Kuratieren ist nicht gleich kuratieren
Von Provenienzforschung bis Szenografie: Wer fünf Kuratorinnen und Kuratoren nach ihrer Arbeit fragt, kann auch fünf unterschiedliche Beschreibungen bekommen.
Text: Katrin Poese
Über 50 verschiedene Berufsbilder für die Arbeit in Ausstellungshäusern hat der Deutsche Museumsbund identifiziert: In seinem Leitfaden „Professionell arbeiten im Museum“ zählt der Interessenverband die Teilbereiche Leitung, Bestandserhaltung, Ausstellungen, Wissenschaft, Bildungsarbeit, PR und Marketing, technischer Betrieb und Verwaltung auf. Neben Restaurator/innen, Konservator/innen, Provenienzforscher/innen oder Dokumentar/innen zählen auch Kurator/innen zum wissenschaftlichen Personal. Doch Kurator/innen arbeiten dabei besonders interdisziplinär und sind die „Allrounder im Museum“, wie die Bundesagentur für Arbeit den Beruf in ihrem Online-Magazin betitelt.
Je nach Galerie, Museum, historischer Stätte, Festival, wissenschaftlicher Sammlung, Bibliothek oder Archiv – die Einsatzorte sind vielfältig – variiert auch der Zuschnitt einer Kurator/innen-Stelle. Laut dem Deutschen Museumsbund sieht man die Position meist als verantwortlich für Konzeption, Organisation und Realisierung von Dauer- und Sonderausstellungen – mal gehört dazu auch ein größerer Anteil an der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, mal hat der Arbeitsschwerpunkt mehr mit Forschung zu tun.
Dabei kann man Kurator/innen als Projektmanager/innen verstehen: Sie planen und leiten abteilungsübergreifend, verwalten das Projekt-Budget, besorgen zusätzliche Leih-Ausstellungsstücke, werben Fördermittel ein, stellen Ausstellungspublikationen und ein Begleitprogramm zusammen und kooperieren mit externen Partner/innen aus einem möglichst großen Netzwerk.
Bereiche verknüpfen
Zu Andreas Feddersens Verständnis von Kuratieren gehört es auch, unterschiedliche Dinge im Raum zusammenzufügen. Der 45-jährige Kurator ist Gründer der Weimarer Agentur musealis. Sein Beispiel zeigt, wie Arbeitsbereiche ineinandergreifen. Der studierte Romanist, Musikwissenschaftler und Mediengestalter erklärt, der Normalfall sei die Zusammenarbeit eines Inhouse-Kurators oder einer Inhouse-Kuratorin mit einer externen Agentur, die sich um die Ausstellungsgestaltung kümmert.
Andreas Feddersens Firma ignoriert diese Trennung zwischen Kuratieren und Ausstellungsgestaltung. Sie macht beides – aus gutem Grund. Immer mehr Kunden hätten gar keine eigene Sammlung, erklärt Feddersen. „Da kann man sich also nicht erstmal ins Depot begeben und schauen, was die Wunderkiste hergibt.“ Für Kunden wie das Haus der Weimarer Republik entwickelt Andreas Feddersen also Ausstellungen von Grund auf. Dabei hilft ihm, dass er nicht nur Geisteswissenschaftler ist, sondern auch ein gestalterisches Fach studiert hat.
Die Projekte von musealis zeigen Trends beim Kuratieren und Präsentieren: Die junge GmbH legt einen Schwerpunkt auf gutes Storytelling. Das Team umfasst neben Kurator/innen, Dramaturg/innen und Autor/innen auch einen Filmemacher und einen Sounddesigner. Ihr Ziel: Sinnvolle Erzählweisen für alte und neue Medien finden, so dass man sich im Idealfall in das Thema „wie in eine Zeitkapsel hineinbegeben“ kann, wie Feddersen erklärt.
Diesen Effekt erreicht musealis auch durch eine Schnittstelle zum Messebau: Die Firma hat würfelförmige Räume entwickelt, die man auch in Bahnhöfen oder Einkaufszentren aufstellen kann – Ausstellungen außerhalb von Museen sind nach Andreas Feddersens Meinung ein wichtiges Zukunftsthema für Kurator/innen.
Museologie oder Fachstudium
Wer sich für diese Arbeit interessiert, wird in Deutschland inzwischen einige Studiengänge mit Museums-Schwerpunkt finden. Auf eine Tätigkeit als Kurator/in bereitet unter anderem das Masterprogramm „Museumsmanagement und -kommunikation“ an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin vor. Die Inhalte passen gut zum Allrounder-Berufsbild: Finanzen, Ethik, Management, Digitale Medien im Museum, visuelle Kommunikation und Personalmanagement: An der Universität Heidelberg liegt der Fokus im Masterstudiengang auf „Kunstgeschichte und Museologie“. Er enthält einen Auslandsaufenthalt an der École du Louvre in Paris und ist als Vorbereitung auf wissenschaftlich ausgelegte Stellen interessant.
Auf eine Tätigkeit an kulturhistorischen Museen ist der Master of Arts „Museum und Ausstellung“ an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg ausgerichtet: Zu den Studieninhalten gehören Management, fachwissenschaftliche Kompetenzen, Provenienzforschung und ein eigenes Ausstellungsprojekt.
Ein umfangreiches Studienprogramm für mehrere Qualifikationsstufen gibt es an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg: Dort kann man bereits zum Bachelor mit dem Studiengang „Museologie und materielle Kultur“ einsteigen. Von mehreren Master-Programmen sind für zukünftige Kurator/innen vor allem der forschungsorientierte Studiengang „Museumswissenschaft“ und „Museum und alte Kulturen“ – eine Kombination aus Museologie und Altertumswissenschaft mit optionalem Auslandsaufenthalt im ägyptischen Kairo – interessant. Würzburg bietet auch ein eigenes Promotionsprogramm.
Wer wie der Start-up-Gründer Andreas Feddersen das Kuratieren an der Schnittstelle zur Ausstellungsgestaltung spannend findet, könnte am Master-Studiengang „Szenografie und Kommunikation“ an der Fachhochschule Dortmund Gefallen finden. Unter Szenografie versteht man die Inszenierung im Raum, die hier interdisziplinär gesehen wird: für Theaterbühnen, im Museum, bei Ausstellungen im öffentlichen Raum oder bei Messe-Pavillons.
Wer hier studiert, beschäftigt sich mit szenografischem Gestalten, mit künstlerischen Strategien, Film und Narration, aber auch mit Management, Kommunikation, Finanzen, Gründung, Marktanalyse und Branding.Neben den übergreifenden Museums-Studiengängen ist es auch denkbar, ein Studium in Geisteswissenschaften, technischen oder naturwissenschaftlichen Fächern zu wählen und sich erst später für die Museums-Laufbahn zu qualifizieren. Dafür bietet sich das Museums-Volontariat an.
Zwei Jahre Museums-Praxis
Nach dem Studium kann ein Volontariat dabei helfen, das Fachwissen mit der Museumspraxis zu verbinden – es ist oft Voraussetzung für eine Stelle als Kurator/in. Mitbringen muss man einen Master-Abschluss, auch eine Promotion ist gern gesehen. Der Deutsche Museumsbund hat 2018 in einem Leitfaden Empfehlungen für gute Qualität in der Ausbildung von wissenschaftlichen Volontär/innen ausgesprochen.
Wer die zweijährige Qualifikationszeit durchlaufen möchte, sollte darauf achten, dass das jeweilige Haus Stationen in allen Arbeitsbereichen von Ausstellung bis Verwaltung anbietet – am besten festgehalten in einem Ausbildungsplan inklusive zusätzlicher Fortbildungen. Als Vergütung empfiehlt der Deutsche Museumsbund ein Gehalt, das 50 Prozent der Entgeltgruppe 13 im öffentlichen Dienst entspricht. Aktuelle Ausschreibungen für Volontariate finden sich im WILA Arbeitsmarkt im Tätigkeitsbereich 03 und unter: www.museumsbund.de/stellenangebote.
Weiterbildungen
Neben den formalen Wegen zur Kurator/innen-Tätigkeit gibt es auch viele informellere Möglichkeiten der Fortbildung. Die Universität Hamburg bietet die berufsbegleitende Weiterbildung „Kuratieren – Ausstellungspraxis in Theorie und Geschichte“ im Umfang von 300 Stunden mit Teil-Präsenz an (Start im Oktober). Der Zertifikatskurs „Kuratieren“ an der Universität der Künste Berlin (Beginn im September) dauert drei Monate.
Kompaktwissen zu „Ausstellungsmanagement“ erwirbt man im zweitägigen Intensivseminar an der Bundeakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel (Start im November). In Wolfenbüttel gibt es auch Schulungen zu Spezialthemen wie Gamification in Ausstellungen oder Museumspädagogik. Einen Kurs zum Thema „Erfolgreich Fördermittelanträge stellen“ kann man an der Akademie der Kulturellen Bildung Remscheid belegen. Eine Übersicht über Lehrgänge und Links zu den regionalen Museumsverbänden mit meist eigenem Fortbildungsangebot finden sich unter „Aus- und Weiterbildung“ auf: www.museumsbund.de
Netzwerk ist alles
Zurück zum Start-up-Gründer Andreas Feddersen: Er hat noch einen generellen Ratschlag für das Arbeitsfeld Kuratieren. Viele Kurator/innen arbeiten freiberuflich oder wechseln von Projektstelle zu Projektstelle. Auch Andreas Feddersen hat als Einzelkämpfer begonnen. „Entscheidend ist, dass man offen ist, die Fühler ausstreckt und sich ein Netzwerk aufbaut“, rät er.
Durch Kontakte zu wichtigen Partnern in der Welt der Museen und Ausstellungsgestaltung kann man seinen Marktwert für die begehrten festen Kurator/innen-Stellen steigern – oder es ergibt sich daraus wie bei Andreas Feddersen eine Firma, die dank ihres Netzwerks aus sich gut ergänzenden Expert/innen auf einem dicht besiedelten Markt bestehen kann.
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