Wissenschaft ade!
Sie sind gestandene Akademiker/innen und stehen vor einem Problem: Die Uni will sie nicht mehr, und der allgemeine Arbeitsmarkt erschließt sich ihnen nicht. Ein neues Buch beschäftigt sich mit den Nöten der Freigestellten aus Forschung und Lehre.
Text: Andreas Pallenberg
Die Jungakademiker/innen an den Universitäten bilden das Rückgrat der Wissenschaft. Sie halten ihren Professor/innen den Rücken frei, sind vielfach die Ansprechpartner/innen für den akademischen Nachwuchs und halten den Betrieb am Laufen.
Das machen die meisten auch mit großer Leidenschaft und oft deutlich über die Zeit hinaus, die ihre Teilzeitstelle vorsieht. Wenn dann auch noch ein Funke an Hoffnung besteht, dass sich daraus eine wissenschaftliche Karriere entwickeln könnte, umso mehr.
Trügerisch, wie sich immer häufiger herausstellt.
Tatsache ist: Die Lage an den staatlichen Hochschulen hat sich dramatisch gewandelt. Gerade in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichen, deren Arbeitsmarktnähe nicht direkt erkennbar ist, wird ausgedünnt.
Lehrstühle werden geschlossen, Stellen nicht mehr besetzt, es wird abgewickelt. Das heißt: Irgendwann ist Schluss mit dem Job. Meistens handelt es sich um wissenschaftliche Stellen, die im Anschluss an die Promotion ermöglicht wurden oder diese sogar über Jahre finanzierten.
"Man muss sich Fragen stellen, die man bisher verdrängt hat"
Irgendwann wird klar, dass sich da nichts mehr bewegt und die Karriere in einer Sackgasse steckt. Schlimmer noch: Die Betroffenen müssen regelmäßig um die Verlängerung bangen bzw. selbst dafür sorgen. Da wurden schon viele Kerzen aufgestellt.
Es folgen erste Bemühungen um Alternativen auf dem freien Arbeitsmarkt. Der hat aktuell viel zu bieten, aber damit wird es nicht unbedingt leichter. Hinzu kommt: Viele Umsteiger/innen haben sich noch nie beworben und müssen sich plötzlich mit Elementarfragen der Arbeitssuche befassen. Sie sind dann zwischen 30 und über 40 Jahre alt und müssen sich mit genau den Fragen beschäftigen, die sie bis dato gut und gerne verdrängen konnten: Was kann ich, wo gibt es passende Stellen, wie finde ich die und welche Alternativentwürfe gibt es überhaupt?
Mit den Nöten dieser Späteinsteiger/innen in den Arbeitsmarkt befasst sich das lesenswerte Buch „Karriere nach der Wissenschaft – Alternative Berufswege für Promovierte“ von Mirjam Müller (siehe Buch-Cover). Die oben genannten Hauptfragen werden in spezieller Bewerbungsratgeber-Manier behandelt. Dabei bleiben die Tipps nicht theoretisch, sondern werden mit Portraits angereichert, die viel anschaulicher klarmachen, auf welch hochkomplexen Arbeitsmarkt sich die Ex-Wissenschaftler/innen einlassen können bzw. müssen.
Passende Berufsfelder wie Wissenschaftsmanagement, Politik und Verwaltung, Kultur, Medien und Bildung sowie Wirtschaft und Beratung werden ausführlich dargestellt und anhand von konkreten Beispielen („Vom Anglisten zum Verlagslektor“, „Vom Psychologen zum Referenten in einer Stiftung“, „Von der Ethnologin zur Schreibberaterin“) erläutert. Dabei werden nicht nur die einzelnen Karrierewege, sondern auch die spezifischen Zugänge, die Bewerbungsverfahren und die dort erwarteten Qualifikationen dargestellt.
Zu jeder „Branche“ gibt es ausführliche Quellenangaben, Verweise auf Stellenportale, Fundstellen, Links und Literaturangaben zur Vertiefung und zur spezifischen Berufsfelderschließung.
Allein damit wird das vorliegende Buch zu einem Leitfaden, der die Betroffenen dort abholt, wo sie sind und Wege weist, wohin es gehen könnte. Wie man dahin gelangt, zeigen einige Übungen zum Selbstcoaching und Strategietipps für den Einstieg in einen vielleicht noch ziemlich unbekannten Arbeitsmarkt.
- Mirjam Müller: „Karriere nach der Wissenschaft – Alternative Berufswege für Promovierte“, Campus-Verlag Frankfurt 2017. 227 Seiten, 24,95 Euro.