Durchhalten oder kündigen?
Wer sich in seinem Job nicht wohlfühlen, beschäftig das auch außerhalb der Arbeit – das verschlimmert die Situation häufig auch noch.

Durchhalten oder kündigen?

Manche ärgern sich schnell und werfen im Job zu früh die Flinte ins Korn. Andere kämpfen Jahre um Verbesserungen, oft auf verlorenem Posten. Wer überlegt zu kündigen, sollte sich Zeit nehmen, aber auch nicht zu lange warten.

Text: Michael Fehrenschild 

Viele kennen das: Endlich ist Freitagnachmittag, und man kann den „Saftladen“ aufatmend verlassen. Doch schon am Samstagabend setzt das erste Magengrummeln ein, denn bald ist wieder Montagmorgen… Auslöser für Unzufriedenheit am Arbeitsplatz gibt es jede Menge: Mal nervt der Chef, mal ist der Job einfach nur öde oder viel zu stressig, und mal erfährt man so ganz nebenbei, dass ein neuer Kollege mit dem gleichem Aufgabengebiet 5.000 Euro mehr im Jahr bekommt. Doch wann ist es Zeit, über einen Arbeitsplatzwechsel nachzudenken?

Wer zu schnell aufgibt, grämt sich später vielleicht, weil danach auch nichts Besseres kam. Zudem ist es oft nicht verkehrt, zunächst abzuwarten. Denn manchmal ändern sich Dinge schneller als gedacht. Wer hingegen zu lange mit der Kündigung wartet, leidet vielleicht jeden Tag, verschwendet wertvolle Lebenszeit und verpasst etwaige neue Chancen. 

Abstand kann helfen

Erfahrungsgemäß ist es vor so wichtigen Entscheidungen ratsam, erst einmal in sich zu gehen – und etwas Abstand zu gewinnen. Am besten an einem freien Tag auf dem Sofa, bei einem Spaziergang oder – optimalerweise – in einem Kurzurlaub. Fragen, die dabei geklärt werden sollten, sind: Wie könnte ich meine Lage verbessern? Kann ich mit der Chefin offen sprechen? Gibt es Verbündete? Und vor allem: Ist es überhaupt möglich, etwas zu ändern?

Hierfür ist oft ein nüchterner Blick auf die betriebliche Realität notwendig. So gibt es vielerorts immer noch Strukturen, die auch ambitionierte Menschen trotz guter Arbeit nicht nach oben kommen lassen. Seilschaften, zu denen man eben nicht gehört, spielen hierbei ebenfalls oft keine geringe Rolle. Und natürlich sollte man auch Folgendes nicht aus dem Blick verlieren.

Es geht nicht nur um „die Anderen“, sondern auch darum: Was will ich eigentlich? Wo möchte ich beispielweise in fünf Jahren sein? Und wann ist meine Schmerzgrenze überschritten? Ebenso wichtig: Wie sehen meine Alternativen aus? Habe ich einen Plan B?

Mit Strategien zur Entscheidung

Wann der richtige Zeitpunkt für ein Kündigungsschreiben ist und welche Gründe letztlich dazu führen, ist immer individuell. Einige erfahrene Arbeitnehmer, wie Tobias Hansen und Martina Paul, deren Name von der Redaktion geändert wurden, haben dazu sogar eigene Strategien entwickelt.

„Für mich sind vier Punkte wichtig, um zu prüfen, ob ich bleiben oder gehen sollte. Das sind Bezahlung, wie weit muss ich pendeln, wie nett ist das Team und wie interessant finde ich die Arbeit. Mindestens zwei, besser drei dieser Kriterien sollten okay sein“, so der studierte Historiker Hansen.

Wobei diese Kategorien bei jeder Person verschieden gewichtet werden müssen. Wer zum Beispiel sehr gut bezahlt wird und spannende Aufgaben hat, aber jeden Tag vier Stunden auf der Autobahn verbringt und seine Kolleginnen und Kollegen nicht leiden kann, sollte vielleicht die Augen nach etwas Neuem offenhalten. Wird allerdings bereits alles „hingeschmissen“, obwohl nur einer dieser Punkte nicht ganz in Ordnung zu sein scheint, ist das wohl voreilig. Denn überall gibt es etwas, das stört. 

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Martina Paul erläutert ihr Vorgehen so: „Immer wenn ich merke, es geht mir nicht gut im Job und ich längere Zeit genervt bin, beschließe ich ab sofort von jedem Arbeitstag ein Fazit zu ziehen: ein Plus, ein Minus oder neutral. Das rechne ich dann nach drei Monaten zusammen und weiß, je nach Ergebnis, ob meine Lage kritisch oder doch eher ein vorübergehender Zustand ist. Aber auch wenn das Resultat nicht so schlimm ausfällt, frage ich mich, ob der Job so noch für mich stimmt und ob ich diese Arbeit wirklich für immer machen will. Ich bleibe dann wachsam, bin innerlich offen und gucke schon, welche andere Stellen passen könnten.“ 

Überhaupt ist der 52-Jährigen ihre Unabhängigkeit extrem wichtig: „Irgendwann habe ich beschlossen, dass ich keine Bittstellerin sein will, sondern meine Arbeitskraft selber bestimmen möchte, vor allem wem und für was ich sie zur Verfügung stelle. Hauptsache, ich habe das Spiel in der Hand und bin kein Blättchen im Wind, dass durch äußere Umstände getrieben wird.“ 

Rechtzeitig die Reißleine ziehen

Fraglos ist es zumeist am besten, wenn man bei einer Kündigung schon einen neuen Vertrag in der Tasche hat. Aber selbst ohne ist es nicht immer empfehlenswert, zu lange zu bleiben. So schildert die ehemalige Journalistin Canan Akgün, deren Name ebenfalls geändert wurde: „Ich hatte schon zwei Jahre oft schlecht geschlafen und 30 Bewerbungen geschrieben. Nichts! Als ich dann ganze Nächte gar nicht mehr schlafen konnte, weil die Gedanken nicht mehr aufhörten zu kreisen, kündigte ich, weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe. Danach wählte ich einen anderen Beruf und bin jetzt Lehrerin.“  

Klar ist: Der Arbeitsplatz ist ein ganz wichtiger Bestandteil des Lebens. Man verbringt einen Großteil seiner Zeit dort. Trotzdem, wenn Arbeitnehmer/innen im Betrieb ihre Gesundheit gefährden, ist das immer ein Grund zu gehen. Man tut weder sich noch dem Arbeitgeber einen Gefallen, wenn man bis zum Burnout bleibt. Eine Garantie, dass das Leben durch eine Kündigung wirklich besser wird, gibt es aber nicht. 

Nur eines ist gewiss: Es wird zumindest anders. Martina Paul zieht folgendes Fazit: „In meinem alten Job nervte mich gewaltig, dass es so monoton war. Das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt. Acht Stunden Langeweile halte ich nicht aus. Rückblickend denke ich aber manchmal, dass es doch ganz schön war. Denn jetzt habe ich eigentlich zu viel Stress.“

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