Mit Doktorhut auf Jobsuche
Lange durchhalten und sich durchbeißen, das können Promovierende. Eine Veranstaltung an der Uni Bonn hat gezeigt, wie der Berufseinstieg gelingt und welche Optionen Promovierte außerhalb der Wissenschaft haben.
Text: Nicole Kretschmer
Margaux Simon forscht gerne, aber an der Uni fehlt ihr oft die Praxis, weshalb die Bodenwissenschaftlerin den Berufseinstieg in den außeruniversitären Arbeitsmarkt wagen will. Diese Entscheidung ist aber auch mit Sorgen verbunden: „Ich habe mir schon viele Gedanken gemacht, wohin ich möchte, was mir gefällt und wie ich durch eine Bewerbung Aufmerksamkeit erlangen kann“, erzählt sie.
Um sich Tipps zu holen, besucht die 29-Jährige den Karrieretag „Doktorhut – alles gut?!“ an der Universität Bonn. Von der Veranstaltung des Career Center und des Graduiertenzentrums der Uni erhofft sie sich neue Ideen, Ansprechpartner/innen und Impulse für die Selbstfindung.
Viertel vor zehn sitzt Margaux Simon daher mit einem breiten Lächeln und ihren weißen Sneakern in der ersten Reihe des Hörsaals, in dem gleich Dr. Anne Löchte ihre Studienergebnisse über die Sicht der Arbeitgeber auf promovierte Berufseinsteiger/innen erläutern wird. Äußerlich unterscheidet sich Margaux Simon kaum von ihren Altersgenoss/innen, die bereits hinter Schreibtischen in Unternehmen und NGO‘s sitzen. Aber: Im Gegensatz zu ihnen hat sie mit Ende Zwanzig nur wenige Bewerbungen geschrieben und saß noch nie in einem Vorstellungsgespräch – genau wie viele andere der Anwesenden.
Unsicherheit und Zukunftsangst sind zurzeit die ständigen Begleiter der promovierenden Bodenwissenschaftlerin. In der Wissenschaft zu bleiben, wäre bequem, denn hier kennt sie sich aus. In diesem Bereich herrschen aber auch große Defizite: Zeitdruck, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und kaum Weiterbildungsmöglichkeiten. Ein Teilnehmer der Veranstaltung bringt es auf den Punkt: „Die Uni ist als Arbeitgeber nicht gerade sexy.“
Biete: Kernkompetenzen
Ein paar Reihen hinter Margaux Simon sitzt Patrick Günther – lässig mit blauem Hemd und Jeans. Das Klischee des weltfremden Wissenschaftlers aus dem Elfenbeinturm bestätigt auch er nicht. Forschung ist für den 28-Jährigen eine Karriereoption mit Fragezeichen: „Ich bin noch nicht hundert Prozent davon überzeugt, dass ich die Arbeit eines Professors mein Leben lang machen will“, erzählt er und schaut sich deshalb noch in anderen Bereichen um.
Angst vor dem Berufseinstieg hat der Promovierende nicht. Er denkt aber viel darüber nach, ob er eine Stelle findet, die zu ihm passt. Unternehmensberatung interessiert ihn, aber hat er hier eine Chance als Biomediziner?
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Mit der Promotion erlangen die Doktorand/innen nicht nur den Titel, sondern auch viele Kernkompetenzen. Dazu gehören zum Beispiel analytisches Denken, genaues Arbeiten und eine gewisse Leidensfähigkeit, führt Anne Löchte in ihrem Vortrag aus. Ein Lachen geht durch die Reihen – leiden, ja das können sie.
All diese Kompetenzen sind jedoch gefragt – zum Beispiel bei Unternehmensberatungen, die häufig gezielt Promovierte einstellen. Das Problem ist jedoch, dass die Arbeitgeber nicht immer eine Vorstellung davon haben, welche Kompetenzen die Promovierenden haben. Daher müssen die Bewerberinnen und Bewerber „Übersetzungsarbeit“ leisten.
Margaux Simon fühlt sich durch den Vortrag gut abgeholt. Einiges wusste sie, manche Dinge waren ihr jedoch neu: „Mir war nicht klar, dass nur 25 Prozent der Stellen über Stellenausschreibungen vergeben werden. Wie bekommt man da denn einen Job?“ Netzwerken ist eine Möglichkeit. „Ich habe schon ein Netzwerk, aber das sind alles hauptsächlich Leute aus der Wissenschaft“, meint Patrick Günther. Für die Jobsuche möchte er Initiativbewerbungen schreiben und Online-Netzwerke wie Xing nutzen.
Suche: Passende Stelle
Nicht immer ist für eine Stelle der Fachexperte oder Fachexpertin gefragt, sondern eventuell eine Person, die gut schreiben kann oder Erfahrungen im Projektmanagement hat, so Petra van Heek im zweiten Vortrag des Tages. Diese Kompetenzen bringen Promovierende mit. In diesem Sinne schwört die Karriereberaterin die Zuhörerinnen und Zuhörer in ihrem Vortrag darauf ein, sich nicht klein zu machen. Margaux Simon lächelt, diesen Hinweis möchte sie sich auf jeden Fall zu Herzen nehmen.
Es geht jedoch nicht nur darum, passend für den Arbeitgeber zu sein, mahnt van Heek. Die Promovierenden müssen auch schauen, welche Branche zu ihnen passt. Dafür stellt sie die Vor- und Nachteile von außeruniversitären Forschungseinrichtungen, NGO’s, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen vor.
Bei der Auswahl ist zum Beispiel entscheidend, ob die Bewerberinnen und Bewerber eine unbefristete Stelle haben wollen. Eine Forschungseinrichtung sei in dem Fall nicht der richtige Ort. Wer gerne innovativ arbeiten möchte, werde hingegen vermutlich in einer öffentlichen Einrichtung nicht glücklich. Und wer vor allem viel Geld verdienen möchte, der sollte in die freie Wirtschaft gehen.
Der Tag zeigt: Wer gut vorbereitet ist, hat Erfolg! Das betonen auch die Referentinnen und Referenten der Berufswerkstätten, die am Nachmittag stattfinden. Denn auch Fachkräfte mit Doktorhut können es sich nicht leisten, schlechte Bewerbungen abzugeben. Im Gegenteil: Gerade sie müssen genau wissen, wo ihre Stärken liegen und wie sie zum Unternehmen oder der Organisation passen. Um den Promovierenden dabei zu helfen, stellen die Rednerinnen und Redner der Berufswerkstätten Wege in das Wissenschaftsmanagement oder die Daten-Analyse vor.
Margaux Simon und Patrick Günther haben sich für die Berufswerkstatt „Papier statt Polymer – vom Chemielabor in die Verwaltung“ entschieden. Daniel Pursche erzählt hier von seiner Arbeit bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Für Pursche war nach dem Postdoc klar, dass er nicht an die Uni will, aber auch die Industrie hat den Chemiker nicht gereizt.
Er macht deutlich, wie wichtig es ist, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welchen Stellenwert die eigene Forschung im Job haben soll. Denn eigene Forschung betreibt der Chemiker nicht mehr, sondern kümmert sich um die Bearbeitung der Förderanträge. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern rät er, dass sie darüber nachdenken sollen, was ihnen wichtig sei, um dazu passende Stellen zu suchen – und bloß nicht in Panik verfallen. Es gebe viel Schwarzmalerei und die bestätige sich in der Praxis zum Glück nicht.
Auf der Informationsbörse der Veranstaltung nutzt Patrick Günther noch die Gelegenheit, ein paar Broschüren mitzunehmen. Sein Fazit des Karrieretags: „Der Tag war total gut. Jetzt bin ich motiviert, den nächsten Schritt anzupacken.“ Und auch Margaux Simon ist froh, dabei gewesen zu sein: „Der Tag war sehr hilfreich und hat mir viel Input gegeben. Ich bin jetzt auf jeden Fall zuversichtlicher“, so die Doktorandin. Dann kann es ja losgehen: Doktorhut aufsetzen und ran an die Bewerbung!