Geruchsmessung: Den richtigen Riecher haben
Die Geruchsmessung ist ein Berufsfeld, das immer gefragt sein wird, denn der Immissionsschutz wird strenger, erläutert Prof. Dr. Isabelle Franzen-Reuter.
Interview: Annika Voßen
Prof. Dr. Isabelle Franzen-Reuter ist seit 2015 Professorin für Immissionsschutz und Chemie an der Fachhochschule Münster. Zuvor war sie tätig als Referentin im nordrhein-westfälischen Umweltministerium, arbeitete bei der Deutschen Umwelthilfe sowie bei der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI.
WILA Arbeitsmarkt: Sie sind promovierte Biologin. Wie kam es, dass Sie sich für den Immissionsschutz entschieden haben?
Prof. Dr. Isabelle Franzen-Reuter: Als Biologin ist es vielleicht zunächst einmal nicht so naheliegend, in den Immissionsschutz zu gehen. Ich fand aber schon als Jugendliche den Umweltschutz interessant. Im Rahmen meiner Diplom- und dann meiner Doktorarbeit habe ich mich mit Luftschadstoffen und ihrer Wirkung auf Pflanzen beschäftigt.
Über diese Schiene habe ich dann auch meine erste Stelle gefunden im nordrhein-westfälischen Umweltministerium in der Abteilung Immissionsschutz. Konkret zu den Gerüchen bin ich später über meine Tätigkeit beim Verein Deutscher Ingenieure gekommen, wo ich im Bereich der Luftreinhaltung tätig war und mich mit der Standardisierung von Geruchsmessungen und -bewertungen beschäftigt habe.
"Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Frauen für dieses Feld entscheiden."
Heute hätten Sie sich vielleicht im Studium für Umweltwissenschaften entschieden?
Das war damals noch nicht so verbreitet, ich hatte Biologie im Leistungskurs und habe mich daher auch für ein Biologiestudium entschieden. Aber ja, heute würde ich vielleicht Umweltwissenschaften studieren oder Umwelttechnik – in dem Bereich bin ich ja an der Hochschule tätig.
Das ist eine sehr interessante Kombination aus Technik und Umweltschutz, ein sehr vielseitiger und abwechslungsreicher Bereich. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Frauen, die sich für Technik interessieren und den Umweltschutz verbessern wollen, für dieses Feld entscheiden.
- Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
- Die Abonnentinnen und Abonnenten erhalten durch den redaktionellen Teil und die Stellen-Datenbank einen breiten und dennoch konkreten Überblick über derzeitige Entwicklungen in Berufsfeldern und Branchen, können sich anhand der ausgewählten Jobs beruflich orientieren und bleiben so bei der Jobsuche am Ball. Unsere Erfahrung: Viele Abonnent*innen stoßen auf Tätigkeiten, die sie gar nicht auf dem Schirm hatten.
Aus welchen Studienrichtungen kommen die Fachkräfte in dem Bereich? Sind Sie als Biologin eine Exotin?
Ich kenne mehrere Biolog/innen, die sich mit Gerüchen beschäftigen. Und auch Chemiker/innen oder Physiker/innen. Aber vor allem arbeiten Ingenieure und Ingenieurinnen in dem Bereich, das stimmt. Der Schwerpunkt liegt in der Branche auf den Natur- und Ingenieurwissenschaften.
Ist auch ein Quereinstieg möglich?
Es gibt Anknüpfungspunkte zu vielen Studiengängen. Eine Kollegin kommt beispielsweise aus der Psychologie, sie beschäftigt sich mit der Wirkung von Gerüchen.
Gibt es Weiterbildungen für diejenigen, die sich beruflich mit Geruchsimmissionen beschäftigen möchten?
Ja. Zum Beispiel die VDI-Fachtagung „Gerüche in der Umwelt 2019“. Es gibt weitere Fortbildungsveranstaltungen vom VDI oder von Messinstituten. Es gibt beispielsweise Weiterbildungen für Immissionsschutzbeauftragte, die sich regelmäßig fortbilden müssen. Gerade wenn gesetzliche Veränderungen zu erwarten sind, gibt es gezielte Fortbildungen.
"Fachkräfte erledigen alles vom Messen bis zum Geruchsgutachten."
Wer sind mögliche Arbeitgeber?
Zum einen sind das Messinstitute und Ingenieurbüros, die sich auf die Geruchsmessung spezialisiert haben, aber vielleicht auch Lärmmessungen und Schadstoffmessungen durchführen. Solche Institute müssen akkreditiert und qualifiziert sein für die Geruchsmessung, sie müssen bestimmte Methoden anwenden.
Beauftragt werden sie von Industrieunternehmen oder landwirtschaftlichen Betrieben, die beispielsweise einen neuen Schweinestall bauen wollen. Die Behörden verlangen von diesen Betrieben Geruchsgutachten, die belegen, dass bestimmte Werte künftig eingehalten werden.
"Es gibt Schnittstellen zum Immissionsschutz."
Der öffentliche Dienst bietet also ebenfalls Arbeitsmöglichkeiten?
Ja, auch hier werden qualifizierte Fachkräfte gesucht, die sich mit der Thematik auskennen. Sie prüfen und bewerten die Gutachten und entscheiden anschließend, ob sie eine Genehmigung – etwa für den neuen Schweinestall – erteilen. Das sind Immissionsschutzbehörden auf kommunaler Ebene und bei den Städten, auf der höheren Ebene bei den Bezirksregierungen und den Landesumweltämtern.
Zum Teil haben auch größere Industrieunternehmen eigene Immissionsschutzbeauftragte oder Umweltschutzbeauftragte. Oder man entscheidet sich für die Wissenschaft und die Forschung. Es gibt Hochschulen – zwar nicht viele – die sich mit dem Thema beschäftigen. Außerdem wären Verbände wie der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) oder der Verband der Chemischen Industrie (VCI) oder Nichtregierungsorganisationen noch mögliche Arbeitgeber, auch hier gibt es Schnittstellen zum Immissionsschutz.
"Man sollte nicht zimperlich sein bei unangehmen Gerüchen."
Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen?
Wer bei einem Ingenieurbüro oder einem Messinstitut arbeitet, hat viele Außeneinsätze, kommt viel herum und lernt viele Anlagen kennen. Das ist schon attraktiv an dem Beruf. Man arbeitet überall dort, wo es riecht und Geruchsmessungen gemacht werden – das kann eine Großbäckerei oder Kaffeerösterei sein, aber auch ein Schlachthof oder eine Tierkörperverwertung.
Man sollte also nicht zimperlich oder empfindlich sein und muss auch unangenehme Gerüche ertragen können. Wenn man die Geruchsproben selber ziehen muss, sollte man außerdem auch schwindelfrei sein, weil man meist die Proben an den Kaminen in großer Höhe nimmt. Wer bei einer Behörde arbeitet, sollte die rechtlichen Regelungen kennen, aber gleichzeitig eine Affinität zu Naturwissenschaften und Technik besitzen.
Noch werden Gerüche per Nase analysiert und nicht digital?
Es gibt noch kein technisches Messgerät, das Gerüche messen kann. Sie sind zu komplex, man kann die Komponenten nicht einzeln analysieren und dann folgern, wie sie zusammenwirken. Die Wirkung entscheidet sich über die Nase. Gerüche sind sehr subjektiv, der eine fühlt sich belästigt, dem anderen macht es nichts aus.
Es wird aktuell schon viel daran geforscht, Gerüche mit elektronischen Sensoren zu erfassen. Es gibt auch schon Einsatzbereiche für diese elektronischen Sensoren – sofern die Zusammensetzung der Luft bekannt ist. Wenn ein Betrieb zum Beispiel immer nur einen Stoff emittiert und die Gaszusammensetzung daher bekannt ist, können die elektronischen Sensoren zum Einsatz kommen. Die Sensoren müssen aber vorher auf bestimmte Gerüche trainiert werden, damit sie richtig funktionieren.
Da tut sich sicherlich in den nächsten Jahren noch einiges. Es gibt auch den Begriff der „elektronischen Nase“, den ich allerdings ungern verwende, weil er zu Fehlinterpretationen führt. Die Nase kann nicht 1:1 abgebildet werden. Ich spreche lieber von elektronischen Sensoren, die in der Lage sind, bestimmte Zusammensetzungen der Luft zu erkennen, die einen bestimmten Geruch verursachen.
"Ein Eignungstest zeigt, ob die zukünftigen Geruchsprüfer/innen die Durchschnittsnase repräsentieren."
Sie arbeiten bei Ihrer Forschung auch mit Geruchsprüfer/innen zusammen. Wer macht so etwas und wie kann man sichergehen, dass objektive Ergebnisse herauskommen?
Unsere Geruchsprüfer/innen sind meistens Studierende oder andere Freiwillige. Die Anforderungen an Geruchsprüfer/innen sind sehr konkret definiert, es gibt VDI-Richtlinien und DIN-Normen. Mit einem Eignungstest wird vorab sichergestellt, dass sie die Durchschnittsnase repräsentieren – sie sind nur geeignet, wenn sie weder zu empfindlich noch zu unempfindlich sind.
Im Rahmen meiner Forschungsvorhaben an der Hochschule brauche ich die Prüfer/innen, wenn ich Geruchsmessungen mache. Wenn man in der Branche arbeitet, muss man in der Lage sein, sie auszubilden und diese Tests durchzuführen. Man muss die Anforderungen, also die VDI- und DIN-Normen, kennen.
Die Geruchsmessung findet am sogenannten Olfaktometer im Labor statt. In dieses Gerät kommt die Geruchsprobe, die man kurz zuvor vor Ort an einer Industrieanlage in einen Beutel gezogen hat, zum Beispiel an einem Abluftkamin. Mindestens vier, besser mehr, Geruchsprüfer/innen bekommen am Olfaktometer später die Geruchsprobe dargeboten, die sie entsprechend beurteilen müssen. Meine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die Messung korrekt abläuft.
Wie schätzen Sie die Arbeitsmarktperspektiven ein?
Die Anforderungen im Umweltschutz allgemein und im Immissionsschutz nehmen zu. Solange es keine Wirtschaftsflaute gibt, wird daher auch die Geruchsmessung immer gefragt sein. Es geht ja nicht nur um Genehmigungsverfahren, es wird auch regelmäßig kontrolliert, ob die Grenzwerte eingehalten werden. Wenn Minderungstechniken wie Biofilter eingesetzt werden, die Gerüche entfernen sollen, muss man prüfen, ob das auch dauerhaft funktioniert.