Reiseleitung im Nebenjob
„Der Job kann süchtig machen": Die Historikerin Sabine Tanner ist an rund 100 Tagen im Jahr als Leiterin von Studienreisen unterwegs (Foto: privat).

Reiseleitung im Nebenjob

Nach der Geburt ihrer Kinder wollte sie das Reisen nicht sein lassen: Die Historikerin Sabine Tanner begleitet nebenberuflich Studienreisen in die ganze Welt.

Text: Melissa Strifler

Die Welt entdecken, Details wahrnehmen und sie anderen Menschen zeigen: Das ist Sabine Tanners Ding. Sie ist nebenberuflich als Reiseleiterin unterwegs, und auch hauptberuflich beschäftigt sie sich mit dem Reisen und bildet seit 2009 professionelle Reiseleiter/innen aus.

Die 39-Jährige absolvierte nach ihrem Studienabschluss der Geschichte an der Universität Wien noch eine Diplom-Ausbildung zur Trainerin in der Erwachsenenbildung. Danach setzte sie einen Fuß in den Journalismus, machte eine Ausbildung zur Radiomoderatorin und war als Journalistin und Lektorin tätig. Ab 2004 arbeitete sie als Studienreiseleiterin in Europa und arabischen Ländern. Sie fing mit kleineren Reisebegleitungen innerhalb von Österreich an, bald war sie auch im Ausland unterwegs. „Das war eine wunderbare Zeit“, erinnert sich Tanner.

Nach der Geburt ihres Sohnes kündigte sie ihren Job als Studienreiseleiterin, den sie zwei Jahre lang sogar hauptberuflich ausübte, und gründete 2011 ihr eigenes Bildungsinstitut, die Akademie des Sprechens in Wien. Nur vier Jahre später rief sie die Reiseleiter-Akademie Wien ins Leben. Ihre Leidenschaft, den Beruf als Reiseleiterin, verfolgt sie nun nebenberuflich, indem sie das ganz Jahr über Reisen begleitet.

Schon als Kind in der ganzen Welt unterwegs

 „Als Kind haben mich meine Eltern in jeden Ferien zu geführten Studienreisen mitgenommen. Wir waren in Ägypten, Andalusien, Kanada, Rumänien und vielen anderen Ländern. Das war eine sehr prägende Zeit“, erzählt Tanner. In diesen Jahren lernte sie viele Reiseleiterinnen und Reiseleiter kennen, analysierte ihr Verhalten und den Reiseablauf. „Bald war für mich klar, dass ich später auch einmal Reiseleiterin werden möchte. Deshalb habe ich die Ausbildungen gemacht, die mir mein ganzes Wissen vermittelt haben. Diese Kombi ist die ideale Voraussetzung für die professionelle Studienreiseleitung.“

 Auf Knopfdruck muss Tanner das Fachwissen über das jeweilige Land parat haben. Das bedeutet auch, sich jeden Tag perfekt für den kommenden Tag vorzubereiten – inhaltlich und organisatorisch. „Das alles ist nicht sehr familienfreundlich, aber der abwechslungsreiche Tagesablauf macht Spaß“, erklärt sie. „Mit einer großen Portion an Hausverstand und Bodenständigkeit, enormer Lebensfreude und Enthusiasmus ist es der richtige Job, der süchtig machen kann.“

Kurze Reisen lassen Zeit für die Kinder

 Organisieren, moderieren, die Lebensgeschichten der Gäste kennenlernen: Das alles macht für Tanner den Beruf als Reiseleiterin aus. Als selbstständige Unternehmerin kann sie sich ihre hauptberuflichen Arbeitszeiten flexibel einteilen. Der Nebenjob ist gut damit vereinbar und eine spannende Ergänzung. Wegen ihrer zwei Kinder fährt sie nur noch bei zwei- bis fünftägigen Reisen mit. Der Nebenjob ist daher die ideale Lösung für sie. Er bedeutet um die 100 Reisetage  im Jahr.

 „Beide Tätigkeiten sind sehr ähnlich. Es geht immer um Wissensvermittlung und um das Leiten und Begleiten von Gruppen“, erzählt sie. Während es in dem einen Fall um die Ausbildung geht, dreht sich bei dem Nebenjob alles um die Reise selbst. „Ich mache die Reiseleitung jetzt nebenberuflich, um am Ball zu bleiben und im Lehrgang aktuelle Geschichten und Anekdoten von der Arbeit erzählen zu können“, so Tanner. Manchmal nimmt sie auch interessierte und angehende Reiseleiter/innen bei einem Trip mit, um ihnen die wichtigsten Abläufe während der Arbeit hautnah zeigen zu können. Als Trainerin in der Erwachsenenbildung muss die zweifache Mutter laufend Weiterbildungen besuchen, um ihre Zertifizierungen zu verlängern. Außerdem stockt sie ihr Wissen bei Reisen in neue Städte und Regionen auf.

Natürliche Autorität ist wichtig

Fachkenntnisse in Geschichte, Kunstgeschichte und Geographie sind Grundvoraussetzung für eine Reiseleiterin oder einen Reiseleiter. Spezielle Kenntnisse für Kulinarik-, Wein- oder Gartenreisen hält Tanner ebenfalls für hilfreich. „Das Servicedenken spielt hier eine große Rolle. Außerdem sollte man Führungsqualität haben und eine natürliche Autorität ausstrahlen. Natürlich sollte man auch Freude daran haben, ständig unterwegs zu sein und neue Menschen kennen zu lernen.“

Sabine Tanner ist stressresistent. Sie kann zwei Berufe und Familie gut verbinden, weil sie Spaß an dem hat, was sie tut. „Reiseleitung ist eine Lebenseinstellung. Man muss das Leben ‚on the road‘ einfach mögen, sonst wird man irgendwann irre“, erzählt sie. „Wenn man das hauptberuflich macht, ist man den ganzen Tag unterwegs, ständig auf Achse, fast nie zu Hause. Eine Partnerschaft zu führen, ist fast unmöglich.“

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Tanner zufolge bringt ihr der Nebenjob ein nettes Taschengeld, allerdings sollte man die Arbeit ihrer Meinung nach nicht wegen des Geldes machen. Am Ende der Reise stehe die Geldsumme zum Aufwand in keiner Relation. Für Singles, Studierende und Pensionäre hingegen sei es sicher möglich, davon zu leben. Die Arbeit muss einem allerdings liegen, betont sie: „Es ist ein ständiges Leben in einer Ausnahmesituation, ein Leben in Highlights. Die Gäste sind im Urlaub und wollen ein sensationelles Programm erleben. Für uns als Reiseleiter ist jeder Reisetag ein 'normaler' Arbeitstag. Man ist ständig auf Adrenalin. Dem muss man gewachsenen sein. Und trotzdem am Boden bleiben.“

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