Abgemahnt! Und nun?
Bei einer unrechtmäßigen Abmahnung kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auffordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Abgemahnt! Und nun?

Die Abmahnung ist der blaue Brief der Arbeitswelt. Den Sachverhalt sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgehend dokumentieren und am besten mit professioneller Hilfe prüfen.

Interview: Stefanie Schweizer

Die Fachanwältin Nadja Häfner-Beil leitet den Bamberg-Standort der AfA Rechtsanwälte. Foto: AfA Arbeitsrecht für Arbeitnehmer

WILA Arbeitsmarkt: Was ist eine Abmahnung?
Nadja Häfner-Beil: Eine Abmahnung ist eine Rüge des Arbeitgebers, mit welcher er darauf aufmerksam macht, dass er ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers künftig nicht dulden will. Es soll das Verhalten also weniger sanktioniert werden als vielmehr eine künftige ‚Anleitung‘ gegeben werden, wie sich der Mitarbeiter nach Auffassung des Arbeitgebers zu verhalten hat. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich für jeden Vertragspflichtverstoß abmahnen. Das kann eine Kleinigkeit sein, wie geringfügige, nicht ausdrücklich gestattete Privatnutzung des Internets oder aber auch ein erheblicher Pflichtverstoß wie ständiges Zu-Spät-Kommen oder sogar ein Diebstahl.

Wann ist eine Abmahnung rechtskräftig?
Zunächst muss der Arbeitnehmer ausreichend klar für sein Verhalten gerügt werden (Rügefunktion). Ferner muss der Arbeitnehmer ausdrücklich davor gewarnt werden, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung droht (Warnfunktion). Letztlich soll die Abmahnung für beide Seiten das bemängelte Verhalten detailliert dokumentieren (Dokumentationsfunktion).

Unabhängig von diesen drei Funktionen und den sich daraus ergebenden formellen Anforderungen – klare Sprache, deutliches Aufzeigen, was gerügt wird, korrekte Angabe von Tag und anderen Umständen des Fehlverhaltens, Hinweise auf weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen und so weiter – muss das Fehlverhalten natürlich auch begangen worden sein. Auch muss der Arbeitnehmer das Verhalten beeinflussen können. Eine Beschimpfung aufgrund des Tourette-Syndroms ist beispielsweise nicht steuerbar und damit gar nicht abmahnungsfähig.    

"Im Wiederholungsfall – also nach einer Abmahnung – kann dann gegebenenfalls schon gekündigt werden."

Welche Konsequenzen können durch Abmahnungen entstehen?
Umso schwerwiegender der Pflichtverstoß ist, desto gravierendere Folgen kann die Abmahnung haben. Bei erheblichen Pflichtverstößen, wenn also keine Einsicht des Arbeitnehmers erkennbar ist oder bei groben Verletzungen, kann bei erneutem, aber bereits abgemahntem gleichen Verhalten die Kündigung drohen – gegebenenfalls sogar eine außerordentliche Kündigung.

Es gibt auch ein ‚Google-Gerücht‘, das besagt, ein Arbeitnehmer könne erst nach drei Abmahnungen gekündigt werden. Dies ist absolut unzutreffend. Es reicht juristisch eine Abmahnung, um dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, dass das abgemahnte Verhalten nicht geduldet werden wird. Im Wiederholungsfall – also nach einer Abmahnung – kann dann gegebenenfalls schon gekündigt werden.

Wie kann man sich gegen eine unrechtmäßige Abmahnung wehren?
Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber auffordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, und er kann auch eine Gegendarstellung schreiben, die zur Personalakte genommen werden muss. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer damit nicht zufriedengeben. Es kann auch vor dem Arbeitsgericht durchgesetzt werden, dass eine unrechtmäßige Abmahnung aus der Personalakte komplett zu entfernen ist.

Der Arbeitnehmer kann aber auch erst einmal gar nichts machen und warten. Wenn der Arbeitgeber dann in der Folgezeit eine Kündigung ausspricht und sich dabei auf die bereits erfolgte Abmahnung stützt, kann diese im dann folgenden Kündigungsschutzklageprozess immer noch angegriffen werden. Das ist häufig taktisch nicht die schlechteste Option.

Kann bei einem unbefristeten Vertrag auch ohne Abmahnung die Kündigung folgen?
Ja. Allerdings wird bei Greifen des Kündigungsschutzgesetzes aus verhaltensbedingten Gründen nur schwer ohne Abmahnung ordentlich gekündigt werden können. Anders ist dies bei einer Kündigung aus anderen Gründen, wie etwa betriebsbedingt. Hier braucht es keine Abmahnung. Auch eine außerordentliche Kündigung ist regelmäßig möglich, wenn ein derart wichtiger Grund vorliegt, dass das Einhalten der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist. 

"Mitarbeiter sollten auch versuchen, nicht persönlich zu reagieren."

Welchen Tipp haben Sie für Beschäftigte, die eine Abmahnung erhalten haben?
Der zugrunde liegende Sachverhalt sollte zeitnah aufgeschrieben werden, idealerweise mit der Angabe, welche Kollegen oder Dritte den Vorfall mitbekommen haben oder bestätigen können. Naturgemäß verblasst die Erinnerung an solche Details recht schnell. Sie können aber in gerichtlichen Verfahren sehr wichtig sein. Mitarbeiter sollten auch versuchen, nicht persönlich zu reagieren. Wichtig ist die Beratung zum weiteren Vorgehen durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder die Gewerkschaft, um keinen Fehler zu machen.

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