EU-Jobs: "Hoher Bedarf an Dolmetschern, Übersetzern und Sprachjuristen"
Praktikum, Zeitvertrag, Beamtenstatus: In der Europäischen Union gibt es ganz unterschiedliche Jobs. Welche Auswahlverfahren gibt es - und welche Chancen hat man?
Jan Hendrik Dopheide ist Referatsleiter beim Auswärtigen Amt und zuständig für das deutsche Personal in der EU. Er weiß Bescheid über Vertragsarten, Auswahlverfahren und die Relevanz einer guten Vorbereitung – denn nur ein Prozent besteht den sogenannten "Concours" für EU-Beamte. Das Interview führte Saskia Eversloh.
WILA Arbeitsmarkt: Was bringen Geistes- und Sozialwissenschaftler für eine EU-Karriere mit?
Jan Hendrik Dopheide: Sie dürften einen guten Zugang zu Sprachen haben, und das ist eine wichtige Voraussetzung. Man ist hier ständig im beruflichen und privaten Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen aus 28 Mitgliedstaaten.
Für welche Bereiche sind sie denn besonders geeignet?
Die Institutionen haben einen hohen Bedarf an Dolmetschern, Übersetzern und Sprachjuristen. Und natürlich stehen sie im ständigen Austausch mit den europäischen Bürgern und Medien. Die Europäische Kommission unterhält zum Beispiel eine eigene Generaldirektion für Kommunikation.
Und welche Auswahlverfahren müssen sie durchlaufen?
Vereinfacht gesagt gibt es EU-Beamte und Angestellte auf Zeit. Die Beamtenlaufbahn erfordert das Absolvieren eines allgemeinen oder speziellen Auswahlverfahrens, letzteres gibt es zum Beispiel für Übersetzer. Geisteswissenschaftlern steht – wie allen anderen Fachrichtungen auch – das allgemeine Auswahlverfahren offen und damit jeder Posten, der kein spezielles Anforderungsprofil hat.
- Auswahlverfahren, Verträge und Agenturen der EU
- Informationen zu den Vorbereitungskursen des Auswärtigen Amtes
- Internetseite der Europäischen Kommission zu den verschiedenen Vertragsarten
- Übersicht der EPSO über Praktikumsmöglichkeiten und Konditionen bei der EU
- Datenbank der Agenturen und sonstigen Einrichtungen der EU
Wie sind denn die Chancen, den Beamten-Concours zu bestehen?
An den allgemeinen und speziellen Auswahlverfahren der EU haben seit 2010 fast 300.000 Hochschulabsolventen aus ganz Europa teilgenommen. Weniger als 3.000 Personen haben das Verfahren erfolgreich durchlaufen und wurden auf eine so genannte Reserveliste gesetzt. Von dieser Liste rekrutieren die EU-Institutionen ihren Nachwuchs, am Ende eingestellt wurden etwa 2.000.
Aber lassen Sie sich nicht von den Zahlen entmutigen. Nicht alle gehen gut vorbereitet in die Auswahlverfahren. Wer sich ernsthaft für eine Karriere bei der EU interessiert, hat auch gute Chancen, den Concours zu bestehen. Eine Altersgrenze gibt es übrigens nicht, und wenn man es nicht sofort schafft, kann man jederzeit wieder teilnehmen.
Viele EU-Mitarbeiter werden mit Zeitverträgen beschäftigt...
Richtig ist, dass die Zahl der Zeitverträge zugenommen hat, derzeit sind etwa ein Siebtel der Mitarbeiter im Europäischen Parlament und in der EU-Kommission befristet. Hier sind die Hürden nicht so hoch: Man muss sich mit seinem Lebenslauf in einer Online-Datenbank registrieren und bekommt bei passender Qualifikation und nach einem kleineren Auswahlverfahren eventuell einen befristeten, maximal sechs Jahre laufenden Arbeitsvertrag. Dieser kann weder verlängert noch von einer anderen EU-Institution erneut vergeben werden.
Als möglichen Arbeitgeber sollte man aber auch die zahlreichen EU-Agenturen in Belgien und den Mitgliedsstaaten im Blick behalten. Diese rekrutieren auch unbefristete Vertragskräfte.
- Rund 40.000 Menschen arbeiten für die Europäische Union. In Brüssel arbeiten rund 25.000 EU-Beschäftigte. Hinzu kommen etwa 20.000 Interessenvertreter/innen aus der Wirtschaft und anderen Organisationen. Etwa 1.000 akkreditierte Journalistinnen und Journalisten berichten über das Gemengenlage.
Inwiefern kann ein Praktikum helfen, später bei einer EU-Institution beschäftigt zu werden?
Wer die EU-Beamtenlaufbahn einschlagen will, muss den Concours durchlaufen. Punkt. Trotzdem ist ein Praktikum empfehlenswert, etwa bei der Europäischen Kommission als so genannter Bluebook-Stagiaire. Auch dieses Praktikum ist heiß begehrt – auf etwa 650 Plätze bewerben sich 15.000 Personen.
Daraus können sich Kontakte ergeben: So ist ein Praktikum im Europäischen Parlament für den einen oder anderen der Weg, Assistent oder Assistentin eines EU-Abgeordneten zu werden, oder für Bluebook-Praktikanten eine Chance, später mit einem befristeten Arbeitsvertrag bei der Europäischen Kommission angestellt zu werden.
Das Auswärtige Amt ist daran interessiert, dass möglichst viele Deutsche bei der EU vertreten sind. Inwiefern helfen Sie bei der Vorbereitung?
Wir bieten gemeinsam mit einem externen Dienstleister Vorbereitungskurse für den Concours an. Auch wenn, etwa bei den Spezialisten-Concours, die Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht wird, versuchen wir, den Bewerbern individuelle Orientierungshilfen zu geben.
Wie sind die Perspektiven für eine EU-Beschäftigung?
Derzeit müssen die Institutionen Stellen einsparen, aber in den nächsten Jahren geht eine erhebliche Zahl der EU-Beamten in den Ruhestand. Dabei sind die Einstiegsgehälter für Hochschulabsolventen absolut attraktiv, sie bewegen sich zwischen 4.000 und 5.000 Euro monatlich, Zuschläge noch nicht inbegriffen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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