Befristung:
Neue Kolleginnen und Kollegen, neue Arbeit - und alles nur befristet. Foto: © hakinmhan / Fotolia.de

Befristung: "Immer wieder bei Null anfangen, kostet viel Kraft"

Müdigkeit, Ernüchterung, Enttäuschung: Viele unserer Leserinnen und Leser kämpfen mit befristeten Arbeitsverträgen - oft über viele Jahre hinweg. Vier Erfahrungsberichte, die an uns gesendet wurden.

Brief 1: "Umziehen, Auto finanzieren, Urlaub buchen – leider nicht möglich"

Mit Mitte 40 und trotz Hochschulabschluss (Anglistik und Wirtschaft), Volontariat im Verlag für Fachzeitschriften, Aufbaustudium im Medienbereich und regelmäßiger Weiterbildung habe ich gerade wieder einmal nur einen Jahresvertrag bekommen: Elternzeit-Vertretung im Sekretariat, unter Qualifikation, ohne Perspektive.

Der einzige Trost: Immerhin wurde die Erfahrungsstufe drei anerkannt; ich habe auch immer wieder erlebt, dass zwar die langjährige Erfahrung gerne genutzt wird, aber wenn es an die Einstufung geht wird auf Kosten der Mitarbeiter gespart.Seit vielen Jahren „rette“ ich mich mit befristeten Verträgen, für Projekte, an Universitäten oder, wie in den letzten Jahren, als befristete Elternzeitvertretung – Letzteres mit dem Wissen, dass immer die Stelleninhaberin vorgeht, zumindest im Öffentlichen Dienst oder ähnlich gestalteten Vertragsverhältnissen.

Auch ich unterbreche die Bewerbungsphase nur für die ersten Wochen der Einarbeitung bei Jahresverträgen, danach suche ich parallel weiter. Immer wieder bewerben, immer wieder Dutzende von Absagen, immer wieder auf dem „Prüfstand“ stehen, wenn man es doch für ein Jahr geschafft hat... Es kostet Kraft und Energie, die für den Rest des Lebens fehlt. 

Seit vielen Jahren schon kann ich nicht über ein, zwei Jahr(e) hinaus planen. Umziehen, Auto finanzieren, Urlaub buchen – leider nicht möglich. In der Hoffnung, dass es doch hilft, investiere ich wieder in Weiterbildung, um wieder zu merken, dass das zwar gern gesehen, aber so gut wie nie bezahlt wird.

Stichwort „sachgrundlose Befristung“: Diese Form der Vertragsgestaltung scheint besonders an Universitäten beliebt und führt dazu, dass Mitarbeiter nach zwei Jahren gehen müssen, egal, wie gut sie gearbeitet haben. Eine Übergabe ist dadurch regelmäßig nicht möglich. Und in Folge hat man selbst noch das Problem, dass man sich für mindestens drei Jahre im entsprechenden Bundesland auf derart ausgeschriebene Stellen gar nicht bewerben kann – das heißt, man könnte, aber mit null Aussicht auf Einstellung.

Vor kurzem habe ich „mal wieder“ eine Vertretung übernommen – zwölf Monate Vertrag mit sechs Monaten Probezeit. Wieder in den ersten vier Wochen keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wieder sechs Monate keinen Anspruch auf Urlaub. Wieder „bei Null“ anfangen.

Was man sich gerade erarbeitet hatte, bei Vorgesetzten und im Team: alles Vergangenheit. Wieder mindestens ein Jahr keine Möglichkeit, eine andere Wohnung zu suchen, ein Auto zu finanzieren, Urlaub zu planen. Man ist zu müde, um Freunde zu treffen, zu angespannt, um gut auf sich zu achten. Ich bin ernüchtert und enttäuscht.

Brief 2: "Unis müssen sich die Option offen halten, Lehrende auf die Straße zu setzen"

Seit kurz nach meiner Promotion arbeite ich in einem geisteswissenschaftlichen Fach auf (bisher zwei) Stellen, die allein für die Lehre vorgesehen sind. Die Lehre macht mir viel Spaß: Ich kann die Themen der Veranstaltungen in Grenzen selbst bestimmen und führe mit den Studierenden viele interessante Diskussionen. Die kurzen Vertragslaufzeiten stellen allerdings eine große Belastung dar.

Wissenschaftler/innen, deren Aufgaben auch in der Forschung liegen, können nach Gesetz immerhin sechs Jahre nach ihrer Promotion (ggf. plus weitere Jahre für Kinder) angestellt sein. Für mich gilt das nicht. Da bei mir offiziell keine Arbeitszeit für Forschung vorgesehen ist, kann ich an der gleichen Universität maximal zwei Jahre lang befristet angestellt sein. Wenn die Universität danach meinen Arbeitsvertrag (ohne speziellen Befristungsgrund) verlängern würde, könnte ich auf Entfristung des Arbeitsverhältnisses klagen.

Die Universitäten würden Leute wie mich vermutlich sogar oft gerne unbefristet anstellen, um einen Grundstock von Lehrveranstaltungen abzudecken. Jedoch ist ein immer größerer Teil der Gelder, die sie von den Ländern erhalten, eng an die Entwicklung der Studierendenzahlen gekoppelt oder aus anderen Gründen in der Zukunft sehr unsicher.

Sie müssen sich die Option offen halten, Lehrende, die nicht mehr gebraucht werden, auf die Straße zu setzen. Für mich heißt das: Länger als zwei Jahre kann ich nicht bleiben. Aber jede neue Universität hat natürlich ihre Besonderheiten: komplizierte Bestimmungen der Prüfungsordnung, bestimmte Erwartungen an Lehrinhalte und Methoden, andere Arbeitsabläufe.

Die Einarbeitung in ein neues Umfeld kostet Zeit. Auch für die Universität wäre es sicher besser, wenn mehr Lehrkräfte längerfristig vor Ort wären und es nicht ständig zu Wechseln der Stelleninhaber kommen würde. Wer eine längere Perspektive hat, kann sich auch für die Studierenden besser engagieren und Projekte mit längerer Dauer anstoßen, wie zum Beispiel internationale Kooperationen.

Ich dagegen muss nach einem Jahr schon wieder beginnen, mich auf neue Stellen zu bewerben. Obwohl ich offiziell keine Zeit für Forschung habe, muss ich weiter an Veröffentlichungen arbeiten. Denn wenn ich mich auf neue Stellen bewerben will, werde ich dort häufig nicht nach meinen Leistungen in der Lehre bewertet, sondern nach meiner Forschungsaktivität.

Eine weitere Absurdität meiner Lage ist: Falls ich doch einmal mit Glück eine Stelle erhalten sollte, die für die Forschung vorgesehen ist, werden mir die bisherigen Zeiten auf die sechs Jahre Befristungszeitraum angerechnet. Das ist deshalb widersinnig, weil der Sechs-Jahres-Zeitraum damit gerechtfertigt wird, dass man so viel Zeit benötigt, um sich in der Forschung weiterzuqualifizieren und die nächste Stufe zu erreichen. Warum sollte man also dann Zeiträume anrechnen, in denen man offiziell überhaupt keine Zeit für die Forschung hatte?

Wie viele andere werde ich vermutlich einige Jahre intensiv an der Universität lehren und dann, wenn es nicht mehr weiter geht, außerhalb der Universität ganz neu beginnen. Ich will mich persönlich nicht zu sehr darüber beklagen. Aber die Universität selbst sollte ein Interesse daran haben, dies zu ändern.

Brief 3: "Es gibt keine akademische Personalentwicklung"

Mit Kollegen habe ich noch nicht etablierte Wissenschaftler/innen gefragt, wie sich ihre Situation als Forscher in Kurzverträgen verbessern ließe. Die Antwort liegt auf der Hand: Die Institute/Betriebseinheiten der Hochschule müssen ihre Personalstände besser durchplanen, und zwar über die kurzen Projekte hinaus auf angestrebte Schwerpunktsetzungen der Forschung, Lehre und der spezifischen Organisationsentwicklung.

Es gibt aber zur Zeit noch keine akademische Personalentwicklung, geschweige denn eine vernünftige Rekrutierung unterhalb der Juniorprofessur (das einzige geordnete Verfahren mit drei bis vier Jahren Garantiezeit im Vertrag). Der Rest aller Forscher hangelt sich durch eine Serie nicht mal durchgängiger oder kompatibler Gelegenheitsjobs, in denen nicht die Qualifikationen aufgebaut werden, die außerhalb der Hochschule/Forschung begehrt sind. Die deutschen Hochschulen müssten hier dringend ansetzen, weil Forschung inzwischen zu über 50 Prozent aus Drittmitteln und Quali-Pakten bezuschusst wird und die Grundmittel und Einnahmen der Hochschulen weiter schrumpfen. 

Kontakte in die Wirtschaft, internationale Kooperationen, Förderung von kollektiven Selbständigkeiten schon im Studium statt Solo-Selbständigkeiten als einziger Weg aus der Stellenlosigkeit: Die Hochschule als Arbeitgeber hat hier auch eine Teilverantwortung bei der Ermöglichung von Karrieren, der sie bislang nicht gerecht werden will, weil ja genug junge Motivierte nachkommen. Seit 2002 wird von Reformen nur geredet, passiert ist de facto recht wenig – außer einer Ausweitung der Kurzbeschäftigungen des nichtbeamteten Personals, weil nur so schnell Kosten reduziert werden können. Vielleicht sollten die Hochschulen anderswo wieder viel bescheidener und sparsamer werden, nicht beim Humankapital.

Brief 4: "Als Dank richtig gute Arbeitszeugnisse schreiben" 

Ich habe bisher in drei Projekten in unterschiedlichen Branchen wie in der Medien- oder auch in der Bildungsbranche an einem renommierten Institut mitgewirkt. Mittlerweile habe ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag und bin im Vergleich sehr viel entspannter. Aber ich merke, dass ich auch produktiver und effizienter arbeite, da die Identifikation eine viel höhere ist. Natürlich ist das Gehalt auch viel besser, aber es ist auch die intrinsische Motivation, die bei weitem unterschätzt wird.

Um diese tollen Eigenschaften vielleicht auch in der Projektarbeit zu verstärken oder überhaupt erst zu initiieren, wäre es gut, wenn man die Aussichten, wie lange ein Projekt tatsächlich andauert und ob es Möglichkeiten gibt, eventuell im Betrieb übernommen zu werden, transparenter und fairer gestaltet.

Außerdem könnte man als Dank für die existenziell schwierige Zeit und das Engagement den Projektmitarbeitern richtig gute Arbeitszeugnisse schreiben. Andererseits kann man in dieser relativ unverbindlichen Arbeitsatmosphäre sehr gute Erfahrungen sammeln und viele seiner eigenen Facetten erproben und entdecken.

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