Klimaanpassung: Gene im Fokus
Ebenso wie der Mensch muss sich auch die Vegetation an ein sich änderndes Klima anpassen. Forscher*innen wie Agrarwissenschaftler Manfred Mayer suchen deshalb nach Pflanzen, die Klimastress besonders gut vertragen.
Text: Anja Schreiber
Manfred Mayer steht am Ende seiner Promotion an der Technischen Universität München (TUM). Genauer gesagt: Er forscht an der „TUM School of Life Sciences“ in Weihenstephan am Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung. Sein Thema: Mais. „Meine Motivation ist, Kulturpflanzen zu züchten, die noch unter widrigen klimatischen Bedingungen gedeihen, und so die Versorgung von Mensch und Tier mit Nahrung sicherzustellen“, erklärt der 30-Jährige.
Manfred Mayer weiß, wie sehr sich Trockenheit und Hitze auf Pflanzen auswirken, denn er ist auf einem Bauernhof im niederbayrischen Bad Füssing groß geworden. Im Masterstudium der Agrarwissenschaften spezialisierte er sich auf Pflanzenwissenschaften. „Denn schon im Bachelorstudium waren meine Lieblingsfächer Pflanzenzüchtung und Genetik.“ Den Impuls, über ein Thema im Bereich der Pflanzenzüchtung zu promovieren, bekam er auf einer Jobmesse an seiner Uni. Dort lernte er Firmen kennen, die sich mit Pflanzenzucht befassten. Allerdings entschied er sich, nicht in einem Unternehmen zu arbeiten, sondern Grundlagenforschung an der Uni zu betreiben. „Unsere Forschungsergebnisse stehen der Allgemeinheit zur Verfügung.“
Modellpflanze Mais
Warum Manfred Mayer gerade über den Mais forscht und nicht über andere Pflanzen, hat einen guten Grund: „Der Mais ist eine Modellpflanze. Viele Erkenntnisse lassen sich auf andere Kulturpflanzen übertragen. Wir untersuchen nur wenige Pflanzenarten intensiv.“ Der Grund dafür liegt auf der Hand: „Mais gehört zu den wichtigsten Nutzpflanzen. Und die Forschung, die wir betreiben, ist teuer.“
Der junge Wissenschaftler denkt dabei schon in die Zukunft: „In der Pflanzenzüchtung beschäftigen wir uns mit dem, was in zehn Jahren gebraucht wird“, erklärt Mayer. Und da stehen für die Landwirtschaft große Veränderungen an. „Seit den 1950er und 1960er Jahren werden in Europa Maissorten gezüchtet, die auf der Kreuzung von Inzuchtlinien aus unterschiedlichen Genpools basieren. Diese sind sehr ertragreich und leistungsfähig. Aber sie zeigen nur wenig Variation, zum Beispiel für die Toleranz gegenüber Hitze und Kälte.“
Genetische Variation sei allerdings die Grundvoraussetzung für die Selektion und züchterische Verbesserung von Pflanzen. „Vor diesem Hintergrund untersuchen wir alte Sorten, sogenannte Landrassen. Diese haben eine hohe genetische Diversität. Sie können uns helfen, neue Sorten zu züchten, die resilienter sind.“
Mayers Aufgabe ist es, die richtigen Landrassen dafür auszusuchen, entsprechendes genetisches Versuchsmaterial zu generieren und die Ergebnisse der Feldversuche auszuwerten. Er und seine Kolleg*innen identifizieren dabei neue Gene in den Landrassen, die zum Beispiel die Kälte- und Dürretoleranz von Mais verbessern.
Die meiste Zeit sitzt der Agrarwissenschaftler vor seinem Computer. „90 Prozent meiner Arbeitszeit beschäftige ich mich mit Datenanalyse. Ich bin zwar auch bei der Aussaat auf unseren universitären Feldern dabei, aber das würde auch ohne mich gehen“, berichtet er. Denn die meisten praktischen Tätigkeiten, wie die Aussaat, seien Aufgaben der technischen Assistent*innen. „Auch zu Messungen gehe ich aufs Feld. Das ist auch eine schöne Abwechslung.“
Interdisziplinär kooperieren
Trotz Computerarbeit ist aber Mayers Job nichts für Einzelgänger*innen – ganz im Gegenteil: „Wer in diesem Bereich arbeiten will, muss teamfähig sein, aber natürlich auch ein großes Durchhaltevermögen mitbringen. Er braucht auch ein Verständnis für Mathematik.“ So arbeiten in der Pflanzenzüchtung Agrarwissenschaftler*innen, Biolog*innen, Mathematiker*innen und Informatiker*innen zusammen. Wichtig sei die Bereitschaft dazuzulernen: „Die Mathematiker*innen müssen sich meist noch Wissen über Pflanzen aneignen und die Biolog*innen Wissen über Statistik.“
Mayer und seine Kolleg*innen von der TUM kooperieren mit anderen Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel dem Helmholtz Zentrum München, aber auch mit privaten Unternehmen. „Wir betreiben an der Uni zunächst einmal Grundlagenforschung. Unsere Ergebnisse können dann auch von Unternehmen genutzt und in der Praxis umgesetzt werden.“
Wenn er wollte, könnte Mayer nach seiner Promotion in die Wirtschaft gehen. Neben mittelständischen spezialisierten Unternehmen gibt es in diesem Bereich auch Global Player. „Ich will aber nach Abschluss der Promotion an der Universität bleiben und mich um eine Postdoc-Stelle bewerben.“
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