manchmal so genannt, um sich an den schönen Begriff anzulehnen, aber die meisten professionellen Anbieter grenzen sich klar davon ab“, sagt Michalski.
Der BDU hat eine Richtlinie mit Grundsätzen der Outplacement-Beratung verfasst; die Mitgliedsunternehmen des Fachverbands haben sich diesen verpflichtet. Eine vom BDU beauftragte Erhebung hat 2020 analysiert, wie verbreitet Outplacement in Deutschland ist: 59 Prozent der Klient*innen kommen aus Großunternehmen und Konzernen (ab 1.000 Mitarbeiter*innen), 37 Prozent aus mittelständischen Unternehmen (100 bis 1.000 Mitarbeiter*innen) und 4 Prozent aus Kleinunternehmen (bis 100 Mitarbeiter*innen).
Outplacement wird branchenübergreifend eingesetzt, die Beratungen werden vor allem von Führungskräften und Leitenden in Anspruch genommen. Bei Einzelberatungen liegt die Erfolgsquote nach einem Jahr bei 91 Prozent, bei Gruppen-Beratungen bei 87 Prozent.
Wertschätzende Trennungskultur
Dr. Bernd Blessin, Personalleiter und CCO bei der VPV Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft (VPV) sowie Mitglied im Präsidium des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM), weiß um die Wichtigkeit einer wertschätzenden Trennungskultur: „Ganz im Sinne unserer Werte Fairness und Transparenz wollen wir auch Trennungsprozesse mit größtmöglicher Fairness, Ehrlichkeit, Offenheit und Respekt begleiten. Mit Outplacement habe ich seit mindestens Anfang der 2000er sehr gute Erfahrungen gemacht.“
Outplacement ist für ihn das „i-Tüpfelchen“, welches eine unternehmensseitig beabsichtigte Trennung abfedern kann, weil es über die Abfindung hinausgeht. „Das Angebot ist keine Gießkanne für alle Mitarbeiter*innen und Führungskräfte, sondern wird nur in bestimmten Fällen angeboten. Es gibt große Unterschiede bei den Kosten: Für Fachkräfte reicht ein Budget zwischen 3.000 und 5.000 Euro, bei Geschäftsführern oder Leitenden sprechen wir eher von 25.000 bis 50.000 Euro“, sagt Blessin.
Vorteile für beide Seiten
Menschen, die beraten werden, finden schneller in einen neuen Job. „Sie sind besser aufgestellt, haben optimierte Bewerbungsunterlagen, werden zu mehr Gesprächen eingeladen und werden durch die enge Begleitung auch psychisch gut aufgefangen“, fasst Michalski die Vorteile von Outplacement für Mitarbeitende zusammen.
„Der Arbeitsplatzverlust kann eine große psychische Belastung sein, weshalb unsere Berater*innen ausschließlich von systemisch ausgebildeten Coaches mit eigener Führungserfahrung in unterschiedlichen Branchen durchgeführt werden.“ Ihrer Erfahrung nach kommen 70 Prozent der Kandidat*innen in gleichwertig oder höher bezahlten Positionen unter.
Auch Arbeitgeber*innen profitieren: „Üblicherweise ist eine scheidende Mitarbeiterin schneller bereit, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, wenn damit eine Perspektive einhergeht und sie auf dem Weg aus dem Unternehmen nicht allein gelassen wird“, sagt Michalski. Eine einvernehmliche Lösung beschleunigt den Prozess, erreicht Trennungsfrieden und zeugt davon, dass der Arbeitgeber seine soziale Verantwortung erkennt und wahrnimmt. Deshalb ist Outplacement gerade im Hinblick auf Employer Branding sehr vorteilhaft.
Unternehmen, die sich überlegen, ihren scheidenden Mitarbeiter*innen Outplacement anzubieten, sollten sich laut Bernd Blessin zwei Fragen stellen: Was genau möchte ich erreichen und was ist es mir wert? Als Personaler weiß er, dass die Beratungen eine gute Entlastung für die Fachbereiche sein können. „Wenn Stellen abgebaut werden, Standorte schließen müssen oder Unternehmensteile aufgelöst werden, kostet das in der Regel viel Zeit und Geld.
Outplacement kann diese Prozesse abkürzen und vereinfachen – das Geld ist dann gut investiert.“ Seit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2020 sind Outplacement-Beratungen zudem für ausscheidende Arbeitnehmer*innen als steuerfreie Leistungen einzuordnen. Tatsächlich hat Bernd Blessin jedoch auch schon Mitarbeiter*innen erlebt, die das Angebot eines Outplacement abgelehnt haben. Gründe für die Ablehnung sieht er in verletztem Stolz oder der Scham darüber, sich helfen zu lassen. „Eine nicht ganz triviale Hürde ist auch das erste Informationsgespräch. Über diese Schwelle müssen die Mitarbeiter*innen aktiv gehen und sich anschließend für eine Beratung entscheiden“, sagt Blessin.
Closed Job
Obwohl das Outplacement vom (ehemaligen) Arbeitgeber finanziert wird, erfährt dieser nichts darüber, was bei dem Coaching besprochen wird oder welche Bewerbungen geschrieben werden. „Das Einzige, was wir am Ende tun, ist die Rechnung zu bezahlen – ansonsten ist das ein closed job“, erklärt Blessin. Die VPV arbeitet mit festen Anbietern zusammen. Die scheidenden Mitarbeiter*innen wählen eine Outplacement-Beratung davon aus.
„Es ist häufig der Fall, dass sich Unternehmen in Form von Rahmenverträgen an bestimmte Berater*innen binden“, weiß Michalski. Sie beobachtet derzeit aber auch zunehmend den Trend, dass in Aufhebungsverträgen ein Budget festgelegt wird und die Wahl der Beratungsstelle unabhängig erfolgt.
Bestenfalls beginnt die Beratung, sobald ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin weiß, dass er oder sie das Unternehmen verlassen wird oder freigestellt ist. „Das ist der Königsweg, denn dann kann man den Übergang möglichst glatt gestalten und von außen merkt man gar nicht, dass eine Beratung stattgefunden hat. Die Beratung erfolgt in der Regel diskret, das ist nichts, was man in sein LinkedIn-Profil schreibt“, sagt Michalski.
Ihrer Erfahrung nach mündet eine Outplacement-Beratung nicht selten in die Selbstständigkeit. „Das Ziel ist nicht die Vermittlung, sondern eine gute Positionierung und das Finden einer neuen Perspektive für den Arbeitnehmer“, erklärt sie.
Es gibt sogenannte Garantie-Beratungen, die so lange andauern, bis ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde und optional die Probezeit begleiten. Kostengünstigere Alternativen sind befristete Pakete, die den Prozess zum Beispiel für ein halbes Jahr oder neun Monate begleiten.
Hilfe zur Selbsthilfe
Eine Outplacement-Beratung ist eine ganzheitliche Angelegenheit. „Der erste Schritt ist eine ausführliche Standortbestimmung: Wo stehe ich persönlich und beruflich, wo möchte ich hin, was sind meine Motivatoren und meine Werte? Dieser Prozess kann Wochen oder auch Monate dauern, aber er ist essenziell für das, was danach kommt“, sagt Michalski. Nicht jede Führungskraft möchte weiterhin in leitender Position tätig sein, manchmal wünschen sich Klient*innen mit langjähriger Betriebszugehörigkeit einen Branchenwechsel.
Gemeinsam mit der Beraterin oder dem Berater werden Stärken herausgearbeitet und Karrierepläne verfasst. Der nächste Schritt ist die Strategie zur Selbstvermarktung. Gemeinsam wird festgelegt, welche Bewerbungsstrategie passend ist. Themen wie die Optimierung des eigenen Web-Auftritts, die Präsentationsfähigkeit und die richtige Vorbereitung und Durchführung von Vorstellungsgesprächen stehen hier im Mittelpunkt.
Erst dann folgt die Vermarktungsphase mit der konkreten Suche nach einer neuen Position. Hier muss unterschieden werden zwischen dem offenen Stellenmarkt, also ausgeschriebenen Stellen, und dem verdeckten Stellenmarkt.
Bei letzterem werden Positionen durch Netzwerk-Kontakte vergeben, Personalberater*innen werden aktiv, oder man bewirbt sich initiativ. „Welcher Stellenmarkt in Frage kommt, hängt von der hierarchischen Stufe ab: Geschäftsführerstellen werden in der Regel nicht offen ausgeschrieben“, weiß Michalski.
Trennungsgespräche führen
Bei der VPV werden nicht nur scheidende Mitarbeiter*innen, sondern auch die Führungskräfte, die die Entlassung aussprechen, optional mit einem Outplacement-Coaching unterstützt. „Dabei werden Rahmenbedingungen wie die Vor- und Nachbereitung des Trennungsgesprächs, das „Trennungspaket“ und die nächsten Schritte thematisiert“, erklärt Blessin. Bei manchen Anbietern ist das Coaching der Führungskraft im Outplacement inkludiert.
Obwohl das Angebot für Outplacement nicht nur altruistische Gründe hat, ist es für Bernd Blessin das, was am meisten Gewicht hat: „Nichts ist schöner als von Ehemaligen zu hören, dass es zwar hart war zu gehen, aber alles fair und zur beidseitigen Zufriedenheit gelaufen ist und neue Chancen ergriffen werden konnten.“
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