Kunstvermittlung: Lust auf Kultur wecken
Ob per App oder in der klassischen Führung: Museen richten ihre kulturellen Angebote an viele verschiedene Zielgruppen. Gerade deswegen haben Quereinsteiger/innen gute Chancen.
Text: Max Böhner
Kunstvermittlung, Vermittlung in Museen, Kulturvermittlung: Mittlerweile werden viele Begrifflichkeiten benutzt, um das facettenreiche Feld der früher so genannten „Museumspädagogik“ zu benennen.
An einigen deutschen und österreichischen Universitäten kann man mittlerweile sogar Kunstvermittlung im weitesten Sinn studieren; so gibt es unter anderem an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin den Studiengang „Museumskunde“, an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg „Museologie und materielle Kultur“ oder an der Uni Bremen „Kunst- und Kulturvermittlung“. Doch auch Menschen, die keinen auf Kunstvermittlung zugeschnittenen Studiengang studiert haben, haben gute Chancen auf einen Quereinstieg.
Der richtige Einstieg
Dr. Jessica Mack-Andrick (siehe Foto links) ist stellvertretende Leiterin des Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrums der Museen in Nürnberg (KPZ), das die museumspädagogische Vermittlung für über zwölf Museen und Ausstellungsorte in Nürnberg zentral gestaltet und leitet, darunter das Germanische Nationalmuseum, das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände und das Albrecht-Dürer-Haus.
Jessica Mack-Andrick hält das Kunstgeschichte-Studium nicht für obligatorisch: „Ein naturwissenschaftliches Museum braucht jemanden, die oder der Naturwissenschaften studiert hat. Insofern kommt es sehr auf den Museumstyp an. In einem Kunstmuseum wird wiederum eher jemand aus der Kunstvermittlung oder Kunstgeschichte gebraucht.“
Es hängt also von der Ausrichtung der Häuser ab, welches Wissen und welche Kenntnisse sich beruflich verwerten lassen. Wenn man beispielsweise Archäologie studiert hat und in einem Museum für Archäologie arbeiten will, stehen die Chancen gut, dort in eine Position in der Kunstvermittlung zu gelangen. Die Berufsbezeichnungen „Museumspädagog/in“ und „Kunstvermittler/in“ sind nicht geschützt, was die bunten Hintergründe der Menschen in diesem Feld erklärt. Jessica Mack-Andrick arbeitet am KPZ mit über 100 freien Mitarbeiter/innen zusammen, die aus verschiedensten Fachrichtungen kommen.
Wybke Wiechell, die die Abteilung Bildung und Vermittlung der Hamburger Kunsthalle leitet, bevorzugt es hingegen, „wenn die Vermittler eine fundierte Ausbildung in Kunstgeschichte haben. Gut sind auch künstlerische oder kunstpädagogische Ausbildungen.
Viele Kolleginnen und Kollegen haben zwei unterschiedliche Ausbildungen absolviert.“ Wybke Wiechell beispielsweise hat Kunstgeschichte, Literatur, Erziehungswissenschaften auf Magister und später berufsbegleitend BWL studiert. Doch wie immer gibt es keinen Musterlebenslauf: „Man muss gut mit Menschen umgehen, anschaulich erklären können und einen soliden fachlichen Hintergrund haben“, erklärt sie.
Weniger kunstgeschichtlich läuft es im Schwulen Museum* (das Sternchen im Namen ist gewollt) in Berlin ab. Carina Klugbauer (siehe Foto), die dort als wissenschaftliche Volontärin arbeitet, koordiniert unter anderem die Bildungs- und Vermittlungsarbeit. Daneben ist sie auch in Ausstellungsprojekte, in das Fundraising des Schwulen Museums* und in Archivarbeiten involviert.
Sie selbst hat Politikwissenschaften, Soziologie, Politische Theorie und Gender Studies studiert und war schon während des Studiums in der außerschulischen Bildungsarbeit mit Jugendlichen tätig. Auch das restliche Vermittlungsteam des Schwulen Museums* hat gemischte Hintergründe: „Die meisten haben Erfahrung in der politischen Bildungsarbeit oder der queeren Jugendbildung, haben sozial-, geistes- und kulturwissenschaftliche Studiengänge studiert, ein Teil hat Volontariate in Museen gemacht“, erklärt Carina Klugbauer.
Das derzeitige Team setzt sich zusammen aus Absolventinnen und Absolventen der Gender Studies, Geschichte, Soziologie, Politischen Theorie und Politikwissenschaften. Zusätzlich werden am Schwulen Museum* Führungen von Zeitzeugen durchgeführt, beispielsweise von Menschen, die in der frühen Schwulenbewegung aktiv waren und von ihren Erfahrungen berichten. Auch die Koordination dieses Kulturvermittlungsprogramms liegt bei Carina Klugbauer. Ein Studium der Kunstvermittlung ist, das zeigt die Bandbreite der Erfahrungen der Kunstvermittler/innen, nicht nötig.
Nicht nur Schulklassen
Genauso verschieden wie die Abschlüsse der Kunstvermittler/innen sind auch die Bezeichnungen für die Kunstvermittlung selbst. Wybke Wiechell bevorzugt den Begriff der „Kunstvermittlung“, der nicht die gesamte Kulturvermittlung einschließt, aber als Teil davon betrachtet werden kann.
Gleichzeitig umgeht man dadurch die Einengung, die mit dem Begriff „Museumspädagogik“ einhergeht, wie Wybke Wiechell feststellt: „Museumspädagogik sagt heute eigentlich fast niemand mehr. Das kommt noch aus der Geschichte unseres Berufs, aber wir vermitteln nicht nur an Kinder. Wir sind auch meistens keine Pädagogen, sprich Lehrer.“
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Auch für Carina Klugbauer vom Schwulen Museum* ist die Bezeichnung „Museumspädagogik“ ungenau: „Oftmals wird dieser Begriff zu Unrecht lediglich mit der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Verbindung gebracht – er umfasst im Sinne des in der Museumsarbeit immer wichtiger werdenden Fokus auf lebenslanges Lernen alle Altersgruppen.“
Einer der Pioniere der Kunstvermittlung, Alfred Lichtwark, besprach bereits um 1900 mit Kindern die Exponate in der Hamburger Kunsthalle. Der Begriff „Museumspädagogik“ verunklart also eher. Die Angebote für Kinder, zum Beispiel in Schulklassen oder Kindergärten, stellen nur einen Teil der Kunstvermittlung dar. Allein das KPZ in Nürnberg bietet etwa 4.500 Veranstaltungen im Jahr an, von denen nur etwa die Hälfte Veranstaltungen für Schulklassen und Kindergärten sind.
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Die Vermittlung im Museum reicht vom Saaltext über die Objektschilder, die Führungen und den Katalog bis hin zur Homepage, so Jessica Mack-Andrick. Gleichzeitig unterscheidet sich jede Führung von der anderen: „Mittlerweile hat sich das Angebot aufgefächert, und die Museumspädagogik entdeckt jedes Jahr quasi eine neue Zielgruppe, was Chance und Herausforderung zugleich ist.
Außerdem gleicht die eine Schulklasse nicht der anderen. Die sind nach Alter gegliedert, und dann gibt es Angebote für die Übergangsklassen, wo die Kinder erst einmal Deutsch lernen müssen. Das sind dann interkulturelle Herausforderungen.“
Doch wann genau fängt man im Laufe einer Ausstellung eigentlich mit der zugehörigen Kunstvermittlung an? Für Carina Klugbauer sollte die Vermittlung „schon früh in der Ausstellungskonzeption und im kuratorischen Konzept mitbedacht werden. Sie kreist um die grundlegende Frage, wie die Museumsinhalte über Exponate den Besucherinnen und Besuchern vermittelt werden können, welche Fragen und Inhalte man transportieren möchte, welches Narrativ erzählt werden soll.“ Bereits in der Kuration einer Ausstellung muss also schon mitbedacht werden, was später wie an Interessierte vermittelt werden wird.
„Das hat was mit mir zu tun“
Worum es hingegen nicht geht, ist das formvollendete wissenschaftliche Arbeiten auf akademischem Niveau. Am 13. September 2017 reagierte das British Museum auf die Frage, warum manche asiatische Namen auf Schildern im Museum nicht genannt werden, auf Twitter: „We aim to be understandable by 16 year olds. Sometimes Asian names can be confusing, so we have to be careful about using too many.“
Darauf folgte eine Welle der Entrüstung über den Umgang mit „fremd“ klingenden Namen in der Kunst- und Kulturvermittlung. Als Beispiel für die Schwierigkeit, die verschiedenen Namen ein und derselben Göttin auf einem Schild zu erwähnen, nannte das British Museum die buddhistische Bodhisattva (zu Deutsch „Erleuchtungswesen“), die auch bekannt ist unter den Namen „Avalokitesvara“ in Indien, „Guanyin“ in China, „Kwanum“ in Korea und „Kannon“ in Japan.
Stößt da die Museumpädagogik an ihre Grenzen, wenn Dinge unter den Tisch fallen, um vermeintlich verständlicher zu wirken? Jessica Mack-Anrick meint: „Das sind mehrere Probleme in einem. Zum einen finden sich Bevölkerungsteile aus verschiedenen Kulturen in den Museen nicht wieder und fühlen sich nicht repräsentiert. Das ist ein ganz großes Problem, weil die Museen oft älter sind und diesem Veränderungsprozess in der Gesellschaft noch nicht Rechnung tragen.
Einige Museen fangen nun an und zeigen Objekte beispielsweise zur Migrationsgeschichte. Hier ist der Fall etwas anders gelagert: Hier sind Objekte da, und es werden Dinge heruntergebrochen. Das muss die Vermittlung im Museum. Sie muss manchmal vereinfachen. Sie darf aber deswegen auf keinen Fall verflachen oder verfälschen.“
Wissenschaftliche Fragen und Methoden seien nicht übertragbar auf die Kunstvermittlung, da sie oft zu komplex seien, erklärt Mack-Andrick weiter, „und genau da setzt die Vermittlung an. Dinge werden so erzählt, dass verschiedene Zielgruppen sie nachvollziehen können beziehungsweise dass Menschen das Gefühl bekommen: Das hat was mit mir zu tun.“
Auch Wybke Wiechell von der Hamburger Kunsthalle weiß, dass es kein „Allheilmittel“ gegen Grenzen gibt, auf die man in der kunstvermittelnden Arbeit stößt. Fragen, die sie sich stellt, sind unter anderem: „Wer will einen Fachtext lesen? Wie kann ich diese Gruppe erreichen? Wer möchte oder braucht einen einfachen Text? Museen müssen entsprechend unterschiedliche Angebote machen.“ Die Hamburger Kunsthalle diskutiert gerade zum Beispiel darüber, wie künftig mit Texten im Museum umgegangen werden soll. Kein Museumsbeschäftigter will eine Verflachung und dadurch Ausgrenzung anderer Menschen, die ja gerade einbezogen und angesprochen werden sollen.
Kunst für wirklich alle?
Man muss sich an dieser Stelle auch die Frage stellen, ob es Kunst oder Kultur gibt, die nicht allen Menschen oder Menschengruppen vermittelt werden kann. „Es gibt keine Deutungshoheit, die wir Vermittler festlegen“, so Wybke Wiechell, „das wäre übergriffig – sowohl der Kunst als auch den Menschen gegenüber. Fakt ist aber, dass einige Themen oder Motive bei manchen Zielgruppen besonders beliebt sind.“
Auch für Jessica Mack-Andrick vom KPZ (Foto KPZ-Kunstvermittlung im GNM, Aufnahme von Thomas Ruppenstein) sollte Kunst immer vermittelbar sein, auch wenn es, wie zum Beispiel im interkulturellen Bereich, manchmal große Herausforderungen gibt: „Beispielsweise gibt es unterschiedliche Darstellungstraditionen, und in manchen Kulturen werden bestimmte Darstellungen dann als anstößig oder problematisch empfunden beziehungsweise als etwas, was man einfach nicht ins Museum stellen würde.“
Sie empfiehlt jedoch, immer in den Dialog zu treten und dabei die Exponate vor ihrem jeweiligen Kontext der Entstehung und ihrer ursprünglichen Bedeutung zu vermitteln, wofür man auch Fingerspitzengefühl benötige.
Carina Klugbauer vom Schwulen Museum* in Berlin sieht vor allem ein Problem der Inklusion in der Kunst- und Kulturvermittlung: „Museen sind leider nicht immer Orte, an denen sich Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Bildungswegen gleichermaßen wohlfühlen oder die sie überhaupt als Orte wahrnehmen, die für sie auch etwas zu bieten haben.“
Ihrer Meinung nach hänge dies mit der nicht inklusiv genug gestalteten Besucherorientierung zusammen. Sie bezieht sich hier zum Beispiel auf Menschen, die keinen bürgerlichen, akademischen Hintergrund haben und sich vor der Kunst verschließen, weil sie es sich selbst nicht zutrauen, sie zu verstehen. Genau darin liegt für Carina Klugbauer ein Kern des Vermittlungskonzepts: „Wie schaffen Museen es, ihren Besucherkreis zu erweitern und zu Orten zu werden, die ein diverseres Publikum interessieren können und ihnen das Gefühl geben, dort auch willkommen zu sein? Ästhetische Bildung ist eine Form des Lernens, die allen Menschen zugänglich gemacht werden könnte und sollte.
Museum 2.0
In den letzten Jahren gab es in der Vermittlung im Museum zusätzlich einen entscheidenden Einschnitt: die Digitalisierung. Es gibt mittlerweile in den meisten Museen digitale Angebote. Diese reichen von Augmented-Reality-Apps, die Hinweise zu den Ausstellungsstücken liefern, über Multimedia-Guides und Websites bis hin zu Tablet-Führungen.
Doch nicht jedes Museum kann diese Technik bezahlen: „Es ist ein Zusatzangebot und ein zusätzliches Standbein der Vermittlung, das viele Chancen beinhaltet. Oft sind jedoch die Kosten ein Problem. Nicht jedes Museum kann sich eine App, einen Multimedia-Guide oder die entsprechenden Agenturen leisten, die die Webauftritte gestalten“, betont Jessica Mack-Andrick, die in der Digitalisierung der Museen Chance und Herausforderung zugleich sieht.
Museen entstehen Probleme durch neue Betriebssysteme, die zum Beispiel nicht mehr mit der teuer gestalteten App kompatibel sind. Nur wenige Museen, wie das Städel in Frankfurt am Main, können sich das digitale Angebot auf professioneller Ebene leisten. Bei der Digitalisierung der Kunstvermittlung muss also genau auf die Finanzen geachtet werden.
Persönliche Führungen durchs Museum seien nach wie vor stark nachgefragt, betont Mack-Andrick. Zumindest könne man dann aber eine Vergleichsabbildung auf dem Tablet zeigen statt der Schwarz-Weiß-Kopien, die noch vor einigen Jahren verwendet wurden. Sie sieht in der Technik eher Werkzeuge, die benutzbar sind, die aber die klassische Vermittlungsarbeit nicht komplett ersetzen könnten oder werden: „Was wir in der Museumspädagogik erstreben, ist ja auch, dass die Menschen ihre Wahrnehmung schulen, dass sie intellektuell herausgefordert werden, dass sie Fragen stellen, in den Dialog kommen und auch, dass sie Spaß haben. Das alles kann man mit einer guten Führung erreichen.“
Neben der Digitalisierung kreist die Museumspädagogik wie auch die gesamte Museumswelt um Fragen der gesellschaftlichen Relevanz: Wie verhält man sich in unserer multikulturellen und sich demografisch verändernden Gesellschaft? Jessica Mack-Andrick weiß, worauf es in der Kunstvermittlung und generell im heutigen Museumsbetrieb ankommt: „Man muss es schaffen, integrativer und inklusiver zu arbeiten.
Zum Beispiel stellt sich die Frage: Was machen wir an Angeboten für die Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen?“ Auch hier ist die Kunstvermittlung direkt an den Menschen und behandelt Fragen von gesellschaftlicher Relevanz. Apps können hier Hilfsmittel sein, um zum Beispiel sprachliche Barrieren abzubauen – aber eine Museumspädagogin oder einen Museumspädagogen bei weitem nicht ersetzen.
Und kleine Museen?
Das Schwule Museum* in Berlin ist ein kleines und nicht-staatliches Museum, für das es generell schwieriger ist, ein umfangreiches museumspädagogisches Programm anzubieten. Oft liegt das an den Personalkosten, die bei der Konzipierung und Durchführung eines ausgefeilten Programms anfallen. Zurzeit bietet das Schwule Museum* zweimal pro Woche öffentliche Führungen und buchbare Gruppenführungen für Erwachsene, Jugendliche und Schulklassen an. Gelegentlich finden dort auch Workshops oder Projekte mit Schulklassen statt.
Zudem gibt es regelmäßige Veranstaltungen begleitend zu den Ausstellungen und auch zu Themen, die nicht an eine bestimmte Ausstellung gekoppelt sind. Für ein Programm für Menschen mit Beeinträchtigungen reichen die personellen Mittel dann jedoch nicht mehr aus. Wer sich also für spezifischere Kunst- und Kulturvermittlung interessiert, kann dies an einem kleineren Museum ehrenamtlich tun – oder Ausschau halten nach Jobs in größeren Einrichtungen. Die Hamburger Kunsthalle bietet zum Beispiel ein großes Programm für Menschen mit Beeinträchtigungen an: für Blinde, Sehbehinderte, Gehörlose, Schwerhörige und Demenzkranke.
Gehälter und Honorare
Auch die Gehälter gehen weit auseinander. Sie hängen ganz von der Größe und der Förderung des jeweiligen Museums ab und auch davon, ob man festangestellt ist oder freiberuflich mal für das eine, mal für das andere Museum arbeitet. In letzterem Fall kommt es auch darauf an, wie viele Führungen letztlich geleistet werden. Einheitliche Regelungen gibt es dabei nicht. Wybke Wiechell zählt zu den Festangestellten und ist damit im öffentlichen Dienst, also nach Tarif beschäftigt.
Die freien Kunstvermittler/innen erhalten Honorare nach Vereinbarung. Dabei gibt es eine schöne Entwicklung, die zum Beispiel im Schulwesen so nicht existiert: die gleiche Entlohnung der Arbeit, egal, ob Vermittlerinnen der Hamburger Kunsthalle mit Kindern oder mit Erwachsenen arbeiten. „Das finde ich wichtig, denn das eine ist nicht einfacher oder schwerer als das andere“, sagt Wybke Wiechell. Doch eine Ausnahme gibt es: „Wenn man sich thematisch besonders tief einarbeiten muss, bekommt man mehr bezahlt als für eine Standardführung durch die Highlights.“
Der Bundesverband freiberuflicher Kulturwissenschaftler (BfK) listet Richtwerte für die Honorare. Für eine einfache Standardführung von anderthalb Stunden solle man 80 bis 100 Euro, für eine Spezialführung von zwei Stunden 200 bis 700 Euro erhalten, zuzüglich der Konzeptionskosten, die mit 60 bis 80 Euro pro Stunde veranschlagt werden. Auf dem Papier klingt das, als könne man mit einer einzigen Führungskonzeption schnell 1.000 Euro oder mehr verdienen.
Dass diese Richtwerte eben nur Empfehlungen sind, wird klar, wenn man Carina Klugbauer fragt: „Soweit mir bekannt, werden diese Honorarempfehlungen nur selten eingehalten. In meinem Fall ist die Vermittlungsarbeit Teil meines Volontariats. Ich werde als wissenschaftliche Volontärin mit einer vollen Stelle mit 50 Prozent des TV-Ls (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder) bezahlt, weil Volontariate als eine Art Ausbildungsverhältnis gelten. Selbst das ist keine Selbstverständlichkeit – die Gehälter für Volontariate sind nicht tariflich festgelegt.“
Zwischen Kunst und Menschen
Die meisten derzeitigen Ausschreibungen für Festanstellungen sehen ein Gehalt nach Entgeltgruppe 13 oder 9 TV-L vor. Das bedeutet ein Einstiegsgehalt zwischen ungefähr 2.600 Euro und 3.500 Euro brutto – wenn die Tarife eingehalten und die Stellen nicht, was oft der Fall ist, als 50-prozentige Teilzeitstelle ausgeschrieben werden. Bei Wybke Wiechell und ihren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen in der Hamburger Kunsthalle sieht es wiederum anders aus: „Ich selbst bin sehr hoch gruppiert, und meine wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen sind es auch. Es ist wichtig, dass Vermittlerinnen und Vermittler auch finanziell auf Augenhöhe mit Kuratoren stehen“, sagt die Angestellte.
Was die Arbeit interessant, mitunter aber auch herausfordernd macht: In der Vermittlungsrolle sitzt man gewissermaßen zwischen den Stühlen – zwischen Kunst und Kultur sowie Menschen, die mehr über die Kunst erfahren wollen. Ganz genau beziffern lässt sich die zeitliche Aufteilung zwischen Kunst und Kultur einerseits und pädagogisch-didaktischen Fortbildungen und Konzeptionen andererseits natürlich nicht.
Jessica Mack-Andrick weiß, dass es ein Spagat ist: „Es gibt Menschen, die gerne klassisch kunsthistorisches Wissen weitergeben, was wichtig ist und was auch viele Menschen im Museum suchen. Museumspädagogen, die an den Häusern angestellt sind, müssen aber auch strategisch denken und über die rein inhaltliche Vermittlung hinausdenken: Welche Programme mache ich für wen?“ Als Beispiel für ein nicht primär der Wissensvermittlung dienendes Programm nennt sie die Arbeit mit Demenzerkrankten. Hier „geht es in erster Linie darum, eine schöne Zeit im Museum zu haben“.
Auch generell muss man in der Arbeit als Vermittler oder Vermittlerin im Museum flexibel sein, sich der Gesellschaft anpassen, also auf die Menschen und ihre Bedürfnisse eingehen. Im Schwulen Museum* denkt Carina Klugbauer beispielsweise bereits bei der Ausstellungskonzeption aus Sicht der Besucher/innen mit und versucht, „Ausstellungen möglichst barrierefrei oder -arm zu gestalten, indem beispielsweise Ausstellungs- und Objekttexte in einer gut lesbaren Schriftype und -größe angebracht werden, und darauf zu achten, auch den Individual-Besucher/innen die selbstständige Erschließung der Exponate und der Ausstellungsthemen zu ermöglichen.“
Auch würde sich Carina Klugbauer wünschen, dass alle Museen verstärkt Aspekte von Geschlecht, Gender und Sexualität mitbedenken, wie zum Beispiel eine gendersensible Sprache, die nicht in allen Museen Standard ist. Mit Sicherheit können Kunst- und Kulturvermittler/innen von einem gegenseitigen Austausch und gemeinsamen Projekten nur profitieren, um mehr Menschen anzusprechen statt auszuschließen. Wybke Wiechell formuliert es folgendermaßen: „Wir sind dicht an beidem: der Kunst und den Menschen. Wenn die Begeisterung für Kunst von uns auf die Gäste überspringt, haben wir unseren Job richtig gemacht.“
- Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
- Die Abonnentinnen und Abonnenten erhalten durch den redaktionellen Teil und die Stellen-Datenbank einen breiten und dennoch konkreten Überblick über derzeitige Entwicklungen in Berufsfeldern und Branchen, können sich anhand der ausgewählten Jobs beruflich orientieren und bleiben so bei der Jobsuche am Ball. Unsere Erfahrung: Viele Abonnent*innen stoßen auf Tätigkeiten, die sie gar nicht auf dem Schirm hatten.