Jobs mit Geowissenschaft: Mehr als nur Steine klopfen
Job mit Ausblick: Christopher Held forscht in Chile zu Geothermie. Foto: C. Held

Jobs mit Geowissenschaft: Mehr als nur Steine klopfen

Von Vulkanforschung bis Grundwasserschutz – wer Geowissenschaften studiert hat, dem stehen viele Berufsfelder offen. Doch nicht in allen Arbeitsbereichen sind die Jobaussichten gleich gut.

Text: Stephanie Bissels 

Es sind die großen Herausforderungen, bei denen Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler gefragt sind. Das vergangene Jahr 2016 hatte einige davon zu bieten: Rekord-Eisschmelze am Nordpol, Erdbeben in Mittelitalien, Vulkanausbrüche in Island oder die Überdüngung mit Gülle in Deutschland.

Überall sind Geoexpertinnen und Geoexperten beteiligt und helfen mit, den Klimawandel zu verstehen, Naturgefahren vorherzusagen oder unsere knapper werdenden Ressourcen optimal zu nutzen. So planen und steuern sie unsere Versorgung mit Rohstoffen und Energie, sorgen für den stabilen Bau von Staudämmen, Straßen, Häusern und Tunneln oder kümmern sich um den Grundwasserschutz, die Abfallentsorgung und Altlasten.

"Wir sind zwar ein kleiner Berufsstand. Aber wir sind breit aufgestellt"

Ganz allgemein gesagt, beschäftigen sich Geowissenschaftler mit dem System Erde und konzentrieren sich dabei vor allem auf die komplexen Prozesse unter der Erdoberfläche. Neben naturwissenschaftlichen Inhalten wird auch viel Ingenieurwissen im Studium vermittelt.

Dass die Erd- und Gesteinsforscher/innen häufig fächerübergreifend und an Themen mit hoher Umweltrelevanz arbeiten, zeichnet sie zusätzlich aus. Den Studiengang mit dem Namen „Geowissenschaften“ gibt es mittlerweile seit fast zwei Jahrzehnten an deutschen Universitäten.

Zuvor konnte man noch Geologie, Geophysik oder Mineralogie jeweils einzeln als Diplom-Studiengang studieren. Im Zuge der Umstellung auf Bachelor und Master wurden die drei Studiengänge zusammengelegt. Derzeit bieten 28 Universitäten in Deutschland das Studium „Geowissenschaften“ an, wobei viele Universitäten gezielt Schwerpunkte setzen und eine spezielle Ausrichtung ermöglichen.

„Was die Bedeutung angeht, brauchen sich die Geowissenschaften neben den anderen Naturwissenschaften nicht zu verstecken“, sagt Dr. Hans-Jürgen Weyer, Geschäftsführer vom Berufsverband deutscher Geowissenschaftler (BDG e.V.). „Wir sind zwar ein kleiner Berufsstand“, räumt er ein, „aber wir sind sehr breit aufgestellt“. Laut Statistischem Bundesamt standen im Jahr 2015 rund 19.000 Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler in Deutschland im Beruf. Zum Vergleich: Die Zahl der beschäftigten Physikerinnen und Physiker lag im selben Jahr bei etwa 77.000.

Vielfalt der Arbeitgeber

Die Breite des Berufs zieht sich nicht nur durch die Arbeitsfelder, von A wie Altlastensanierung bis V wie Vulkanforschung. Auch die Arbeitgeber sind sehr unterschiedlich. Häufig finden Geowissenschaftler/innen bei Ingenieur- und Geobüros eine Stelle. Hier arbeiten nach den Angaben vom Berufsverband etwa 25 Prozent der Absolventen und Absolventinnen.

Im Bereich des Öffentlichen Dienstes, also in Ämtern und Behörden, sind knapp 20 Prozent beschäftigt. „Verglichen mit anderen Naturwissenschaften und anderen Ländern, ist das ein hoher Prozentsatz“, sagt Weyer. Mit in das Bild passt da die Tatsache, dass die Einrichtung, die in Deutschland die meisten Geowissenschaftler beschäftigt, eine Behörde ist, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.

Als Fachbehörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie berät sie die Bundesregierung in allen georelevanten Fragestellungen. Zusätzlich zur BGR gibt es die Staatlichen Geologischen Dienste. Hier werden alle für das jeweilige Bundesland relevanten geowissenschaftlichen Daten erhoben und zugänglich gemacht.

Weitere 20 Prozent der Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler arbeiten in der Industrie und Wirtschaft. „Da muss man zwei Bereiche unterscheiden: Zum einen die Bauindustrie mit vielen kleinen Unternehmen und den großen, internationalen Konzernen. Zum anderen die Rohstoffindustrie, die von klassischen Erdölfirmen bis hin zur Recyclingindustrie reicht“, erklärt Weyer. In den Hochschulen und in den Forschungseinrichtungen verbleiben weitere 12 bis 13 Prozent der Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler. Der Rest der Absolventinnen und Absolventen, etwa 22 Prozent, sind fachfremd beschäftigt.

"Wer im Naturschutz sucht, der hat es schwer"

Den aktuellen Arbeitsmarkt für Fachleute der Geowissenschaften schätzt Hans-Jürgen Weyer insgesamt positiv ein. Man sollte allerdings differenzieren und sich die einzelnen Bereiche genauer anschauen, so der Vertreter des Berufsstandes.

Weyer macht aktuell zwei Trends aus: „Aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise sind seit 2014 die Einstellungen im Ausland deutlich zurückgegangen. Viele internationale Konzerne haben einen Einstellungsstopp ausgesprochen. Das hat auch Auswirkungen auf die Zulieferindustrie wie Bohrgerätehersteller, Gestängehersteller oder Unternehmen, die geophysikalische Messungen durchführen.“

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Demgegenüber, so führt er weiter aus, stehe die gute Konjunktur im Baubereich im Inland. Sowohl in den großen Baufirmen als auch in kleineren Ingenieurbüros würden Expertinnen und Experten aus den Geowissenschaften stark nachgefragt. Hans-Jürgen Weyer weist auf eine weitere, demografische Besonderheit hin: „In allen Bereichen gehen zurzeit Berufsvertreter in den Ruhestand. Die gilt es zu ersetzen.“

Die Aussichten sind also insgesamt als gut zu bewerten, dennoch gibt es eine Einschränkung: Die Zahl der Hochschulabsolventen ist gleichbleibend hoch. Im Jahr 2015 haben laut Statistischem Bundesamt 2.237 Studierende der Geowissenschaften einen Abschluss erworben. Zieht man die darin mitberücksichtigten 1.269 Studierende mit Bachelorabschluss ab, standen im Jahr 2015 rund 1.000 Geowissenschaftler und Geowissenschaftlerinnen dem Arbeitsmarkt neu zur Verfügung. „Für den Arbeitsmarkt ist das eine Herausforderung“, so Weyer.

Wie in vielen anderen Studiengängen auch, machen die meisten Studierenden der Geowissenschaften nach dem Bachelorabschluss weiter. „In der Regel sind das über 90 Prozent“, schätzt Weyer. Aus Gesprächen mit Branchenvertretern weiß er: „Die Industrie wünscht eher den Masterabschluss und nicht den Bachelor. Die zwei Jahre Master geben dem Studierenden etwas mehr akademische Freiheit, was den Leuten gut zu Gesicht steht.“ Doch auch für Studierende mit Bachelorabschluss sieht er durchaus Chancen: „Es gibt Stellen, zum Beispiel bei den Geologischen Diensten oder in den Ingenieurbüros.“

Der insgesamt positiven Arbeitsmarkteinschätzung vom Berufsverband folgt auch Harald Zauter, der als Diplom-Geologe im Öffentlichen Dienst im Bereich Altlastensanierung tätig ist. „Der Arbeitsmarkt bietet zurzeit eine ganze Menge Jobs, auch im Umweltbereich“, so Zauter. Zu Letzterem zählt er neben seinem eigenen Gebiet, der Altlastenbearbeitung, auch den großen Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfungen und die seit Kurzem verpflichtende bodenkundliche Baubegleitung bei größeren Bauvorhaben. Weniger gute Chancen sieht er dagegen im Bereich Naturschutz: „Wer hier sucht, hat es weitaus schwerer. Das ist eine kleine Nische mit zahlenmäßig wenigen Jobs.“ 

Gute Chancen für Berufseinsteiger/innen - wenn sie räumlich flexibel sind

Selbst Berufseinsteiger/innen haben derzeit gute Aussichten. „Damit der Start in den Beruf gelingt, sollte man aber räumlich flexibel sein“, rät der berufserfahrene Geologe. „Wer nur in einem bestimmten Umkreis sucht, der schränkt sich sehr ein und wird es nicht leicht haben, etwas zu finden.“ Das weiß Harald Zauter aus eigener Erfahrung. In seinem abwechslungsreichen Berufsleben ist er mehrfach mit seiner Familie umgezogen, dazu gehörten auch Auslandsaufenthalte in Kamerun und Namibia.

Mit der Umstellung auf Bachelor und Master sind die Studieninhalte in den Geowissenschaften insgesamt praxisorientierter geworden. Viele Studierende müssen mittlerweile mehrwöchige Pflichtpraktika leisten. Der Geschäftsführer vom Berufsverband der Geowissenschaftler findet die Entwicklung gut, dennoch ergänzt er: „Wir wünschen uns natürlich, dass die Studierenden nicht nur den Kopf in die Tür eines Geobüros oder Unternehmens stecken und nach kurzer Zeit wieder gehen. Sie sollten über einen längeren Zeitraum praktische Erfahrungen sammeln.“

  • Hilfe beim Berufsstart: Mentoringprogramm
  • Der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler e.V. (BDG) bietet ein Mentoringprogramm an. Ziel des Programmes ist es, Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler auf das Berufsleben vorzubereiten.
  • Hierzu vermittelt der Berufsverband ihnen einen praxiserfahrenen Mentor oder eine Mentorin. Ein Jahr lang stehen die Mentoren den jungen Fachleuten zur Seite. 
  • Termine: Der Startschuss für das Mentoringprogramm fällt zweimal im Jahr, jeweils im März und Oktober.
  • Kosten: Die Teilnahme am Mentoringprogramm kostet regulär 240 EUR. Mitglieder des BDG zahlen 150 Euro.
  • Weitere Infos: www.tinyurl.com/geo-mentoring

Nur so könnten sie merken, ob die Berufsrichtung gut passt oder überhaupt keine Freude macht. Wer sich beispielsweise nach einem Praktikum eine Zukunft in einem Geobüro vorstellen kann, der sollte im Studium konkret dieses Ziel verfolgen. „Der Studierende ist dann gut beraten, angewandte Studienrichtungen wie Ingenieurgeologie oder Hydrogeologie zu wählen“, erklärt Hans-Jürgen Weyer. Das Gleiche rät der Geschäftsführer auch Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern, die promovieren möchten: „Der Berufswunsch sollte sich im Thema der Promotion widerspiegeln.“

Je nachdem, welche berufliche Richtung eine Geowissenschaftlerin oder ein Geowissenschaftler nach dem Abschluss einschlägt, sind nicht nur hervorragende Fachkenntnisse erwünscht. Häufig wird Know-how gefordert, das im Studium kaum vermittelt wird.

Wer seine Zukunft im Bereich Geotechnik und Baugrund sieht, sollte wissen, wie man eine Baugrunderkundung durchführt oder was eine zertifizierte Probenahme nach LAGA ist. Wer beispielsweise in den Bereich Geographische-Informationssysteme oder Grundwassermodellierung arbeiten möchte, kann punkten, wenn er zusätzlich Software- und Datenmanagement-Kenntnisse mitbringt. Hier können Fortbildungen hilfreich sein, von denen es, je nach Berufsrichtung und Ziel ein großes Angebot gibt. „Vor allem in den kleinen Geobüros ist es wichtig, dass die neuen Mitarbeiter sofort eingesetzt werden können. Eine lange Einarbeitungszeit gibt die dünne Personaldecke nicht her. Wie man zum Beispiel ein Angebot schreibt und kalkuliert, lernt man nicht an der Universität“, erklärt Weyer.

„Die Strukturen in den Geobüros sind oft sehr klein. Wird die wirtschaftliche Lage schwierig, werden Mitarbeiter schnell entlassen, trotz unbefristeter Verträge“

Neben theoretischem und praktischem Wissen sind auch andere Fähigkeiten wichtig. Für Harald Zauter sind das neben guten Englischkenntnissen vor allem kommunikative Kompetenzen: „Man sollte sich mündlich und schriftlich ausdrücken können und sich gerne mit anderen austauschen.“ In Diskussionen mit Kollegen oder Kunden überzeugend zu argumentieren und verhandlungssicher in Gespräche zu gehen, gehöre unbedingt dazu. Nicht weniger wichtig sei es, verständliche und stimmige Berichte oder Gutachten zu schreiben.

Befristete Stellen 

Auch von befristeten Stellen sollten Jobsuchende nicht per se Abstand nehmen, empfiehlt Zauter. Viele Stellen in den Behörden sind projektbezogene Stellen, die erst einmal befristet sind – aber häufig für mehrere Jahre. Unter Umständen könnten diese Stellen sogar sicherer sein als eine unbefristete Stelle in einem Ingenieur- oder Geobüro. „Die Strukturen in den Geobüros sind oft sehr klein. Wird die wirtschaftliche Lage schwierig, werden Mitarbeiter schnell entlassen, trotz unbefristeter Verträge“, weiß der Geologe. Er betont: „In meinem Berufsleben habe ich sehr lange auf befristeten Stellen gearbeitet. Auch als Familienvater und ich konnte gut damit umgehen.“

Berufseinsteigern rät der Praktiker außerdem Folgendes: „Niemand sollte enttäuscht sein, wenn er seine vollen Gehaltsvorstellungen am Anfang nicht durchsetzen kann.“ Den Einstieg solle man vielmehr als Chance sehen, seine Kenntnisse auszubauen. Nach einer angemessenen Zeit könne man gezielt in einen Job mit einer besseren Bezahlung wechseln. „Das ist ein normaler Weg. Von Anfang an den idealen Job zu haben, ist unrealistisch“, betont er.

Gehalt Geowissenschaftler 

Denn so unterschiedlich die Arbeitgeber und die Arbeitsfelder im Bereich Geowissenschaften sind, so unterschiedlich ist auch das Gehalt. Im Öffentlichen Dienst beispielsweise hängen die Karrieremöglichkeiten von der Ausbildung ab und sind nach oben begrenzt. Mit einem Masterabschluss wird man – abhängig von der Tätigkeit – in der Regel in die Entgeltgruppe 12 oder 13 nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst eingestuft.

Das Einstiegsgehalt kann dann bei etwa 3.600 Euro brutto im Monat liegen. Nicht unbedingt ein besseres Einstiegsgehalt, aber auf lange Sicht eine bessere Bezahlung könne man in der Industrie erreichen. „Wer erfolgreich bei Bergbaufirmen oder in der Erdöl- und Erdgasbranche arbeitet, kann weit mehr verdienen als in einer Behörde“, erläutert Harald Zauter. Was die Geobüros betrifft, so müsse man ebenfalls differenzieren. Je nach Größe des Büros, Auftragslage und den eigenen Fähigkeiten könne der Lohn stark variieren. „Der Modellierer ist unter Umständen mehr wert als der einfache Geländegeologe, der Proben nimmt und Baustellen überwacht.“

Auf der Suche nach geothermischen Vorkommen in Chile oder in der Vulkanforschung in Indonesien – Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler arbeiten häufig im Ausland. Selbst wenn sie hierzulande beschäftigt sind, müssen sie, je nach Branche, einige Tage, Wochen oder Monate im Ausland unterwegs sein. „Eine gewisse Reisebereitschaft sollten alle Fachleute mitbringen“, sagt Harald Zauter. Vor allem wenn sie in internationalen Konzernen, in großen Ingenieurbüros, in Unternehmensberatungen oder der Forschung tätig sind.

Andere Fachqualifikationen als in Deutschland braucht man für die Arbeit im Ausland allerdings nicht, meint Hans-Jürgen Weyer vom Berufsverband: „Wenn Sie ein Grundwasserprojekt im Ausland bearbeiten, brauchen Sie dieselben hydrogeologischen Kenntnisse, die Sie auch bei uns brauchen. Wenn sie im Erzbergbau eingesetzt werden, kommen Sie gut zurecht, wenn Sie im Studium Lagerstättenkunde gelernt haben.“ Wirklich wichtig seien dagegen zwei Dinge. Zum einen die Sprachkenntnisse und zum anderen eine kulturelle Weltoffenheit: „Es muss Ihnen Spaß machen, etwas Neues kennenzulernen“, sagt Weyer. Dazu gehöre auch, dass man die eine oder andere Strapaze auf sich nehme. Die Arbeitsplätze und Lebensgewohnheiten im Ausland unterscheiden sich oft deutlich von dem, was man hier gewohnt sei. Meist sei das Leben dort weniger komfortabel. 

So nennt Weyer eine wichtige Grundvoraussetzung: „Ob Sie hier in Deutschland in der Baugrube stehen oder sich als Vulkanforscher in Indonesien tummeln – Sie müssen gerne rausgehen, bei Wind und Wetter.“ Ein Großteil der Arbeit spielt sich mittlerweile zwar in Büros und am Computer ab. Aber ohne die Geländetätigkeit geht es nicht, ist Weyer sicher: „Wenn jemand glaubt, er könnte Geowissenschaften nur am Computer ausüben, macht er einen großen Fehler.“

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