Trotz Distanz Nähe schaffen
Digitale Bewerbungsgespräche sind eine zusätzliche Hürde auf dem Weg zum Job, denn hier ist es schwieriger den Arbeitgeber von sich zu überzeugen – unmöglich ist es aber auch nicht.

Trotz Distanz Nähe schaffen

Bewerber*innen schneiden in digitalen Vorstellungsgesprächen schlechter ab als bei Jobinterviews vor Ort, zeigt eine aktuelle Studie. Eine zwischenmenschliche Beziehung digital aufzubauen, ist aber nicht unmöglich.

Text: Sabrina Jaehn

Personaler*innen sind in Online-Bewerbungsgesprächen kritischer; Jobkandidat*innen gelingt es weniger, mit ihren Leistungen zu überzeugen. So lauten Ergebnisse einer Studie von Psycholog*innen der Universität Ulm. Ein ziemlich ernüchterndes Fazit angesichts dessen, dass coronabedingt aktuell die meisten Vorstellungsgespräche ins Netz verlagert werden.

Schmälert das jetzt neben der schwierigen Wirtschaftslage noch zusätzlich die Jobchancen? Nicht unbedingt. Entscheidend sei nämlich zunächst einmal, dass Arbeitgeber einen einheitlichen Kurs fahren – entweder digital oder analog. Das sei die Grundlage, um tatsächlich vergleichbare Befragungen durchführen zu können, so die Studienverantwortlichen. 

Weniger Gespür

Für die Untersuchung wurden 114 Auswahlinterviews mit Studierenden geführt – 57 als persönliches Gespräch, 57 via Videokonferenz. Die Auswertung zeigt, dass identische Antworten der Studierenden digital kritischer von den Interviewer*innen aufgenommen wurden als im analogen Gespräch. Gleichzeitig machen studienbegleitende Befragungen der Proband*innen deutlich: Digital gibt es weit weniger Möglichkeiten für das sogenannte „Impression Management“. Der Fachbegriff meint soziale Techniken, mit denen wir unser Gegenüber von uns überzeugen wollen.

Es fällt uns der Studie zufolge also schwerer, unsere eigenen Stärken hervorzuheben oder mit Blickkontakt und freundlichem Lächeln den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin für uns zu gewinnen. Ein Grund: Die soziale Präsenz wird von den Interviewten digital weniger intensiv wahrgenommen als im persönlichen Gespräch. Ihnen fehlt infolgedessen das Gespür für die richtige Taktik im Vorstellungsgespräch. Zur Orientierung tragen auch scheinbar banale Dinge bei wie der Händedruck bei der Begrüßung, das Angebot eines Kaffees … Elemente auf der Beziehungsebene, die Nähe aufbauen und sich virtuell nur schwerlich ersetzen lassen. 

Die fehlende körperliche Präsenz lässt sich zwar nicht aufheben, dennoch gibt es ein paar Stellschrauben, mit denen sich die eigene Präsentation am Bildschirm verbessern lässt. Der erste Schritt: Man sollte sich vor Augen halten, dass die Kommunikation digital anders funktioniert als analog und wissen, was sich verändert.

Zum einen kommt die technische Ebene hinzu: Neben einer stabilen Internetverbindung, passender Beleuchtung und eines guten Bildausschnitts mit vorzeigbarem Hintergrund sei hier vor allem auf die bildgebende Komponente verwiesen – die Kamera. Sie sollte nicht nur scharfe Bilder liefern, sondern möglichst mittig auf Augenhöhe angebracht sein.

Daran sollte man insbesondere denken, wenn man mit einem zusätzlichen Bildschirm arbeitet, die Kamera aber möglicherweise im danebenstehenden Laptop montiert ist. Blickt man daran vorbei auf den großen Bildschirm, wird man es niemals schaffen, sich gegenseitig „in die Augen“ zu schauen. Torpediert werden diese Bemühungen auch, wenn die Abbildungen der Ansprechpartner*innen am rechten oder linken Bildschirmrand zu sehen sind.

Ebenso kann das eigene Abbild zu regelmäßigen Kontrollblicken verführen und die Augen nach links oder rechts wandern lassen. Ein Trick ist hier, die einzelnen Videofenster mittig oben am Bildschirm unter der Kamera zu fixieren. Auf diese Weise lässt sich der Blickkontakt und damit die hergestellte Verbindung zu den Personaler*innen leichter aufrechterhalten.  

Auf den Punkt: Elevator Pitch 

Ebenso gilt es, die Ansprechpartner*innen mit dem, was und wie man es sagt, tatsächlich zu erreichen. Virtuelle Gespräche werden häufig als anstrengender empfunden als der direkte persönliche Austausch. Umso wichtiger ist daher eine klare, deutliche Artikulation mit gut gesetzten Pausen und Betonungen. Punkten lässt sich darüber hinaus mit einer knackigen, durchdachten Selbstpräsentation.

Dafür bietet sich der Elevator Pitch an. Ging es hier ursprünglich amerikanischen Vertriebler*innen darum, während einer Aufzugfahrt Chef*innen oder Kund*innen innerhalb von circa 60 Sekunden von einer Idee oder einem Produkt zu überzeugen, lässt sich die Methode heute ebenso im digitalen Vorstellungsgespräch anwenden.

WILA Bildungszentrum: 
Das passende Seminar zum Thema "Digitale Vorstellungsgespräche und wie Sie sich gut vorbereiten" findet am 3. Mai 2021 statt. 

Der Aufbau folgt hierbei der sogenannten AIDA-Formel: Die Aufmerksamkeit des Arbeitgebers gewinne ich gleich zu Beginn mit einer neuen Info oder einer spannenden These (Attention) – zum Beispiel: „Die Corona-Pandemie lässt unsere Innenstädte aussterben? Ich habe eine Marketingstrategie entwickelt, mit der wir gemeinsam dem Ladensterben die Stirn bieten.“ Anschließend gilt es, das Interesse zu wecken und deutlich zu machen, was mich von meinen Mitbewerber*innen unterscheidet (Interest). Ist das geklärt, führe ich den potenziellen Chef*innen vor Augen, wie sie zukünftig von mir profitieren und rege somit ihr Verlangen an (Desire). Abschließend fordere ich zu einer Handlung auf à la „Darum sollten Sie mich einstellen!“ (Action). 

Mit dieser Methode liefert man nicht nur, dem Medium angemessen, in kompakter Form relevante Infos, sondern lässt die Personaler*innen aufhorchen, und man kann das Gespräch durch bewusst gesetzte Themen ein Stück weit selber führen. Wer sich durch Selbstanalyse, intensive Beschäftigung mit dem Arbeitgeber und einem Blick auf die technischen Besonderheiten auf das digitale Vorstellungsgespräch vorbereitet, kann auch über hunderte Kilometer hinweg sein virtuelles Gegenüber erreichen und überzeugen. Es braucht jedoch etwas Übung, um digital Distanzen zu überwinden.

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