Im Zweifel für die Liebe
Einsame Jobsuche, aber Glück in der Liebe: Unser Leser sucht als Geisteswissenschaftler in der Provinz einen Job. Foto: © kichigin19 / Fotolia.de

Im Zweifel für die Liebe

Job oder Liebe? Ein WILA Arbeitsmarkt-Leser hat sich für die Liebe entschieden. Er ist für seinen Freund in die Thüringer Provinz gezogen. Dort sucht er jetzt einen Job. Sein Erfahrungsbericht.

Ich bin in der Prignitz in Nordwest-Brandenburg aufgewachsen. 2012 bin ich zum Studium nach Halle (Saale) gezogen. Während eines Praktikums in Mainz lernte ich Anfang 2015 meinen heutigen Freund Lukas kennen, der wiederum in Heidelberg studierte. Um den Jahreswechsel 2015/16 hatte ich keine Präsenzveranstaltungen mehr an der Uni. Nur noch sechs Hausarbeiten und die Bachelorarbeit waren für den Abschluss nötig.

Ein Jahr Fernbeziehung mit häufigem Pendeln reichte dann auch. Wir zogen in Heidelberg in einer neuen Wohnung zusammen.

Die Jobsuche in Baden-Württemberg verlief für mich erfolglos. Ich bin sie zugegebenermaßen aber auch nur halbherzig angegangen, denn ich war einerseits noch mit der Bachelorarbeit sowie einem Projekt in der Ukraine beschäftigt. Anderseits war die Wahrscheinlichkeit von Anfang an hoch, dass Lukas für sein neues Studium in eine andere Stadt wechseln würde.

"Ich hatte (und habe) kein klares Berufsziel vor Augen"

Tatsächlich hat Lukas sein Studium im September 2016 abgebrochen und in Ilmenau in Süd-Thüringen von vorne angefangen. Dort gibt es eine Technische Universität, also wohl kaum Jobs für Geisteswissenschaftler wie mich, befürchtete ich.

In meinem Hinterkopf schwelte im Jahr 2016 außerdem noch eine ganz andere Frage: Werde ich nach dem Bachelor den Berufseinstieg wagen oder gleich einen Master anhängen oder noch etwas ganz anderes machen? Ich hatte (und habe) kein klares Berufsziel vor Augen, habe verschiedene Talente. Daher schwebt mir auch keine klare Vision vor, was für einen Job ich haben möchte.

Aus dieser Vision hätte ich eventuell Rückschlüsse ziehen können, an welchen Standorten ich am ehesten auf Jobsuche gehen sollte. Aber ich zäumte das Pferd von hinten auf: Ich bin mit Lukas mitgezogen, da es uns wichtig ist, nicht wieder in einer Fernbeziehung zu landen.

"Das örtliche Jobcenter hatte einen (!) Job für Politikwissenschaftler/innen in ganz Thüringen im Angebot"

Ich konnte Lukas davon überzeugen, dass wir nicht direkt nach Ilmenau ziehen sollten, wenn wir beide glücklich werden wollen, sondern in einen gut angebundenen Ort in der Nähe. Die Wahl fiel auf Arnstadt, das etwa auf halber Strecke zwischen Ilmenau und Erfurt liegt und von wo aus auch geisteswissenschaftliche Zentren wie Weimar oder Jena gut erreichbar sind.

Dennoch stecke ich nun in dem Dilemma, dass ich in Thüringen einen Job suche, ohne dass ich oder Lukas hier vorher studiert oder jemals gelebt haben und ohne dass wir jemanden hier kennen. Das örtliche Jobcenter hatte einen (!) Job für Politikwissenschaftler/innen in ganz Thüringen im Angebot (Teilzeit, befristet, in Jena).

Der Rat der Vermittlerin lautete aber auch: Ich könne nur glücklich werden, wenn ich sowohl in der Karriere als auch in der Liebe zufrieden sei. Jetzt bin ich zwar erst 22, aber dennoch bereits an einem Punkt, wo ich sage: Ich möchte meine privaten Ansprüche nicht in diesem Maße den flexiblen Ansprüchen des Arbeitsmarktes unterordnen. Dazu bin ich auch bereit, etwas längere Strecken zu pendeln.

"Ich denke immer: Es wird schon irgendwie gehen."

Meine nächste Befürchtung: Wenn Lukas sein Studium abschließt – was kommt dann? Wenn ich dann (hoffentlich) einen Job habe, der mich ausfüllt – dann wieder umziehen? Was, wenn er ein Auslandssemester machen möchte (schließlich habe ich das auch gemacht, nur war ich da noch Single …)? Wie weit soll ich gehen mit meiner Rücksicht auf den Partner, ohne selbst zu kurz zu kommen?

Erst kürzlich gab es eine interessante Studie der Universität Hohenheim, wonach Frauen sich bei der Wahl des Wohnorts deutlich häufiger nach der Karriere des Mannes richten. Natürlich ist das bei einer Männer-Beziehung nicht 1:1 übertragbar, aber ich erkenne Parallelen bei uns – Lukas auch. Er hat mich mehrfach gefragt, ob es okay ist, wenn er nach Ilmenau geht. Ich denke immer: Es wird schon irgendwie gehen.

Wir sind ja erst drei Monate hier, und mittlerweile gab es auch schon das eine oder andere Vorstellungsgespräch für einigermaßen passende Stellen. Alle denken, in Berlin wird man schon etwas finden. Aber das denken eben alle. Daher halte ich den Arbeitsmarkt der Hauptstadt für völlig überrannt und versuche nun in der Thüringer Provinz mein Glück.

Besonders kompliziert wird es, wenn der Anfang einer möglichen Beziehung mit dem Jobeinstieg beider Partner zusammenfällt. Auf der einen Seite ist es noch viel zu früh für eine gemeinsame Planung, und die Rücksichtnahme auf einen Partner wäre unverhältnismäßig und würde die Beziehung von Anfang an belasten. Auf der anderen Seite will man die Beziehung auch nicht gleich im Keim ersticken.

Manchmal kann man dabei allerdings auch Glück haben – so bei einer guten Freundin von uns. Sie lernte während der Bewerbungsphase nach dem Studium jemanden kennen, während er gerade seinen Standortwechsel vorbereitete. Mitte Januar unterschrieb sie einen Vertrag für eine Stelle in etwa einer Stunde Entfernung von ihm. Heute sagt sie: „Ich bin froh, dass es so geklappt hat. Der Abstand lässt uns beide erstmal ankommen und im Berufsleben Fuß fassen. Trotzdem sind wir nah genug, um keine Fernbeziehung führen zu müssen. Wie sich langfristig alles entwickelt, ist demnach offen.“

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