„Beschreiben Sie sich selbst!“
Im Vorstellungsgespräch stehen viele Kandidat*innen unter Strom, gute Antworten zu liefern. Auf Standardfragen wie „Beschreiben Sie sich selbst” kann man sich dabei gut vorbereiten.

„Beschreiben Sie sich selbst!“

Viele Menschen fürchten diese Aufforderung und fragen sich, was der Arbeitgeber damit bezweckt. Die Antwort: Er möchte sie kennenlernen. Deshalb gilt: Ehrlich sein, aber überlegt reagieren und ruhig mal in die Offensive gehen.

Text: Michael Fehrenschild

Vorstellungsgespräche sind für fast alle Jobsuchenden eine herausfordernde Situation. Bereits der Gedanke, vor einer völlig fremden Person über sich selber zu reden, führt bei vielen Menschen schon Tage vorher zu schlaflosen Nächten. Denn die Wahrscheinlichkeit, den anvisierten Arbeitsplatz zu bekommen, hängt stark vom eigenen Verhalten in einem kurzen, intensiven Termin ab. Dabei kann ein einziger Fehler schon das Aus bedeuten. Und Personaler*innen machen es Bewerber*innen in einem solchen Meeting oft wirklich nicht leicht.

Aufforderungen wie: „Nennen Sie bitte drei Ihrer Stärken und Schwächen!“ oder auch: „Wenn Ihr bester Freund Sie beschreiben würde, was würde er mir erzählen?“, können fast jeden aus dem Konzept bringen. Routiniers können ihr Gegenüber zudem auch mit eher unkonventionellen Fragen durcheinander bringen. Überraschungen wie: „Was war Ihre größte Niederlage, was der schönste Erfolg?“, befinden sich im Repertoire von manchen erfahrenen Interviewer*innen. Eins dürfen Kandidat*innen zudem generell nicht vergessen: Ihre Gesprächspartner*innen können diese Treffen fast so frei gestalten wie sie wollen.

Ein paar Regeln gibt es schon: So ist es zum Beispiel nicht erlaubt, sich zu erkundigen, wo Bewerber*innen politisch stehen oder ob demnächst Kinder geplant sind. Aber was Stärken und Schwächen betrifft, sind fast alle Fragen denkbar. Die Möglichkeiten für Interviewer*innen sind deswegen so variabel, weil es ihr Job ist, schnell Charakterbilder zu entwickeln. Und dabei helfen die mitunter irritierenden persönlichen Fragen. 

Der erfahrene Personalmanager Ralf Groß-Heitfeld von der NRW. BANK versucht immer herauszubekommen, ob jemand in das Unternehmen und dessen Kultur passt. Entsprechend geht er die Treffen mit Bewerber*innen an: „Eine banale Frage stelle ich mir immer: Würde ich gerne mit diesem potenziellen Kollegen zusammenarbeiten? Ich habe eine Stunde Zeit, das herauszufinden und mir ein konkretes Bild von der Person zu machen.“ Sein Hauptinteresse sind dabei die Stärken und Schwächen seines Gegenübers.

Die Noten der Abschlüsse spielen weniger eine Rolle. Denn wer zum Vorstellungsgespräch in die Bank eingeladen wird, erfüllt die formalen Anforderungen, und die Noten und Qualifikationen sind entsprechend gut. Aber das ist eben nicht alles. Die Person muss sich auch in das Unternehmen einfügen. „Wenn Menschen nicht zu uns passen, fühlen sie sich oft nicht wohl“, so Groß-Heitfeld. Und das schadet immer beiden Seiten. 

Vorab analysieren

Bewerber*innen sollten sich gut vorbereiten. Bevor sie im Gespräch blindlings losplappern oder nach der ersten direkten Frage dichtmachen, sollten Jobaspirant*innen ihre Lage analysieren. Dazu gehört etwa: Welche Stärken brauche ich eigentlich konkret in dem Job, für den ich mich gerade bewerbe? Habe ich die überhaupt? Wenn es um eine solche Selbsteinschätzung geht, ist es immer ein guter Tipp, nahestehende Menschen nach ihrem Urteil zu fragen. Freunde und Familie können oft überraschende Antworten geben.

Hinzu kommt aber auch: Menschliche Eigenschaften sind nicht statisch und daher auch nicht für alle Situationen gleich gut oder schlecht. Ein forsches und selbstbewusstes Auftreten beispielsweise kann in manchen Jobsituationen enorm hilfreich sein. Sensibilität aber auch. Verfüge ich über beides? Ob etwas eine Stärke ist oder nicht, hängt zudem von der Aufgabe ab, die einen erwartet. So können zum Beispiel politisches Denken und soziales Engagement für Sozialpädagoginnen oder Lehrer von großem Vorteil sein. Aber kommt es darauf auch so sehr für  Verwaltungsangestellte an? 

Umweltbewusstsein wiederum ist für Jobs im Naturschutz unverzichtbar – als Lektorin oder Psychologe stehen andere Eigenschaften im Vordergrund. Es gibt also keine eiserne Regel, was richtig und was falsch ist. Menschen sollten daher auch selbstkritisch in sich gehen. Kann ich meine Stärken hier aktiv einbringen? Bin ich sicher, dass sie auch wirklich gebraucht werden? Und kann ich vielleicht sogar Schwächen einräumen, ohne mich sofort komplett aus dem Rennen zu schießen?

Eine Faustregel dabei ist: Keine Angst! Ehrlichkeit macht fast immer sympathisch. Viele Arbeitgeber*innen mögen das. Eigene Stärken sollten aber trotzdem nicht so betont werden, dass es wie Angeberei wirkt. Und zu ihren Schwächen sollten Menschen zwar stehen, aber sie auch nicht zu sehr in den Vordergrund rücken. Ein schwieriger Spagat, der Sensibilität und Flexibilität erfordert.

Wirklich motiviert?

Ein großes Interesse an der Persönlichkeit von Bewerber*innen aus Arbeitgebersicht bestätigt auch Ralf Groß-Heitfeld: „Ich möchte vor allem wissen, wie jemand selber über eigene Stärken und Schwächen reflektiert. Viele Menschen stellen sich nicht die Frage, wie sie auf andere wirken. Wir brauchen aber keine Leute, die sich nur um sich selber drehen. Ich versuche daher auch zu erfahren, wie Bewerber*innen in Konfliktsituationen agieren, denn die kommen früher oder später.“ Personalmanager*innen wie Ralf Groß-Heitfeld wissen genau, was das Unternehmen braucht und wie man Mitarbeitende mit den „richtigen“ Eigenschaften findet.

Dazu gehört noch mehr als nur der Blick auf die Stärken und Schwächen. „Ich will wissen, was den Menschen, der mit mir spricht, antreibt, wo seine Motivation liegt und wie er oder sie tickt“, erläutert Groß-Heitfeld. Er geht die Gespräche immer neugierig an, studiert den Lebenslauf, um Auffälliges sowie Ungewöhnliches zu finden und gestaltet jedes Treffen anders. Wenn er beispielsweise sieht, dass ein*e junge*e Bewerber*in ein Jahr im Ausland war, versucht er die Gründe dafür herauszubekommen.

Hat sich die Person das selbst gewünscht oder trieben etwa die Eltern sie an? In solchen Gesprächen über den bisherigen Lebensweg kann er erfahren, ob die Person Eigeninitiative besitzt oder eher nur so tut. Trotzdem betont Ralf Groß- Heitfeld: „Ich suche eine Diskussion auf Augenhöhe und will mein Gegenüber nicht aushorchen.“ Darauf muss man sich einstellen.

In Vorstellungsgesprächen merken Personalerinnen und Personaler schnell, ob jemand die Unwahrheit von sich gibt. Neben offenen Lügen sind es vor allem auswendig gelernte Floskeln, die die Chancen auf den Jobzuschlag erheblich schmälern. Kompetente Personalmanager*innen wollen die Bewerber*innen authentisch kennenlernen und keine Worthülsen vorgesetzt bekommen. Ralf Groß-Heitfeld erklärt: „Floskeln, wie 'Meine größte Schwäche ist meine Ungeduld', interessieren mich nicht. Damit will jemand in Wahrheit indirekt eine Stärke betonen.“

Und erst recht ist Vorsicht beim Flunkern geboten! Der Personal-Manager dazu: „Ein erfahrener Interviewer merkt sofort, ob jemand eine Rolle spielt. Wer nicht glaubwürdig ist, ist draußen.“ Bewerber*innen sollten aber, vor allem, wenn es um Schwächen geht, auch auf ihre Wortwahl achten. „Ich bin vor Gruppen manchmal etwas schüchtern“ klingt besser als „Ich kriege die Zähne vor Menschen nicht auseinander“. Manche Schwächen kann man auch umdeuten. Dann klingt es noch freundlicher: „Ich bin zwar ab und an etwas schüchtern, kann aber besonders gut zuhören.“ 

Nach vorne gehen

Aber können Bewerber*innen noch mehr tun, als sich im Vorfeld mit den möglicherweise auf sie zukommenden Fragen zu beschäftigen? Eine Chance ist, beispielsweise selbst in die Offensive zu gehen, etwa Fragen vorwegzunehmen und so im Gespräch die eigene Rolle zu beeinflussen. Das sieht auch der Bewerbungsexperte Ralf Groß-Heitfeld so und rät: „Ich würde immer mal zurückfragen: Was erwarten Sie denn von einem neuen Mitarbeiter, was kennzeichnet Ihre Unternehmenskultur? Wie ist das Führungsverhalten hier, wie geht man mit Defiziten um? Ein solches Verhalten kennen die meisten Personaler*innen nicht.

Wer als Bewerber*in selbst weiß, wo die eigenen Stärken oder Schwächen liegen, sollte Fragen dazu stellen und so das Gespräch aktiv mitgestalten. Der Vorteil ist, dass dann ein Dialog entsteht.“ Und der findet dann eher auf Augenhöhe statt, als wenn Bewerber*innen ängstlich und passiv auf unangenehme Fragen warten. Der Personalmanager empfiehlt weiter: „Es ist gut, über sich selber zu reden. Sogar eine Reflexion über das eigene Leben schadet nicht. Wenn ein Mensch über seine Motivation und seinen Antrieb spricht, dann lasse ich ihn erzählen. Denn genau das will ich ja wissen. Es geht dabei immer auch um die Frage: Wie sind Sie das geworden, was Sie heute sind?“

Ralf Gross-Heitfeld hat aber noch einige zusätzliche Empfehlungen für Bewerber*innen parat. Die formalen Dinge in den Bewerbungsunterlagen müssen einfach stimmen. Und: Im Gegensatz zu den USA wird hierzulande selten an nützliche Referenzen gedacht. Auch ist es von Vorteil, sich im Internet über das Unternehmen und mögliche Gesprächspartner*innen zu informieren.

Zu wissen, wer auf einen wartet, ist immer gut. Aber vor allem sollten Bewerber*innen in Vorstellungsgesprächen folgenden Ratschlag von Ralf Groß-Heitfeld beherzigen: „Die Menschen sollten so natürlich auf Fragen reagieren, wie sie können und sich so geben, wie sie sind. Und vor allem: Sich im Gespräch hinter Floskeln zu verstecken, nutzt nichts.“

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