Kultur und Corona: Ringen um das Lebenswerk
Seit 2007 leitet Martina Steimer das Bonner Pantheon. Corona hat das Lachen und den Applaus des Publikums aus dem Haus vertrieben, aber das Theater nicht verstummen lassen.
Text: Christine Sommer-Guist
Der Einstieg ins Theaterleben begann an einem Wuppertaler Brunnen. Da traf sich die Jugend- und Punk-Szene der späten 1970er Jahre und mittendrin Martina Steimer, eine junge Frau aus bürgerlichem Hause, neugierig auf Menschen und auf das Leben. Eines Tages bat sie ein Freund um einen Gefallen, der sie in „Die Börse“ führte. Das soziokulturelle Zentrum war damals auf der Suche nach jemanden, der sich in kaufmännischen Dingen auskannte.
Als Absolventin der Höheren Handelsschule und der Fachschule für Sozialpädagogik kam Martina Steimer gerade recht. Sie brach ihr Studium zur Waldorfpädagogin ab, stieg in den Kulturbetrieb ein und fand sich kurze Zeit später in der Position, Künstler*innen einzuladen und das Programm der Börse zu gestalten. Sie tauchte immer tiefer in die Kulturszene ein, gründete eigene Theater und landete schließlich im Bonner Pantheon. Die Entscheidung, für die bekannte Kabarettbühne zu arbeiten, hat sie nie bereut. „Ich wurde in Bonn mit offenen Armen empfangen“, erinnert sie sich an ihre Anfänge als künstlerische Leiterin.
Als solche hat sie mehr mit eher grundlegenderen Tätigkeiten zu tun, als ihre Berufsbezeichnung es vermuten lässt. „Zu meinen Aufgaben gehört die Programmgestaltung ebenso wie die kaufmännische Leitung des Betriebes und natürlich auch die Veranstaltungsbetreuung. Die Tage beginnen mit Büroarbeit und führen über die Vorbereitung der abendlichen Show zur Begrüßung und Verabschiedung der Künstler*innen. Im Theater ist normalerweise jeder Tag anders. Das macht es so schön und abwechslungsreich.“
Plötzlich im Vakuum
Doch seit März 2020 ist nichts mehr normal. Auch nicht im Pantheon. Martina Steimer ist wie alle in Kurzarbeit, aber dennoch oft im Haus, kümmert sich um Blumen, Fördertöpfe und mögliche Einnahmequellen. Ausgelastet oder zufrieden ist sie, die sonst gerne 60 Wochenstunden arbeitet, nicht.
Sie vermisst die Welt, „die eigentlich immer stressig, aber auch so erfüllend“ ist. „Es ist, als würde man plötzlich in ein Vakuum fallen. Der Schreibtisch kann nicht ersetzen, was die Arbeit im Theater so besonders macht, das Adrenalin, der Applaus, die Menschen, das ist alles weg.“
Zum Glück hat das Pantheon im Moment keine finanziellen Sorgen. „Aber nicht arbeiten zu können, stellt die Existenz in Frage! Da nützt es nichts, am staatlichen Geldhahn in Form von Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen zu hängen. Noch glauben wir, dass die Menschen darauf hinfiebern, schnell wieder in die Theater zu kommen, aber wenn diese Untätigkeit noch ewig anhält, weiß man nicht, wie viele es sich mit Netflix auf der Couch eingerichtet und die Live-Kultur verdrängt haben.“
Sie glaubt aber an die eigene Kraft und Kreativität, „dass nach der momentanen Katastrophe kleine, flexible, selbstbestimmte und engagierte Betriebe gute Chancen haben, sich wieder am Markt zu behaupten.“ Und flexibel ist das Pantheon und seine Leiterin! Sie organisiert auf Zuruf Veranstaltungen im Haus, stellt es dem WDR für Aufzeichnungen zur Verfügung, organisiert Live-Streams und Mode-Shootings und führt Pressegespräche. „Wir sind regelmäßig in den Medien und sozialen Netzwerken aktiv, halten das Theater im Gespräch und verbreiten Zuversicht, dass es bald weitergeht.“
Weitergehen kann es ihrer Meinung nach jedoch nur analog: „Theater ist altmodisch, wir sind es auch. Nichts geht über den direkten Kontakt und die unmittelbare Emotion. Deshalb senden wir zwar manchmal Streams, aber das wird nicht die Zukunft unserer Arbeit sein. Ein Theaterbesuch hat immer eine soziale Komponente – unter Menschen sein, sich austauschen, die ganz spezielle Atmosphäre fühlen… Dagegen kommt die digitale Welt nicht an. Und das ist auch gut so!“
Vorbereitung für den Neustart
Glauben an Sinn und Sinnlichkeit des Theaters zum Trotz kommen aber auch Ängste auf. „Im ersten Lockdown haben viele angerufen und sich erkundigt, wie sie uns unterstützen können, was mit ihren Tickets ist, wann es wieder losgeht. Jetzt ruft kaum noch jemand an. Es macht sich eine tiefe Resignation breit“, stellt Martina Steimer besorgt fest und kämpft dagegen an:
„Ich mache meine Arbeit weiter so gut wie möglich, halte das Team bei der Stange. Zu viele haben schon den Beruf gewechselt, weil sie resigniert haben. Ich will aber dafür sorgen, dass das Pantheon ein attraktives Programm hat – ab dem Tag, an dem wir wieder öffnen dürfen. So ein Theater ist ein Lebenswerk, das lässt man doch nicht einfach sterben!“
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