Abstellgleis nach der Elternzeit
Wer in Elternzeit geht, bekommt danach den alten Job zurück. Anders ging es einem WILA-Arbeitsmarkt-Leser: Nach einem Jahr Kinderbetreuung durfte er nur noch Akten durchblättern.
Text: Sarah Kröger
Nach einem Jahr Elternzeit kam Moritz Schulte zurück an seinen Arbeitsplatz. Sein Stellvertreter, den er zuvor noch eingearbeitet hatte, begrüßte ihn und führte ihn in sein neues Büro: ein kleiner, dunkler und unterkühlter Raum ohne Computer. Da saß der ehemalige Teamleiter, der nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden möchte, nun fröstelnd mit Jacke und durfte verstaubte Aktenordner nach irgendwas mehr oder weniger Belanglosem durchsuchen.
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Noch während Schulte sich um seine beiden Kinder kümmerte, hatte die Geschäftsführung seinem Stellvertreter seinen Job vermacht. Schulte bekam zwar das gleiche Gehalt, war nun aber mit Assistenzaufgaben weit unter seinem Niveau beschäftigt.
Das ist in Deutschland ein klarer Verstoß gegen das Gesetz. Denn Beschäftigte haben zwar nach der Rückkehr aus ihrer Elternzeit nicht den Anspruch auf denselben Arbeitsplatz, aber immerhin auf einen gleichwertigen. Gleichwertig bedeutet, dass die Bezahlung und die Tätigkeit der vorherigen Position entsprechen müssen.
Schulte hatte Führungsverantwortung und hätte dementsprechend auch nach seiner Rückkehr wieder das Recht darauf gehabt. Stattdessen wurde er Assistent der Geschäftsführung.
„Vielen Müttern geht es so, dass sie nach der Elternzeit ihren Job nicht wieder erhalten. Es fällt nur nicht weiter auf, weil sie oft nicht in Vollzeit zurückkehren und somit den Anspruch auf ihren ursprünglichen Arbeitsplatz verlieren“,
sagt Schulte. Er nennt das die „Elternzeitlüge“.
Schulte wollte jedoch gerne wieder Vollzeit arbeiten. Er versuchte zunächst, seine alte Position wieder zu bekommen und redete mit seinem Arbeitgeber, doch der lenkte nicht ein. Dann zog er den Betriebsrat hinzu, der aber nichts bewirken konnte, weil er von der Leitung unter Druck gesetzt wurde. Vom ersten Arbeitstag an dokumentierte Schulte die Aufgaben, die er bekam:
„Das war schon auch Schikane, sie versuchten mich weichzuklopfen.“
Als er sah, dass er im Betrieb nicht weiterkam, holte er sich rechtliche Hilfe. Am Ende lief es auf eine außergerichtliche Einigung heraus, bei der Schultes Arbeitsvertrag aufgelöst wurde. Doch damit ist er nur bedingt zufrieden.
„Eigentlich hätte ich meinen alten Job gerne behalten“,
sagt er. Außerdem findet er, dass es mit einer außergerichtlichen Einigung nicht getan ist:
„Das Arbeitsgericht müsste Verstöße härter bestrafen. Dass Geld gezahlt wird, damit jemand sich einen neuen Arbeitsplatz sucht, passiert immer, wenn ein Arbeitsvertrag vorzeitig aufgelöst wird. Der eigentliche Rechtsbruch – dass jemand seinen ursprünglichen Arbeitsplatz nicht wieder bekommt – wird damit noch gar nicht bestraft.“
Doch warum hatte sein Arbeitgeber – immerhin ein Sozialunternehmen, das Menschen mit Behinderung betreut – kein Interesse daran, ihm seinen alten Posten wiederzugeben? Schulte kann nur mutmaßen.
„Ursprünglich wollte ich nur ein paar Monate in Elternzeit gehen“,
erzählt er. Durch familiäre Umstände entschied er sich dann doch für ein ganzes Jahr. Das schien seinen Arbeitgeber zu schockieren, der damit nicht gerechnet hatte.Vielleicht war dieser auch unsicher, ob Schulte überhaupt zurückkommen würde.
„Und möglicherweise dachten sie auch, dass man in einer Leitungsposition einfach kein Jahr Elternzeit zu nehmen hat“,
vermutet Schulte. Zudem hatte sein Stellvertreter sich in der Zwischenzeit stark bemüht, ein gutes Verhältnis zur Geschäftsführung aufzubauen: Je höher der Posten, desto mehr Konkurrenz gibt es auch.
Schulte hatte glücklicherweise keine großen Probleme, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, da Führungskräfte mit seinen Erfahrungen im sozialen Bereich gesucht werden. Trotz seiner schlechten Erfahrungen würde er jederzeit wieder in Elternzeit gehen. In seinem neuen Job ist er selbst Chef. Es gibt keinen mehr, der ihm eine andere Person auf seinen Posten setzen könnte. Das wird ihm so schnell nicht noch mal passieren.