"Am Arbeitsplatz herrscht Gleichberechtigung"
Selbstbewusste Praktikanten, der erhobene Zeigefinger eines alten Kollegen: Wenn Generationen aufeinandertreffen, kann es schnell knallen. Wie man sich trotzdem zusammenrauft, erklärt Kommunikationstrainerin Ursula Wawrzinek.
Ursula Wawrzinek aus München hat Sozialpädagogik und Betriebswirtschaft studiert. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Konfliktberaterin und Kommunikationstrainerin und hat bereits mehrere Ratgeber zu dem Thema veröffentlicht. Christina Nerea Burger sprach mit ihr über Generationenkonflikte am Arbeitsplatz.
WILA Arbeitsmarkt: Was ist nach Ihren Erfahrungen eine besonders kritische Konstellation am Arbeitsplatz?
Ursula Wawrzinek: Interessanterweise herrscht bei meinen Beratungen gar nicht das Klischee „junger Chef – älterer Mitarbeiter“ vor. Das gibt es natürlich auch. Aber viel öfter unterstütze ich bei der Schlichtung von Generationenkonflikten unter Kollegen.
Was raten Sie Menschen verschiedener Generationen, damit sie gut zusammenarbeiten?
Ich habe zwei Tipps, die eigentlich nie aus der Mode kommen und für Jung und Alt gleichermaßen gelten. Zum einen muss allen klar sein, dass am Arbeitsplatz unter Kollegen Gleichberechtigung herrscht. Das ist mitunter schwierig für die ältere Generation. Denn sie muss sich vom Altersbonus verabschieden, der lange Zeit galt. Und verstehen, dass jeder Mensch, sobald er 18 Jahre alt wird, ein gleichberechtigter Erwachsener ist.
Wenn man früher als junger Mensch in ein Team gekommen ist, dann hat man sich zunächst zurückgehalten. Es gab gewisse Anstandsregeln, man passte sich an, fragte viel, folgte den Anweisungen und ordnete sich unter. Das ist heute nicht mehr so. Da kommt schon mal der selbstbewusste Praktikant in den Raum und schließt das Fenster, bevor er anfängt zu arbeiten, weil ihm kalt ist.
Alleine so eine Banalität kann dafür sorgen, dass ein anderer Mitarbeiter sich auf den Schlips getreten fühlt. Gleichermaßen müssen die jungen Arbeitskräfte darauf achten, das bestehende System mit seiner Historie angemessen zu würdigen, Abläufe und Erfahrungen verstehen zu wollen und nicht direkt alles umzuwälzen.
Der zweite wichtige Punkt ist eine angemessene Sprache. Kollegen haben sich untereinander nichts vorzuschreiben. Sie sollten stets auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und respektvoll sein. Ansonsten droht, dass die Zusammenarbeit von Jung und Alt an eine Eltern-Kind-Beziehung erinnert: Der erhobene Zeigefinger im Ton ruft eine rebellische Reaktion beim Kritisierten hervor und umgekehrt.
Praktisches Beispiel: Ein älterer Mitarbeiter spricht die Sekretärin immer etwas von oben herab mit „Schätzchen“ an und fordert sie auch einmal auf, ihr „Kaffeekränzchen“ zu beenden. Wie weise ich diesen Mitarbeiter darauf hin, dass er respektvoller mit der Sekretärin umgehen soll?
In diesem konkreten Beispiel muss zunächst einmal geprüft werden, um wessen Angelegenheit es sich hier handelt. Ich beobachte dieses Verhalten als Außenstehende und es stört mich. Aber vielleicht ist es für die Sekretärin in Ordnung, und auch in die Kommunikation zwischen beiden passt es. Am besten ist es daher, ich spreche erst einmal die Sekretärin an und frage nach. Selbst wenn sie aber offensichtlich darunter leidet, sollte nicht ich den Konflikt bei dem Kollegen ansprechen. Denn indem ich das täte, würde ich die Sekretärin in ihrer Position schwächen. Besser sollte ich sie dazu ermutigen, ihr Problem selbst zu klären. Ich kann sie darin unterstützen, einen Weg zu finden, wie sie es bei dem älteren Kollegen ansprechen kann.
Wie zum Beispiel?
Das könnte sich wie folgt anhören: „Herr Meyer, es ist bestimmt nett gemeint, wenn sie mich Schätzchen nennen. Aber ich möchte das nicht. Das passt für mich nicht zum Job. Bitte sprechen sie mich mit meinen Nachnamen an.“ Auf diese Weise bewahrt der Kollege sein Gesicht.
Wenn er sein Verhalten trotzdem nicht ändert, kann die Sekretärin das nächste Mal spielerischer mit dem Konflikt umgehen, zum Beispiel indem sie antwortet: „Mausebärchen, was brauchst du heute?“ Und danach weist sie ihn noch einmal sachlich darauf hin, dass sie nicht Schätzchen genannt werden möchte.
Wenn ich mich als Außenstehende nichtsdestotrotz in den Konflikt der beiden einmischen möchte, muss ich klären, welcher Teil mich etwas angeht, also aus welchem Motiv heraus ich das tue. Als emanzipierte Frau, die das beobachtet, hat man Motiv genug. Man kann zu dem Mitarbeiter gehen und sagen: „Ich möchte einen Punkt ansprechen, der mich stört. Ich habe zufällig gehört, dass du unsere Sekretärin Schätzchen nennst. Das ist für mich unpassend. Als Kollegin und Frau empfinde ich das als keinen guten und auch nicht wirklich respektvollen Umgangston.“
Anders verhält es sich noch mal als Führungskraft. Wenn ich als Chefin oder Chef solches Verhalten am Arbeitsplatz beobachte, muss ich es ansprechen und korrigieren.
Vielen Dank!
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