Glaube trifft Karriere
Nicht jeder Job für einen religiösen Arbeitgeber ist an eine Konfessionszugehörigkeit geknüpft. Ob es die braucht, richtet sich auch nach den Aufgaben.

Glaube trifft Karriere

Nicht nur Priester, Pfarrerinnen oder Rabbiner beschäftigen sich mit religiösen Fragen. Fachkräfte mit Know-how in Glaubensfragen werden sowohl in religiösen als auch in weltlichen Organisationen gebraucht.

Text: Stefanie Schweizer 

Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt suchte kürzlich eine*n Sachbearbeiter*in: Teamfähig und belastbar sollte die Person sein, Eigeninitiative und Einsatzbereitschaft mitbringen – ebenso wie ein abgeschlossenes Studium der Islamwissenschaften. Denn bei der ausgeschriebenen Stelle handelte es sich um eine Tätigkeit im Bereich Gefahrenabwehr und Strafverfolgung politisch motivierter Kriminalität. Expertinnen und Experten der Islam- oder Religionswissenschaften im Polizeidienst sind mittlerweile keine Seltenheit mehr.

Sie arbeiten häufig an der Schnittstelle von religiösen Glaubensfragen und demokratischem Recht. Sie analysieren Daten und Situationen mit Blick auf religiöses Wissen; sie unterstützen im Live-Monitoring bei polizeilichen Einsätzen; sie bewerten Internetpräsenzen; sie gleichen polizeiliche Erkenntnisse ab und präsentieren Ergebnisse in Gutachten vor Gericht.

Neben einem Abschluss in Islamwissenschaften, islamischer Theologie oder Religionswissenschaften sind für Stellen wie die ausgeschriebene beim LKA Sachsen-Anhalt oftmals auch Sprachkenntnisse gefragt. So wurden in der Anzeige unter anderem sehr gute Arabischkenntnisse und auch „gute Kenntnisse einer weiteren für das Aufgabengebiet relevanten Sprache (z. B. Türkisch, Kurdisch [Kurmanci, Sorani], Farsi, Dari, Paschtu oder Urdu) in Wort und Schrift“ gefordert. 

Kernkompetenz Religion und Glaube

Nicht nur die Polizei, sondern auch andere Einrichtungen von Bund und Länder bieten verschiedene Tätigkeiten für Absolventinnen und Absolventen von Studiengängen mit religiösen Inhalten, die aber auch Bewerber*innen aus anderen Fachbereichen offenstehen. Das zeigt zum Beispiel eine Ausschreibung der Deutschen Zentralen Fachbibliothek für Technik und Naturwissenschaft im Bereich Bestandsentwicklung und Metadatensuche.

Zu den Aufgaben zählt unter anderem die Betreuung des Fachreferats für Religionswissenschaft. Bewerben können sich laut Ausschreibung aber Absolvent*innen jeglicher Geisteswissenschaft. Das Psychosoziale Zentrum ESRA in Österreich hingegen suchte für die Behandlung von durch die NS-Verfolgung traumatisierten Menschen eine*n Psychotherapeut*in mit Hebräischkenntnissen.   

Ob psychologische, seelsorgerische oder lebenshelferische Unterstützung: Das Arbeitsfeld Beratung ist weitläufig und kommt daher als Einsatzmöglichkeit für Fachkräfte der Religionswissenschaft und Theologie, aber auch der Religionspädagogik, der sozialen Arbeit und der Diakoniewissenschaften infrage.

Mögliche Tätigkeiten reichen von der Betreuung von Familien mit Migrationsgeschichte bei Amtsgängen, der Organisation von Netzwerken der Nachbarschaftshilfe bis hin zur Unterstützung Jugendlicher beim Bewerbungsprozess. Das mag mit Glaube und Religion auf den ersten Blick nichts zu tun haben.

Die Unterstützung der oder des Nächsten in verschiedensten Lebensbereichen ist jedoch unter anderem im christlichen Glauben ein zentraler Wert, sodass sozialarbeiterische Aspekte wie diese häufig zum Aufgabenbereich offener Stellen zählen, vor allem, wenn sie von kirchlichen oder kirchennahen Trägern ausgeschrieben werden. Dazu zählen neben Organisationen wie der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die in Deutschland über 230.000 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., der deutsche Caritasverband und die Diakonie. 

Einstellungskriterium Konfessionszugehörigkeit

Auch kirchliche Diözesen stellen potenzielle Arbeitgeber für Fachkräfte dar. So schrieb die Erzdiözese Freiburg kürzlich eine Stelle im Bereich kirchliche Jugendarbeit aus. Ein Bereich, in dem Mitarbeitende junge Menschen bei der Entwicklung ihres Glaubens zur Seite stehen und mit ihnen religiöse Fragen diskutieren. In der Stellenausschreibung für eine*n Jugendreferent*in fordert die Erzdiözese Freiburg die „Zugehörigkeit zur und Identifizierung mit der katholischen Kirche“.

Der Caritasverband hingegen suchte beispielsweise für das Erzbistum Berlin eine Person zur Leitung des Bereichs Fundraising. Zu den täglichen Aufgaben zählten laut Stellenprofil die Entwicklung und Steuerung der Umsetzung der Bereichsstrategie sowie die strategische Entwicklung des Bereichs Ehrenamt und youngcaritas. Erwartet wurden ein Hochschulabschluss „in relevanter Fachrichtung“ sowie Zusatzqualifikationen im Bereich Fundraising; die Zugehörigkeit zur christlichen Kirche war hingegen „wünschenswert“.

Bewerben auf Stellen mit Religionsbezug 
„Die aktive Zustimmung zu den Werten unseres Glaubens ist gewünscht.“ Solche oder ähnliche Sätze finden sich häufiger in Stellenausschreibungen kirchlicher Träger und Institutionen. Während die christliche Konfessionszugehörigkeit eindeutig nachgewiesen werden kann, stellt sich die Frage, wie man eine aktive Bejahung der jeweiligen Werte belegt. Die folgenden Tipps helfen weiter:
  • Bewerber*innen sollten ihre Religionszugehörigkeit im Lebenslauf nennen, wenn sie für die Stelle relevant ist. Auch im Anschreiben kann die Nennung der Konfession nützlich sein, allerdings nur, wenn sie einen Mehrwert liefert. Ist ein*e Bewerber*in beispielsweise als Jugendgruppenleitung in der Gemeinde tätig und kann damit auch praktische wie fachliche Fähigkeiten aufzeigen, kann in diesem Zuge die Konfessionszugehörigkeit nochmals im Anschreiben erwähnt werden. 
  • Bewerber*innen, die dem christlichen Glauben angehören, können darüber hinaus ein pfarramtliches Zeugnis anfordern. Das tun sie beim Pfarrer oder der Pfarrerin ihrer Gemeinde. Dieses Dokument enthält dabei Informationen über die Bewerber*innen sowie deren kirchliche Aktivitäten, welche Sakramente die Personen erhalten und ob sie gegen kirchliche Regeln verstoßen haben.
  • Bewerber*innen, die sich im Beruf mit religiösen Themen und Fragen auseinandersetzen möchten, aber einen Abschluss in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern beziehungsweise mit der Religionswissenschaft und Theologie verwandten Studiengängen haben, können mit Sprachnachweisen in Bezug auf ihr Wissen über die jeweiligen Kulturen und Lebenswelten einer Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft punkten. Das gilt insbesondere, wenn die erworbenen Kenntnisse den Stufen des Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen. So werden beispielsweise im Arabisch- oder Türkischunterricht neben sprachlichen Aspekten auch landesspezifische sowie religiöse Besonderheiten, die Geschichte und Kultur einer Sprachgemeinschaft vermittelt.

Auch wenn es sich hierbei um eine Stelle handelt, die eher auf organisatorischer Ebene mit dem Thema Glaube in Verbindung steht, ist doch religiöse Kompetenz gefragt, um adäquate Spender*innen zu finden. So sollten Fachkräfte in diesem Bereich einen guten Überblick über die Landschaft christlicher Institutionen haben und wissen, wie die unterschiedlichen Würdenträger*innen der Religionsgemeinschaft erreicht sowie angesprochen werden können.

Zugang ohne Religionszugehörigkeit?

Doch was, wenn Fachkräfte nicht der jeweiligen Glaubensgemeinschaft angehören, die in einer Ausschreibung gewünscht wird? Ist der Bewerbungserfolg damit ausgeschlossen? Und ist diese Behandlung rechtens? Grundsätzlich gilt, dass es Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich zusteht, ihre Angelegenheiten individuell zu regeln. Und dazu zählt auch die Detailgestaltung eines Arbeitsverhältnisses. Daher kommt Religionsgemeinschaften als Arbeitgeber in Deutschland ein gewisser Sonderstatus zu.

Im Falle der Bewerbung einer konfessionslosen Person bei beispielsweise einer kirchlichen Institution stehen sich kirchliches Privileg auf Selbstbestimmung und das Recht der sich bewerbenden Person, nicht aufgrund der eigenen Weltanschauung diskriminiert zu werden, gegenüber. 2018 fällte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Entscheidung, dass das Beharren auf der Konfession seitens kirchlicher Arbeitgeber nicht für alle Stellen zulässig sei.

Zählt beispielsweise zum Aufgabenbereich der Stelle das Beten mit Kindern, die Leitung eines Bibelkreises oder die Vorbereitung auf die Erstkommunion, dann kann die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft als „objektiv geboten“ gelten. Doch beispielsweise für die Position als Pressereferent*in einer Pflegeeinrichtung mit kirchlichem Träger könnte das Beharren auf der Konfessionszugehörigkeit problematisch sein. 

Eigene Parameter festlegen

Die Frage danach, ob Bewerber*innen Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft sind, stellt sich tendenziell häufiger bei christlichen Arbeitgebern. Bei offenen Stellen, die sich mit Fragen und Inhalten beispielsweise des islamischen, jüdischen oder buddhistischen Glaubens beschäftigen, dominiert als Einstellungskriterium oftmals der einschlägige Hochschulabschluss im jeweiligen Fachbereich.

So suchte die Stadt Essen für ihren Fachbereich Alte Synagoge/Haus jüdischer Kultur kürzlich eine*n Judaist*in für die Museumspädagogik. Erwartet wurde ein Masterabschluss in jüdische Studien, jüdischer Geschichte oder Religionswissenschaften – die Notwendigkeit oder der Wunsch der Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft wurde nicht genannt.  

Wer nicht gerade Religionswissenschaften, evangelische oder katholische Theologie, Islamwissenschaft oder Judaistik studiert hat, aber dennoch religiöses Wissen und mediale Kompetenz mitbringt, kann den Blick auf theologische Fachverlage, Stiftungen und NGOs richten. Diese schreiben oftmals Stellen aus, die inhaltlich mit Glaubensfragen verbunden sind, die Konfessionszugehörigkeit sowie die aktive Arbeit in einer Glaubensgemeinschaft, wenn überhaupt als Bonus und nicht als Voraussetzung betrachten.

Letztlich sollten Bewerber*innen sich überlegen, für welchen Mehrwert sie mit ihrer Arbeit stehen möchten. Diese Erkenntnis bietet den Grundstein für die gezielte Suche nach einer Stelle und einem Arbeitgeber, die die eigenen beruflichen Ambitionen, die eigene Weltanschauung und religiösen Interessen verbinden.

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