Einfach mal drüber sprechen: Das hilft vielen unserer Abonnentinnen und Abonnenten sehr. Foto: Fotolia.de / © YakobchukOlena

"Ich habe nicht viel zu bieten"

Jede Woche bieten wir eine kostenlose Bewerbungsberatung an – als exklusives Zusatzangebot für unsere Abonnent/innen. Welche Fragen gestellt werden.

Text: Andreas Pallenberg 

Andreas-PallenbergDienstags ist Bewerbungshotline. Zwei Stunden sind mein Kollege Krischan Ostenrath und ich zur Stelle, um Fragen rund um die Bewerbung am Telefon zu beantworten. Wir nehmen uns gerne die Zeit, denn für uns gilt: Es gibt keinen besseren und direkteren Draht zu unseren Abonnent/innen. Lesen Sie hier einen Überblick zu den Fragen, die uns häufiger gestellt werden - und wie wir mit den Fragen umgehen. 

Konkrete Fragen zur Bewerbung 

Manche Anrufer/innen sind sehr präzise mit ihren Fragen. Sie haben sich vorbereitet („Ich hätte da mal drei Fragen“). Dann geht es meist um Themen wie Fragen zum Gehalt, zum Umfang der Bewerbungsunterlagen, um das Nachhaken oder um Details beim bevorstehenden Bewerbungsgespräch.

Die Antworten sind meist relativ schnell gegeben. Sie resultieren aus jahrelangen Erfahrungen in Personalkommissionen, im Umgang mit den Gepflogenheiten auf dem Arbeitsmarkt und unserer Beratungspraxis in Seminaren, Workshops und nicht zuletzt am Telefon.

Bei vielen Tipps merken wir auch an, dass es mitunter verschiedene „Lehrmeinungen“ gibt. Das irritiert manche Anrufer/innen, versprechen sie sich doch möglichst eindeutige Regeln und Tipps. Aber da sind wir vielleicht etwas anders als die bekannten Verfasser einschlägiger Bewerbungsliteratur, die ja nicht im Dialog stehen mit den Ratsuchenden und schon deshalb sehr allgemeine Tipps geben müssen.

Aber die individuellen Details sind eben wichtig. Fast immer können die Ratsuchenden zumindest einen Schritt weiter gebracht werden, was diese auch mit Dank bestätigen. Solche Telefonate dauern vielleicht ein paar Minuten, selten länger als eine Viertelstunde.

Schwierige Situationen und Entscheidungen 

Es gibt aber auch Themen, die sich nicht mit Expertenwissen eindeutig und abschließend beantworten lassen. Dann geht es oft um die großen Fragen, die sich nicht an der Oberfläche, nicht mit ja oder nein und schon gar nicht schnell beantworten lassen.

Da gibt es zum Beispiel Leser/innen, die mit dem vorhandenen Job hadern und unzufrieden sind. Und es gibt die, die trotz zahlreicher Bewerbungsbemühungen nicht zum Zuge kommen und langsam verzweifeln. „Dazu muss ich mal etwas ausholen …“, heißt es dann, und das ist auch möglich. Die oft sehr privaten Hintergründe gehören nämlich dazu, und dafür braucht man Zeit und Vertrauen – bei garantierter Diskretion.

Manche Anrufer/innen sind sehr offen und erläutern auch persönliche Beweggründe, sofern sie mit dem Thema zu tun haben. Andere brauchen mehr Zeit, denn sie haben keinen Fragenkatalog, sondern ein Problem.

"Ich habe nicht viel zu bieten" 

„Die Praktika, die ich gemacht habe sind nicht viel wert, und deshalb habe ich außer meinem ziemlich langen Studium nicht viel zu bieten.“ Fragt man dann nach und kommt ins Plaudern, zum Beispiel, was man denn während des Studiums „sonst noch so“ gemacht hat, ergeben sich oft durchaus nennenswerte Erfahrungen, die für die Berufsbiografie von Bedeutung sein können.

So zum Beispiel der Freizeitbereich: Manche erzählen dann von ihren Theatererfahrungen, andere von der selbst gegründeten Kampfkunstgruppe, der Tätigkeit als Croupier in einer Spielbank oder von der Urban-Gardening-Gruppe, in der sie aktiv sind. Typisch ist dabei das Bagatellisieren derartiger Aktivitäten, weil sie als nicht relevant oder zu privat abgetan werden.

Fast immer lassen sich auch solche Erfahrungen in Bezug zur angestrebten Stelle herstellen, sodass eigentlich niemand ohne verwertbare Erfahrung auf den Arbeitsmarkt stößt. Diese Erfahrungen müssen als solche allerdings erkannt und passend dargestellt werden. Dazu gehören etwas Fantasie und eine gesunde Portion Selbstbewusstsein. Marketing in eigener Sache eben, und das fällt vielen sehr schwer.

"Ich kann nicht mehr"

Es gibt auch dramatische Anrufe mit dem Tenor: „Ich bin jetzt 15 Jahre bei xyz angestellt, und es geht einfach nicht mehr. Ich werde krank und bin schon am Ende meiner Kräfte. Ich muss kündigen und würde gerne noch einmal was ganz anderes anfangen, etwas Neues studieren und … überhaupt … ich weiß, das ist nicht einfach, aber vielleicht haben Sie ja eine Idee.“ 

Bei solchen Elementarthemen geht es um mehr als den Beruf. Dann heißt es erstmal zuhören, nachfragen und wieder zuhören, um sich ein möglichst umfassendes Bild von den Anrufenden und ihrer Situation zu machen. Oft helfen schon ein paar Anmerkungen, um bei aller Verzweiflung etwas Struktur in die Situation zu bringen.

Erstaunlicherweise können sich die Anrufenden im Rahmen solcher längeren Gespräche fast immer selbst helfen. Da werden vorhandene Ideen sortiert und gewertet, sodass ein möglicher künftiger Weg auf einmal viel klarer wird. Man kennt das ja: Anderen kann man helfen, sich selbst oft nicht. Und das liegt einfach daran, dass man sich selbst nicht coachen kann.

Soweit das funktioniert, hören wir gerne zu und sortieren mit. Und wenn das nicht funktioniert, winken wir auch deutlich ab und empfehlen professionelle Hilfe von anderer Seite.  Apropos Profis: Selbst Expert/innen aus der Bewerbungsberatung (!) sind nicht immer frei von Hilflosigkeit, wenn es um sie selbst geht. Auch sie sind unter den Anrufern! Was sollen wir denen erzählen? Sie müssten es doch wissen. Aber: So einfach ist es eben nicht. 

"Ich habe schon alles probiert"

Tatsächlich gibt es unter den Anrufer/innen Leute, die erfolglos Hunderte (!) von Bewerbungen schreiben. Sie sind ärgerlich bis verzweifelt und suchen nach allem Frust das Gespräch. Die Hartnäckigen unter ihnen haben schon „alles versucht“. Auf jede noch so ausgefallene Idee, wie es weiter gehen könnte, kontern sie: „Habe ich schon gemacht!“ Sie haben schon alles abgearbeitet, was irgendwo als Tipp kursiert, und sind am Ende.

Da wundert man sich, denn sie haben oft viel zu bieten, werden aber selten oder gar nicht eingeladen. Ihre Bewerbungsunterlagen hätten Profis auch schon gecheckt und für gut befunden. Woran liegt es? Verwertbare Hinweise von den Arbeitgebern gibt es selten. Und jetzt „tappe ich im Dunkeln“.

Wir als Ratgeber natürlich auch. Aber damit kommen Fragen grundsätzlicher Natur auf.  Vielleicht sind es die falschen Stellen, auf die sich jemand ausschließlich bewirbt, vielleicht sind es auch bestimmte  – ein heikles Wort in diesem Zusammenhang – „Ansprüche“ an die zukünftige Stelle, die eventuell auch ursächlich für den bisherigen Misserfolg sind.

Eine bemerkenswerte Leidensfähigkeit

Wenn es partout nicht klappen will mit der unbefristeten, inhaltlich angemessenen und gut bezahlten Vollzeitstelle möglichst in der Region, dann sind vielleicht solche Merkmale zu unüberwindbaren Hürden geworden. Dann ist ein Coach gefragt, der auch unbequeme Wahrheiten ansprechen kann. Am Telefon geht das kaum. 

Und dann gibt es noch die Vielbewerber/innen, die uns damit überraschen, dass sie von Alternativstrategien wie Initiativbewerbungen, Einstiege über freie Mitarbeit oder Ehrenamt, aktives Netzwerken und Marketing in eigener Sache zwar schon mal etwas gehört zu haben (auch über unser Heft), dies aber selbst noch nicht versucht haben.

Sie bauen lieber auf den passiven Weg über ausgeschriebene Anzeigen und entwickeln dabei eine bemerkenswerte Geduld, um nicht zu sagen Leidensfähigkeit. Dann geht es in den Gesprächen darum, solche auch mal andere Wege zu gehen, und zwar aktiv und kreativ. Das fällt vielen schwer, weil es dafür eben keine fertigen Muster gibt.

Sehr hilfreich sind in diesem Zusammenhang Bewerbungscafés, -stammtische und Erfolgsteams, auf die wir gerne abschließend verweisen. Auch der WILA bietet ein Bewerbungscafé in Bonn und ein Mentoring Programm an. Und wenn man keins kennt, dann kann man auch eins gründen.

Erfahrungspool

Mit den Anrufen kommen vielfältige und zahlreiche Erfahrungen aus dem Bewerbungsalltag bei uns an. Sie ergänzen damit unsere Expertise und sind schon allein deshalb willkommen. Manche Themen werden auch gerne redaktionell aufgegriffen. Deshalb freuen wir uns über alle, die uns über die Hotline mit Bewerbungsproblemen ansprechen.

Ob wir jeweils helfen können, lässt sich vorher nicht sagen. „Dumme“ Fragen gibt es bekanntlich nicht. Meistens können wir die Gespräche mit besserer Laune und mit einem Gewinn für beide Seiten beenden.

Dafür vielen Dank allen Anrufenden! 

  • Die Bewerbungshotline können Abonnent/innen jeden Dienstag von 13.30 bis 15.30 Uhr unter der Nummer 0228/20161-0 erreichen. 
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