Umzug: Preiswert gleich lebenswert?
Mit dem Jobwechsel geht oft auch ein Ortswechsel einher. Vor dem Bewerben sind folgende Fragen wichtig: Wie viel möchte ich für die Miete ausgeben? Wo möchte ich leben?
Text: Katrin Poese
In der aktuellen Berichterstattung wird es immer wieder gemeldet: Die Mietpreise in deutschen Städten steigen und steigen. Laut Daten des F+B Wohnindex für das zweite Quartal 2020 gab es bei den Neuvertragsmieten zwar zuletzt eine rund 18-monatige Stagnationsphase. Dennoch sind diese Mieten – länger laufende, ältere Mietverträge zählen nicht mit – im bundesweiten Durchschnitt im zweiten Quartal 2020 um 0,4 Prozent höher als im ersten Quartal. Immerhin deutet das laut den Expert*innen des Forschungsinstituts F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt auf eine nachlassende Dynamik hin.
Kosten versus Lebensqualität
Dennoch müssen Mieter*innen in einigen Gegenden Deutschlands sehr hohe Preise für ihren Wohnraum zahlen: Laut Daten des Empirica Instituts sind die Städte mit den höchsten Mietpreisen München mit durchschnittlich 18 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, Frankfurt am Main (15 Euro) sowie Stuttgart (14 Euro). Um die 13 Euro Durchschnittspreis bewegen sich außerdem Düsseldorf, Hamburg, Mainz, Wiesbaden, Berlin, Freiburg und Heidelberg. Die Zahlen beziehen sich auf das zweite Quartal 2020. Mitgerechnet wurden auch hier nur Neuvertragsmieten.
Auswertungen des F+B Instituts zufolge gilt der Trend der steigenden Mieten zunehmend nicht nur für die Großstädte selbst, sondern auch für kleinere Städte im Einzugsgebiet der Metropolen. Laut Einschätzung des Instituts schreckt ein Arbeitsweg von 30 bis 40 Minuten inzwischen nicht mehr unbedingt ab, zumal sich die Möglichkeiten für Home-Office im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen verbessert hätten.
Gleichzeitig gelten gerade Großstädte und mittelgroße Speckgürtel-Städte im Durchschnitt auch als besonders lebenswert: Das groß angelegte Städteranking 2019 der WirtschaftsWoche untersuchte die Wohn-, Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftssituation in deutschen Städten. In der Gesamtwertung ganz vorne lagen Würzburg, Hamburg, Ulm, Wolfsburg, Regensburg, Frankfurt am Main, Ingolstadt, Stuttgart, Erlangen und München.
Passung mit der Umgebung
Billigerer Wohnraum und Nähe zum Grünen könnten Argumente sein, die für einen ländlicheren Wohnraum sprechen. Wenn damit ein längerer Pendelweg zum Arbeitsplatz verbunden ist, sollte man auch den Faktor mentale Gesundheit in die Überlegungen einbeziehen.
Die Studie „Mobilität in der Arbeitswelt“ der Techniker Krankenkasse (TK) lieferte 2018 Hinweise, dass Pendeln belastend sein kann: Die ausgewerteten Daten zeigten, dass bei Versicherten mit Pendelweg die psychisch bedingten Fehltage um 11 Prozent höher lagen als bei Versicherten mit kurzem Arbeitsweg. Man sollte also kritisch hinterfragen, ob sich die Pendelwege denn möglichst stressarm gestalten lassen.
Auch der konkrete Wohnort selbst sollte bei der Jobwahl eine Rolle spielen: Was die Umgebung mit Menschen macht, ist Gegenstand der geografischen Psychologie. Dort gibt es den Begriff des person environment fit, der Mensch-Umwelt-Passung. Ein internationales Team um den finnischen Psychologen Markus Jokela hat 2015 in einer Studie untersucht, ob sich in Londons Stadtvierteln bestimmte Persönlichkeitsmerkmale häufen.
Daraus ließen sich Schlüsse ziehen: Zum Beispiel waren Menschen mit einer hohen Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals „Offenheit für Erfahrungen“ generell mit ihrem Leben zufriedener, wenn in ihrer Nachbarschaft eine hohe Bevölkerungsdichte herrschte und viele junge Menschen und kinderlose Paare dort lebten. Ein Fazit der Studienautor*innen lautete: Der beste Platz zum Leben hänge von der Passung zwischen den individuellen Eigenschaften und den Charakteristika der Nachbarschaft ab. Es lohnt sich also, sich einige Fragen dazu zu stellen, was man vom eigenen Wohnort erwartet. Lebendigkeit oder Ruhe? Kulturangebote in Reichweite oder einen kurzen Weg ins Grüne?
Zuschuss zu Umzugskosten
Wenn die Entscheidung für den Umzug gefallen ist, erstattet die Bundesagentur für Arbeit manchmal einen Teil der Kosten: Das liegt allerdings im Ermessen der Vermittlungsfachkräfte, einen Rechtsanspruch gibt es nicht. Wenn man als Arbeitssuchende*r für einen Job extra umziehen muss, sollte man eine Erstattung über das so genannte Vermittlungsbudget rechtzeitig beantragen. Meist muss man dazu mehrere Angebote von Umzugsunternehmen vorlegen. Manchmal erstattet auch der neue Arbeitgeber einen Teil der Kosten – diese Möglichkeit kann man beim Bewerbungsgespräch oder in Gesprächen rund um die Vertragsunterzeichnung erfragen.
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