Quereinstieg bei Banken und Versicherungen
Absolvent*innen der Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften begutachten beispielsweise Umweltschäden, betreuen den Bereich Corporate Social Responsibility oder arbeiten in sogenannten Digi-Labs.

Quereinstieg bei Banken und Versicherungen

Auch Naturwissenschaftler*innen und Geisteswissenschaftler*innen finden Berufsperspektiven bei Banken und Versicherungen.

Text: Anja Schreiber

Banken und Versicherungen sind für Akademiker*innen attraktive Arbeitgeber – auch wenn sie einen geistes-, sozial- oder umweltwissenschaftlichen Studiengang absolviert haben. Natürlich sind Wirtschaftswissenschaftler*innen und Jurist*innen besonders gefragt, aber auch Quereinsteiger*innen haben zunehmend Chancen. Ein klassisches Aufgabenfeld für Naturwissenschaftler*innen ist die Tätigkeit als Sachverständige. So sind in der Versicherungsbranche zum Beispiel Geograf*innen, Geolog*innen oder Biolog*innen tätig.

Sie begutachten ganz unterschiedliche Umweltschäden wie etwa durch Sturm oder die Kontamination von Böden. Sie ermitteln und bewerten aber nicht nur Schäden, sondern sind auch dafür zuständig, sie zu beheben. Solche Expert*innen können auch in der Beratung versicherungswilligen Unternehmen helfen, die nötigen Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz zu definieren und zu schaffen.

Fachexpertise gefragt

Ein weiteres Aufgabengebiet für Naturwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen bei Versicherungen ist das Produktmanagement. Dabei stehen die Produkte in direkten Bezug zu ihrem Studienabschluss. Es kann sich dabei zum Beispiel um Agrarversicherungen oder Gartenbauversicherungen handeln. Darüber hinaus sind naturwissenschaftliche Kompetenzen immer wieder bei der Marktforschung und bei der qualifizierten Kundenbetreuung nützlich.

Gerade Rückversicherungsunternehmen bieten sich als Arbeitgeber für Naturwissenschaftler*innen an. Sie haben grundsätzlich einen hohen Bedarf an Spezialist*innen aus den unterschiedlichsten Disziplinen, da sie Versicherungsunternehmen gegen Großrisiken wie etwa Naturkatastrophen versichern. Es wundert deshalb nicht, dass Rückversicherer selber eigenständig Klimaforschung betreiben. Dafür wird die Expertise von Geolog*innen, Biolog*innen und Klimaforscher*innen gebraucht.

Die Fachexpertise von Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ist aber auch bei Banken vonnöten. „Sie arbeiten zum Beispiel in der Produktentwicklung, aber auch im Risikomanagement“, berichtet Ulf Grimmke, Leiter Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik beim Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes (AGV Banken). Ihr spezieller Sachverstand ist beim Umwelt- und Sozialrisikomanagement, aber auch bei nachhaltigen Anlagen gefragt. Diese erlangen immer größere Bedeutung.

Das primäre Ziel des Umwelt- und Sozialrisikomanagements ist es, das eigene Unternehmen zu schützen. So sollen zum Beispiel Kosten vermieden oder reduziert werden. Für solche Aufgaben kommen zum Beispiel Absolvent*innen aus den Bereichen Umweltwissenschaft, Bildung, Gesundheit und Wirtschaftsgeografie infrage. Außerdem bietet die Digitalisierung Jobchancen. So unterhalten viele Banken eigene Digi-Labs, in denen nicht nur internationale Mitarbeiter*innen aus vielen verschiedenen Nationen, sondern auch vollkommen unterschiedliche Professionen zusammenarbeiten, erklärt Ulf Grimmke.

Aufgabengebiet CSR

Ein klassisches Aufgabengebiet für Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaftler*innen ist der Bereich der Corporate Social Responsibility (CSR) – des Engagements für Gesellschaft und Umwelt. Dort sind die Expert*innen zum Beispiel für die Nachhaltigkeitsberichte, die (Weiter-)Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie sowie deren Umsetzung zuständig.

Dieses CSR-Management bei Banken und Versicherungen ist eine Querschnittsfunktion, die auch einen stark kommunikativen Charakter hat. Denn es geht zum Beispiel darum, die unternehmenseigene CSR-Strategie an die verschiedenen Abteilungen zu kommunizieren und in ihnen zu verankern. Wichtiger als der Hochschulabschluss sind deshalb häufig Kenntnisse und Erfahrungen im CSR-Bereich sowie Kommunikations- und Teamfähigkeit.

Zu den Ressorts mit einem vergleichsweise hohen Anteil von Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler*innen gehören natürlich die Pressestellen und Marketingabteilungen. Auch die Expert*innen für Online-Marketing und Social Media Management zählen dazu. Für Bewerber*innen mit einem abgeschlossenen Studium im Bereich ­Kommunikationswissenschaften oder Publizistik, aber auch aus anderen Geistes- und Kulturwissenschaften sind diese Abteilungen attraktiv.

Sie sollten aber erste praktische Erfahrungen in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder im (Online-)Marketing mitbringen. Und es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Arbeitsbereiche, in denen Quereinsteiger*innen arbeiten können. Ulf Grimmke: „Ich kenne eine Diplom-Forstwirtin, die bei einer Bank als Personalerin arbeitet.“

In diesem Bereich finden sich auch Absolvent*innen der Psychologie, Pädagogik oder Sozialwissenschaften. Eine andere Möglichkeit sind die Aus- und Weiterbildungsabteilungen der Unternehmen. „Hier wird zum Beispiel die Mitarbeit von Pädagog*innen benötigt“, erklärt Grimmke. Im betrieblichen Gesundheitsmanagement können Leute arbeiten, die Gesundheits- oder Sportwissenschaften studiert haben.

Traineeprogramme als Chance

Traineeprogramme sind eine gute Möglichkeit, in die Finanzbranche einzusteigen. Diese richten sich nämlich nicht – wie man vermuten könnte – ausschließlich an Wirt­schaftswissenschaftler*innen und Jurist*innen. „Auch Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaftler*innen können teilnehmen, wenn sie Interesse am Bankwesen haben“, berichtet Grimmke. Diese Traineeprogramme dauern zwischen sechs und 24 Monate. Die meisten gehen über ein Jahr, vermitteln Fachkenntnisse und führen die Trainees in verschiedenen Abteilungen ein.

„Gerade in Bewerbungsverfahren für Traineestellen wird viel Wert auf Kommunikationsfähigkeit sowie auf eine moderne und agile Arbeitsweise gelegt.“ Mit diesen Fähigkeiten könnten Quereinsteiger*innen ganz besonders punkten. „Im Zuge des Digitalisierungsprozesses werden Projekt- und Prozessmanagement immer wichtiger.“ Da gerade hier viele Geistes- und Kulturwissenschaftler*innen theoretisches Wissen und praktische Erfahrungen haben, sieht Ulf Grimmke für diese Bewerber*innen durchaus Chancen.

Entscheidend sei aber das inhaltliche Interesse am künftigen Tätigkeitsbereich. „Der Lebenslauf der Bewerber*innen sollte dieses belegen.“ Das kann durch Praktika und Werkstudententätigkeiten genauso nachgewiesen werden wie durch eine betriebswirtschaftliche Weiterbildung. Im Idealfall lässt sich im Lebenslauf ein roter Faden erkennen, der ihre Bewerbung im Finanzsektor sinnvoll erscheinen lässt.

Manche Kreditinstitute werben sogar ganz offensiv um Quereinsteiger*innen, so etwa die Sparkassen-Finanzgruppe. Sie schreibt auf ihrer Website, dass die Einstellung und Persönlichkeit der Bewerber*innen zum Unternehmen passen sollte. Bankspezifisches Wissen in den Fächern Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Rechnungswesen könnten die Quereinsteiger*innen nachholen.

Grundsätzlich gibt es verschiedene Wege, Wissen aus dem Bereich „Banken und Finanzen“ nachzuholen. Es muss nicht gleich ein teurer „Master of Business Adminis­tration“ sein. So bietet etwa die Deutsche Versicherungsakademie Zertifikatslehrgänge für Quereinsteiger*innen der Versicherungsbranche an.

Mit Soft Skills und Interesse punkten

Doch handfestes wirtschaftswissenschaftliches Wissen ist das eine. Viel wichtiger sind Soft Skills. Denn von Mitarbeiter*innen bei Banken und Versicherungen wird Vertrauenswürdigkeit und Diskretion erwartet. Auch Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke sind wichtig – ob nun intern oder im Kundenkontakt. Gefragt sind auch Organisationstalent, Detailgenauigkeit, analytische Fähigkeiten und selbstständiges Arbeiten.

Natürlich sollten auch Nicht-Banker*innen Interesse an Zahlen sowie an der Wirtschaft im Allgemeinen und dem Bankwesen oder der Versicherungsbranche im Besonderen haben. Am besten beschäftigen sich Bewerber*innen aus eigener Motivation mit den Themen, die in der Branche gerade aktuell sind. Das können nachhaltige Investments oder die Coronakrise aus Sicht der Finanzbranche sein.

Neben der persönlichen Lektüre von Artikeln, Studien oder Büchern sind Besuche von (Online-)Events sinnvoll, die einzelne Unternehmen veranstalten. Diese bieten sich an, um mit Unternehmensmitarbeiter*innen über inhaltliche Fragen ins Gespräch zu kommen und so ganz nebenbei einen persönlichen Eindruck zu hinterlassen.

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