Einarbeitung aus der Ferne
Der Jobeinstieg aus dem Homeoffice ist besonders schwierig – für alle Beteiligten. Doch auch in Corona-Zeiten sollte das Willkommenheißen nicht fehlen. Dafür braucht es neue Onboarding-Konzepte.
Text: Katrin Poese
Es kann einem den anfänglichen Elan gleich am ersten Arbeitstag wieder nehmen: Seit Social Distancing, Fernarbeit und Kontaktvermeidung auch in der Arbeitswelt üblich sind, fällt das Willkommenheißen in einigen Unternehmen weit weniger „festlich“ aus als bisher. Damit der Start trotzdem gelingt, müssen Onboarding-Konzepte komplett verändert werden. Das passiert mit mehr oder weniger Erfolg. Denn, ist man ehrlich: Auch vor der Corona-Pandemie gab es Organisationen, deren Onboarding-Maßnahmen noch ausbaufähig waren.
Dabei ist die erste Phase eines Arbeitsverhältnisses so wichtig, dass es eigene Lehrbücher darüber gibt. Der Ratgeber „Onboarding: als Führungskraft neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten und integrieren“ zeigt anschaulich, dass sich die Umstände im Jahr 2020 verändert haben: Der Springer-Verlag hat das Buch anlässlich der Corona-Pandemie aktualisiert; ein ganzes Kapitel widmet sich der Einarbeitung aus der Ferne. Denn die ist gar nicht so leicht umzusetzen. Die Autorin Doris Brenner, Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für Human Resources, definiert mehrere Ebenen und Elemente, die beim Onboarding gleichermaßen wichtig sind.
„Du bist jetzt dabei“
Beim Schlagwort Einarbeitung denkt man zunächst daran, dass neue Mitarbeiter*innen viele Dinge lernen müssen – fachliche Details, den Umgang mit Software oder Technik, Richtlinien, Arbeitsabläufe, Zuständigkeiten. Doch gelungenes Onboarding ist mehr als reine Wissensvermittlung: Es schließt laut Doris Brenner auch die soziale und werteorientierte Ebene mit ein. Und gerade diese beiden können einer gelungenen Zusammenarbeit zum Verhängnis werden, mahnt die Wirtschaftsexpertin in ihrem Buch.
Lars Schweizer (Name von der Redaktion geändert) hat den Ratgeber zwar nicht gelesen, er ist aber zu demselben Schluss gekommen. Der Designer arbeitet bei einem deutschen Unternehmen mit eigener Produktion und hat eigentlich Grund zur Freude: Eine neue Mitarbeiterin soll ihn ab Anfang des Jahres unterstützen. Der Tag ihres Jobantritts bereitet Lars Schweizer dennoch einiges Kopfzerbrechen.
Eigentlich ist sein Arbeitgeber beim Onboarding vorbildlich. Bei einem Einführungstag werden alle Neuen zusammen willkommen geheißen und durch das Unternehmen geführt. Sie erhalten sogar ein Begrüßungspaket mit Produkten, die das Logo ihres neuen Arbeitgebers tragen. „Du bist jetzt Teil davon, du bist dabei“, so beschreibt Lars Schweizer die Wirkung dieses Tages. Der muss wegen der aktuellen Corona-Restriktionen natürlich ausfallen. Und der zukünftige Vorgesetzte denkt nun über Alternativ-Lösungen nach.
Ankommen während der Pandemie
Er schätze mit seinen Kolleg*innen täglich ab, ob ein Treffen in irgendeiner Art möglich sein könnte – vielleicht gemeinsam draußen eine Runde drehen oder mit Abstand einen Kaffee trinken. Dass der Start sich für seine neue Mitarbeiterin gelungen anfühlt, das ist dem Designer wichtig.
Den Rundgang durch das Unternehmen ersetzt ein virtuelles Onboarding-Werkzeug, das schon einige Zeit lang genutzt wird. Statt in jeder Abteilung an die Tür zu klopfen und sich mit allen bekannt zu machen, werden jetzt gezielt Termine für kurze Videokonferenzen vereinbart. So wird die neue Mitarbeiterin Schritt für Schritt die Gesichter ihrer Kolleg*innen aus anderen Abteilungen kennen lernen und sich über Zuständigkeiten informieren können.
Lars Schweizer hat solche Termine schon mit anderen Neueinsteiger*innen absolviert und war positiv überrascht: „Ich habe gemerkt, dass man sich dadurch länger Zeit nimmt“, sagt er. Auch für das Persönliche gibt es Raum: Wer mag, kann sich in eine gemeinsame virtuelle Pause per Videoschalte einwählen. Sie ist nur zum Plaudern da.
In Lars Schweizers Unternehmen wird die soziale Ebene des Onboardings also erst genommen. Genauso wichtig wie das Kennenlernen der Kolleg*innen ist aber auch das Vertrautmachen mit dem Arbeitgeber selbst. Neue Teammitglieder sollten schnell einen Eindruck davon bekommen, wofür die Organisation steht und wie Werte gelebt werden, meint die Human-Resources-Expertin Doris Brenner. Dann könnten beide Seiten überprüfen, ob Mitarbeiter*innen zur Unternehmenskultur passen. In ihrem Lehrbuch nennt Doris Brenner das die werteorientierte Ebene des Onboardings.
Hybrides Onboarding
Die Unternehmens-Werte sind bei Elisa Hamanns (Name von der Redaktion geändert) neuem Job ein allgegenwärtiges Thema. Ihr Arbeitgeber, eine große Handelskette, teilt seinen neuen Mitarbeiter*innen diese Werte mithilfe eines hybriden Onboardings mit. Auffällig sei, dass ihre Kolleg*innen besonders geduldig dabei seien, ihr alles zu erklären, erzählt Hamann. Sie hat vor Kurzem eine Stelle im Verkauf angetreten. Der Zusammenhalt, auch über Abteilungen hinweg, ist in ihrem Unternehmen ein gelebter Wert.
Das ist gerade jetzt wichtig: Wegen der Geschäftsschließungen zur Pandemie-Eindämmung setzt die Niederlassung, in der Elisa Hamann arbeitet, momentan auf ein Abhol-Modell. Die Abläufe dabei sind den meisten aus der Belegschaft neu. Wenn hier nicht jede*r überall mit anpacken würde, könnte das kaum funktionieren. Elisa Hamann findet das bemerkenswert: Dass alle derart an einem Strang ziehen, habe sie bislang noch in keinem anderen Job so erlebt, sagt die Akademikerin.
Teil zwei des hybriden Konzeptes ist eine interne Online-Plattform, über die sich alle Neuen weiterbilden können: Dort muss man einige Pflichtkurse belegen, die Wahlkurse stehen allen offen. Zwar arbeiten Elisa Hamann und ihre Kolleg*innen vor Ort – die Aufgaben erfordern es. Dennoch ist es praktisch, dass das E-Learning das Problem gemeinsamer Schulungen löst. Sie wären mit den gebotenen Abständen sonst kaum umsetzbar.
In den Kursen geht es sowohl um Fachliches als auch um die Werte des Unternehmens – sie werden ganz selbstverständlich mit vermittelt. Das wirkt: „Ich habe mich von Anfang an gut aufgehoben gefühlt“, sagt Hamann. Nicht nur für die werteorientierte, auch für die fachliche Ebene des Onboardings hat das Hybridkonzept bei Elisa Hamanns Arbeitgeber Vorteile.
Es klappt nicht immer
Dass es für die Einarbeitung auf jeden Fall einen Plan braucht, zeigt ein Negativbeispiel aus einer anderen Branche: Hannes Wehrle (Name von der Redaktion geändert) hat aus nächster Nähe mitbekommen, dass der Jobbeginn in Zeiten der Fernarbeit schieflaufen kann. Hannes Wehrle, der bei einer Versicherung arbeitet, sitzt wie viele seiner Kolleg*innen seit dem Frühjahr meist im Homeoffice.
In dieser Zeit haben in seiner Abteilung mehrere neue Mitarbeiter*innen angefangen. Bei einem von ihnen machte die fachliche Einarbeitung große Probleme. Hannes Wehrle, selbst im Homeoffice, konnte seinem neuen Kollegen kaum helfen. „Es ist schwierig, wenn man nur miteinander telefoniert“, erklärt er.
Denn Hannes Wehrle bearbeitete selbst eigene Fälle und hatte nur wenig Einblick in die Aufgaben des Neuen. Unglücklicherweise ergriff der Mitarbeiter, ein Berufseinsteiger, auch nicht selbst die Initiative, wie Wehrle erzählt. Er fragte offenbar zu wenig nach und wies nicht nachdrücklich genug darauf hin, dass er Unterstützung brauchte. Letztendlich bestand er die Probezeit nicht.
Entscheidend: Softfaktor
Genau diese Gefahr beschreibt die Wirtschaftsexpertin Doris Brenner in ihrem Onboarding-Ratgeber. Zwar gebe es inzwischen Lösungen für virtuelles Onboarding mithilfe von Online-Plattformen oder Software. Sie seien auch für die Arbeit aus der Ferne geeignet. Dennoch mahnt die Autorin: „Sie können Prozesse unterstützen, den wichtigen Softfaktor jedoch nicht vollständig ersetzen.“ Mit dem Softfaktor meint Doris Brenner den zwischenmenschlichen Austausch.
Bei Remote-Arbeit sei der regelmäßige Kontakt mit dem oder der Vorgesetzten wichtig – für die fachliche Einweisung und für Feedback-Gespräche. Um die Arbeitsbelastung ein wenig aufzuteilen, könne man außerdem im Kolleg*innenkreis eine*n Mentor*in bestimmen, rät Brenner. Diese Person sollte dann auch den Kontakt zu wichtigen Ansprechpartner*innen in anderen Abteilungen herstellen.
Der Designer Lars Schweizer, der bald seine neue Mitarbeiterin einarbeiten wird, weiß, wie wichtig der Austausch ist. Er will dafür sorgen, dass die neue Kollegin „eine Standleitung“ zu ihm bekommt, wie er sagt – dass sie ihn also über Videoanrufe immer kontaktieren kann. Er will auf jeden Fall verhindern, dass seine Mitarbeiterin das Gefühl bekommt, dass sie auf sich allein gestellt sei. Deswegen stellt Lars Schweizer gerade ein paar Dokumente zusammen, die sie über die Arbeitsprozesse und bisherige Meilensteine der Abteilung informieren sollen.
Viel Extra-Arbeit, aber der zukünftige Vorgesetzte möchte es dennoch umsetzen. „Ich versuche mich in diese Situation hineinzuversetzen: du hast einen neuen Job und sitzt daheim“, sagt er. Dieser Gedanke sei für ihn entscheidend dafür, welchen Aufwand er beim Onboarding betreiben möchte.
Nicht vergessen: Preboarding
Übrigens gehört zum Onboarding noch eine Phase, die gerne vergessen wird: Die Zeit zwischen dem Bewerbungsverfahren und dem ersten Arbeitstag. Man nennt sie in der Fachliteratur Preboarding. Laut der Haufe Onboarding Studie 2019 kommen bei 30 Prozent der beteiligten Unternehmen Kündigungen zwischen der Vertragsunterzeichnung und dem ersten Arbeitstag vor. Der Grund dafür könnten ein Gefühl der Unsicherheit und eine mangelnde Bindung an den neuen Arbeitgeber sein.
Meldet sich das Unternehmen nicht oder erst spät mit Informationen zum Arbeitsbeginn oder lässt es seine neuen Mitarbeiter*innen im Ungewissen, springen sie womöglich zugunsten einer sichereren Alternative wieder ab. Gerade in dieser Phase kann auch die Corona-Pandemie ordentlich dazwischenfunken.
Das erzählt Elisa Hamann, die in ihrem neuen Job inzwischen glücklich ist. Der Start allerdings war etwas holprig. Kurz nach der Zusage für die Stelle folgte der Teil-Lockdown. Das Unternehmen ging danach erst einmal in Abwarte-Haltung und zögerte die Einstellung hinaus. Für Elisa Hamann war diese Unsicherheit sehr enttäuschend, sie hatte sich auf die neue Stelle gefreut. In diesem Fall ging die Sache gut aus: Zwar hat die Pandemie das Preboarding verpatzt, Elisa Hamanns Arbeitgeber glich das aber wieder aus – durch ein gelungenes Onboarding.
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